Erdbeben: Türkei setzt Suchaktion in zwei Provinzen fort – Neues Beben in Hatay

In der Türkei geht der Such- und Rettungseinsatz nach den Erdbeben noch in zwei Provinzen weiter. In Syrien könnten 40.000 Haushalte ohne Obdach sein.
Ein Diensthund eines tschechischen Such- und Rettungsteams nimmt an einem Pressetermin nach der Rückkehr aus dem Erdbebengebiet der Türkei teil.
Ein Diensthund eines tschechischen Such- und Rettungsteams nimmt an einem Pressetermin nach der Rückkehr aus dem Erdbebengebiet der Türkei teil.Foto: Petrášek Radek/CTK/dpa
Von 21. Februar 2023

Die Such- und Rettungsmaßnahmen nach den Erdbeben von vor zwei Wochen am 6.2.2023 sind in neun Provinzen der Türkei beendet. Dort beginnt nunmehr die Trümmerbeseitigung. Nur in Kahramanmaraş und Hatay sucht die Katastrophenschutzbehörde (AFAD) weiter, erklärt deren Leiter Yunus Sezer gegenüber „Hürriyet Daily News“.

AFAD sprach zuletzt von mehr als 41.000 Toten durch die Erdbeben

Die beiden Provinzen waren am schwersten von den Folgen der Erdstöße der Stärke 7,7 und 7,6 im Süden des Landes und in Teilen Syriens betroffen. Sezer zufolge wird man noch einige Tage die Bemühungen fortsetzen, „in der Hoffnung, einen lebenden Bruder oder eine lebende Schwester zu erreichen“.

Allerdings werden die Aussichten immer schlechter. Am Sonntag, dem 19.2.203 gelang es noch, drei Mitglieder einer Familie aus den Trümmern eines Hauses in Hatay zu befreien. Einer der Geretteten, ein zwölfjähriger Junge, verstarb jedoch später.

Die Anzahl der Toten infolge des Erdbebens in der Türkei gab die AFAD zuletzt mit 41.156 an, es ist jedoch damit zu rechnen, dass diese Zahl noch ansteigt.

Mehr als 6.000 Nachbeben – Stärken bis zu 6,6

Mehr als die Hälfte der bislang identifizierten Todesopfer, nämlich rund 21.000, kommt aus der Provinz Hatay. Bürgermeister Lütfü Savaş kündigt zudem an, dass es erforderlich sein werde, in der traditionsreichen Stadt Antakya mindestens 80 Prozent der dort befindlichen Gebäude abzureißen.

Der Bezirk Antakya hat einen einzigartigen Platz in der Religionsgeschichte und beherbergt mehrere historische Gebäude und Ruinen der antiken Stadt Antiochia.

Die Katastrophenschutzbehörde gab zudem an, dass in den Tagen nach dem ersten Beben rund 6.040 Nachbeben in den elf Provinzen aufgetreten sind. Von diesen hätte eines eine Stärke von 6,6 und weitere 40 eine Stärke zwischen 5 und 6 erreicht. AFAD-Generalsekretär Orhan Tatar richtet einen eindringlichen Appell an die Bürger:

 

Es ist äußerst wichtig, sich von beschädigten Gebäuden fernzuhalten und sie nicht zu betreten.“

Weitere Todesopfer durch Erdstöße vom Montagabend

Am Montagabend, dem 20.2.2023 bebte die Erde erneut. Ein Erdbeben der Stärke 6,4 erschütterte dabei vor allem Hatay. Menschen liefen in Panik auf die Straße, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Das Beben war auch im Norden Syriens und bis in den Libanon zu spüren.

In der Türkei stieg dadurch die Anzahl der Todesopfer nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu um weitere sechs. Die Rettungskräfte hätten in der Provinz Hatay in der Nacht drei Tote aus den Trümmern geborgen, berichtete Anadolu am Dienstag. Zuvor waren nach offiziellen Angaben bereits drei Menschen ums Leben gekommen. Fast 300 Menschen wurden demnach verletzt.

Nach Angaben des Katastrophenschutzes hatten die Erdbeben bislang etwa 384.000 Gebäude zerstört, darunter vor allem Wohneinheiten. Das Urbanisierungsministerium müsse nach derzeitigem Stand 105.794 Gebäude überprüfen. Die meisten davon seien zerstört oder schwer beschädigt und müssten dringend abgerissen werden.

US-Außenminister Blinken wird die Türkei besuchen

Auch die meisten ausländischen Hilfsteams haben ihren Unterstützungseinsatz mittlerweile beendet, beispielsweise die Abordnung aus Katar, die zwei Wochen lang in der Südtürkei weilte. AFAD zufolge seien derzeit aber immer noch mehr als 40.000 Retter aus dem In- und Ausland im Einsatz.

