Erdbeben: Zahl der Toten bei über 17.000 – Hotels in Antalya als Notunterkünfte

In der Türkei und in Syrien müssen nach den Erdbeben immer noch Tausende Menschen im Freien übernachten. Präsident Erdoğan verspricht raschen Wiederaufbau.
Wie durch ein Wunder: Ein Südkoreanisches Rettungsteam rettet am Donnerstag ein Kleinkind aus den Trümmern eines Hauses.
Wie durch ein Wunder: Ein südkoreanisches Rettungsteam rettet am Donnerstag ein Kleinkind aus den Trümmern eines Hauses.Foto: -/YNA/dpa
Von 9. Februar 2023

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Immer wieder gibt es kleine Wunder, wenn Rettungskräfte auch drei Tage nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien noch Überlebende aus den Trümmern ziehen. Dennoch wird das Zeitfenster immer enger, und die Zahl der Toten ist auf mittlerweile mehr als 17.000 gestiegen.

Die Nachrichtenagentur „Anadolu“ sprach in der Nacht auf Donnerstag (9. Februar) unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde AFAD von 12.873 bestätigten Todesfällen in der Türkei. Die Zahl der Verletzten lag bei 62.937. In Syrien ist bislang die Rede von 3.162 Toten. Die dortigen Zahlen sind mit einer gewissen Restunsicherheit behaftet, weil das Land nicht vollständig von der Regierung kontrolliert wird.

Tausende Opfer der Erdbeben müssen unter freiem Himmel verharren

Die Zahl der Toten wird voraussichtlich noch weiter steigen, da nach 72 Stunden kaum noch Aussicht besteht, Überlebende unter den Trümmern zu finden. Tausende Menschen in betroffenen Städten müssen zudem bei eisigen Temperaturen unter freiem Himmel ausharren. Aus Angst vor Nachbeben oder Einsturzgefahr trauen sich viele nicht mehr in ihre Häuser zurück.

Öffentliche und private Hilfseinrichtungen arbeiten derweil weiter an der Grenze ihrer Kapazitäten. Die Solidarität ist groß, auf Twitter teilen Betroffene unter dem Hashtag #SESVAR („Wir hören Stimmen“) ihre Standorte.

In den ersten Tagen schafften es Rettungskräfte vielfach erst spät, zu Betroffenen vorzustoßen. Schnee und Eis machten Straßen schwer passierbar, Geröllmassen schnitten einige Gegenden von der Außenwelt ab. Dadurch konnten Helfer mit passendem Gerät häufig erst verspätet zu Betroffenen durchdringen.

Erdoğan kündigt Soforthilfe und neue Wohnungen an

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan räumte bei einem Besuch in Kahramanmaraş ein, dass es vor allem am ersten Tag Probleme bei der Koordination der Hilfsmaßnahmen gegeben habe. Mittlerweile habe man diese jedoch im Griff.

Auch habe es Verzögerungen an Flughäfen und auf Straßen gegeben und kleinere Engpässe bezüglich des Treibstoffs. Es sei jedoch nicht möglich, sich auf alle Folgen eines Erdbebens dieser Größenordnung vorzubereiten.

Menschen, die durch das Beben obdachlos wurden, könne man bis auf Weiteres in Touristengebieten unterbringen, erklärte der Staatschef:

Wir haben Gespräche mit Hotels in Regionen wie Antalya, Alanya und Mersin geführt. Wenn es Menschen gibt, die in Hotels wohnen wollen, sind wir bereit, unsere Bürger unterzubringen.“

Erdoğan kündigte an, als Soforthilfe jeder betroffenen Familie 10.000 Türkische Lira (circa 530 US-Dollar) zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen innerhalb eines Jahres in allen zehn betroffenen Provinzen neue Wohnungen gebaut werden:

Wir können nicht zulassen, dass unsere Bürger auf der Straße bleiben.“

Kılıçdaroğlu macht Erdoğan verantwortlich – Risikofaktoren reichen aber in CHP-Ära zurück

Auch der Vorsitzende der oppositionellen „Republikanischen Volkspartei“ (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, besuchte von den Erdbeben betroffene Gebiete. Dabei stieß es auf gemischte Reaktionen, dass er versuchen würde, die Not der Betroffenen politisch zu nutzen. Er bezeichnete Erdoğan als „hauptverantwortlich“ für den Verlauf der Katastrophe. Dieser, so Kılıçdaroğlu, habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten.

Allerdings sagte er nicht dazu, wie dies nach seiner Auffassung vonstatten hätte gehen sollen. Neben der Größe der von den Erdbeben betroffenen Regionen trugen auch Faktoren zum Ausmaß des Schadens bei, die zum Teil bis in die 1940er-Jahre zurückreichen.

Die Türkei erlebte im 20. Jahrhundert eine enorme Landflucht. Viele Bürger gingen von der Fortdauer eines Gewohnheitsrechts aus dem Osmanischen Reich aus, wonach ein über Nacht errichtetes Bauwerk nicht abgerissen werden dürfe. Dadurch entstanden in türkischen Städten Hunderttausende sogenannte Gecekondus, also behelfsmäßige Unterkünfte, die regelmäßig nicht üblichen Baustandards entsprachen.

Verwaltungen – auch von der CHP geführte – duldeten diese Bauten jedoch meist, weil sie halfen, eigene Mittel für Wohnbau einzusparen. Oft spielten auch Korruption und Schwarzarbeit eine Rolle. Wo staatliche Behörden versuchten, Zwangsräumungen durchzusetzen, stießen sie zum Teil auf militante Gegenwehr. Am Ende gaben Kommunen diese Versuche auf, weil sie politisch immer weniger als ratsam erschienen.

Die Bewohner der Gecekondus bauten diese im Laufe der Jahrzehnte aus und modernisierten sie in Eigenregie – die ursprünglichen Mängel in Statik und Bausubstanz blieben jedoch bestehen.

EU will Geberkonferenz zur Unterstützung der Opfer der Erdbeben abhalten

Unterdessen können die Türkei und Syrien auch mit internationaler Unterstützung rechnen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet mit bis zu 23 Millionen Menschen, die von der Katastrophe betroffen sind.

Auch die EU will Anfang März eine Geberkonferenz für Syrien und die Türkei abhalten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am Mittwoch, die Türkei und Syrien könnten „auf die EU zählen“.

In Syrien stellt sich bezüglich Hilfslieferungen das Problem, dass die Regierung von Präsident Baschar al-Assad das Land nicht mehr flächendeckend kontrolliert. Zudem unterhalten vor allem westliche Länder keine diplomatischen Beziehungen mehr zu ihm. Einige Regionen stehen unter der Kontrolle protürkischer Milizen – dort ist davon auszugehen, dass Ankara mögliche Hilfslieferungen mitkoordiniert. Allerdings ist dennoch zu befürchten, dass in Syrien nicht alle Betroffenen nach den Erdbeben an Unterstützung gelangen können.

(Mit Material von dpa und AFP)



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