Am kommenden Sonntag will auch US-Außenminister Antony Blinken die Türkei besuchen. Zusammen mit seinem Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu will er sich ein Bild von der Situation vor Ort machen. Außerdem ist ein Besuch des Luftwaffenstützpunktes İncirlik geplant. Von dort aus werden zahlreiche internationale Hilfslieferungen in die betroffenen Provinzen verteilt – auch viele aus Deutschland.

ITÜ mahnt: „Keine Bauwerke ohne Ingenieurleistungen mehr legalisieren!“

Unterdessen haben mehrere Wissenschaftler der Technischen Universität Istanbul (İTÜ) einen ersten Bericht zu den Erdbeben und ihren Folgen vorgelegt. Dabei nennen sie fünf zentrale Gründe, die ihrer Einschätzung nach das Ausmaß der Katastrophe beeinflusst hatten.

Einer davon ist demnach das Alter der Gebäude. Dazu kämen die unzureichende Tragfähigkeit des Bodens, die Nichteinhaltung von Bauvorschriften, die schlechte Qualität von Baumaterialien und die nicht ausreichende Geschossanpassung benachbarter Gebäude.

Rektor İsmail Koyuncu kündigt an, in den kommenden Tagen einen detaillierten Bericht vorzulegen. Die Wissenschaftler mahnten an. Verordnungen aufzuheben, die Gebäudebestände legalisiert hätten, für die keine Ingenieurleistungen vorlägen. Zudem hat der Bericht die Ergebnisse vorläufiger Berechnungen zu Erdbebenabfällen genannt. Demzufolge sei mit einer Gesamtmenge an Erdbebenabfällen von 50 bis 110 Millionen Tonnen zu rechnen.

Bislang gelangten 140 UNO-Hilfskonvois über die Türkei nach Syrien

In Syrien bleibt die Lage für Erdbebenopfer unterdessen weiterhin unübersichtlich. Bereits zuvor hatten der jahrelange Bürgerkrieg, eine schwere Wirtschaftskrise und die unterschiedlichen Einflusszonen humanitäre Einsätze erschwert. Laut UN benötigten schon vor den Erdbeben mehr als 15 Millionen Menschen irgendeine Form von Hilfe. Nun sollen etwa 8,8 Millionen Menschen von der Erdbebenkatastrophe betroffen sein.

Infolge des neuen Erdbebens in der südosttürkischen Provinz Hatay sind in Syrien nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mindestens fünf Menschen gestorben. In den Orten Aleppo, Tartus und Hama seien Anwohner in Panik geraten und hätten einen Herzstillstand erlitten, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagmorgen mit. Unter den Todesopfern sei auch ein Kind, dessen Herz den Angaben zufolge stehen geblieben sei.

Mehr als 500 Menschen wurden den Angaben nach zudem verletzt, davon mindestens 350 in den von der Regierung kontrollierten Regionen und 150 in den Rebellen-Gebieten. Viele Menschen seien in Panik von Gebäuden gesprungen oder von Trümmern getroffen worden. Auch der Chef der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed al-Saleh, meldete 150 Verletzte für die syrischen Regionen, die von Rebellen gehalten werden.

Viele Menschen hätten die Nacht bei eisigen Temperaturen wieder draußen verbracht, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle weiter. Auch bei dem erneuten Beben seien Häuser eingestürzt.

Keine verlässlichen Zahlen über Erdbebenfolgen in Syrien

Etwa zwei Wochen nach den Beben haben im Nordwesten Syriens noch immer nicht alle Menschen Nothilfe erhalten. „Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimmste noch nicht gesehen“, sagte der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator Muhannad Hadi der dpa. Bislang seien beispielsweise etwa 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbebenopfer mit Zelten versorgt worden. Nach UN-Angaben sind derzeit aber rund 40.000 Haushalte ohne Obdach.

Bisher fuhren seit der Katastrophe mehr als 140 Lastwagen mit UN-Hilfsgütern aus der Türkei in den von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens. Dort sind mehr als 9.000 Gebäude komplett oder teilweise zerstört, wodurch mindestens 11.000 Menschen ihr Zuhause verloren haben. Am dringendsten benötigten die Betroffenen laut UN jetzt unter anderem Unterkünfte wie Zelte.

Offiziell ist in Syrien bisher die Rede von rund 5.900 Tote in Zusammenhang mit den Beben. An der Verlässlichkeit der Angaben besteht jedoch Zweifel. Es erfolgen nur unregelmäßige Aktualisierungen, zudem erschwert der Umstand die Zählung, dass die Landesteile Syriens unter der Kontrolle unterschiedlicher Bürgerkriegsparteien stehen.

Die Bundesregierung hat den Erdbebenopfern in Syrien unterdessen weitere Hilfen zugesichert. Die Rede war zuletzt von 22 Millionen Euro, die das Auswärtige Amt dafür freigegeben habe.

(Mit Material von dpa)



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