Flugbetrieb unter Extrembedingungen: Piloten berichten von Evakuierungen aus Kabul

Gefährliche Landungen, Chaos am Boden, erschöpfte Passagiere: Für die Piloten sind die Evakuierungsflüge vom Flughafen in Kabul ein Einsatz wie keiner zuvor.
Epoch Times26. August 2021

Mitten im Durcheinander nach der Eroberung der afghanischen Hauptstadt durch die radikalislamischen Taliban muss der Flugbetrieb präzise organisiert werden. Doch die Lage des Airports, in großer Höhe und umgeben von Bergketten, ist selbst für erfahrene Piloten eine Herausforderung.

Dazu kommt: Seit der Machtübernahme der Taliban ist der Himmel über Kabul voller Militärflugzeuge. Den Piloten der Evakuierungsflüge bleiben lediglich ihre Bordinstrumente, um Zusammenstöße zu verhindern.

Die US-Truppen, mit 5800 Soldaten am Kabuler Flughafen vor Ort, „koordinieren die gesamte Luftraumüberwachung, Boden- und Anflugkontrolle“, sagt Stephen, Kapitän eines französischen A400M Militärtransportflugzeugs. „Ein solches Flugzeug hat viele Instrumente die einen unterstützen, aber bei der Landung müssen wir auf Sicht fliegen“, sagte er AFP auf der französischen Militärbasis 104 bei Al-Dhafra in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Militärbasis wird von den Franzosen als Transportknotenpunkt in der Region genutzt.

„Dass uns die Systeme so sehr helfen, erlaubt es uns, den Außenbereich im Blick zu behalten und die Gefahrensituation einzuschätzen“, sagte Stephen weiter. Um möglichen Raketenbeschuss abzuwehren, kann die A400M Projektile abgeben, die eine intensive Hitze abstrahlen und anfliegende Raketen so ablenken können. Bei der Landung lassen die Piloten die Flugzeuge außerdem steil abfallen, „um die Bedrohung beim Anflug zu vermeiden“.

Starts und Landungen seien „geregelt wie eine Partitur“, berichtete Stephen. Es gebe „so viel Luftverkehr aus der ganzen Welt, dass das ohne Organisation gar nicht möglich wäre“. Die Piloten müssen sich exakt an die vorgeschriebenen Zeitfenster halten – genau eine halbe Stunde zwischen Landung und Start. Zwar stünden viele Flugzeuge auf dem Rollfeld, die Situation sei jedoch „gut organisiert“, sagte Stephen.

Als Kabul am 15. August an die Taliban fiel, flüchteten tausende Menschen panisch zum Flughafen. Doch als er an jenem Morgen sein Passagierflugzeug in Kabul landete, schien alles noch normal zu sein, erzählte Maqsoud Barajni, Pilot bei der pakistanischen Fluglinie PIA.

Panik am Flughafen

Als er jedoch auf dem Rollfeld auf die Starterlaubnis für den Rückflug wartete, bemerkte er, wie sich am Flughafen Panik ausbreitete. „Die Situation war nicht normal“, erinnerte er sich. „Immer mehr Menschen drängten sich in den Flughafen und es waren Schüsse zu hören.“

Dann traf er die wohl wichtigste Entscheidung seiner Pilotenkarriere: „Nachdem ich mir die Situation eine Stunde lang angesehen hatte, startete ich einfach“, erzählte er. Die Sicht war klar, nur so war es Barajni möglich, eine Kollision mit den Militärflugzeugen zu vermeiden. „Hätten wir uns nur ein paar Minuten später entschieden, wären wir nicht mehr rausgekommen“, sagte er. „Es war der letzte kommerzielle Flug an diesem Tag.“

Sein PIA-Kollege Uzair Khan war am selben Tag ebenfalls in Kabul gestartet. Er musste seine Fluggäste, unter ihnen viele Kabinettsmitglieder der abgesetzten afghanischen Regierung mit ihren Familien, beruhigen. „Sie flohen aus dem Land, zusammen mit ihren Familien und drängten uns dazu, so schnell wie möglich zu starten“, erzählte Khan. Die Anspannung fiel erst von ihnen ab, als das Flugzeug in Islamabad landete.

In den folgenden Tagen wurde die Lage in Kabul immer unübersichtlicher. Fotos eines britischen Transportflugzeugs zeigten Menschen, die zusammengedrängt am Boden der Maschine sitzen. Für den französischen Oberst Yannick Desbois, Kommandant der Militärbasis 104, gilt es in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. „Man muss die Leistungsfähigkeit des Flugzeugs analysieren und darf dann nur so viele Menschen mitnehmen, wie das Flugzeug tragen kann“, sagte er.

Eine französische A400M hat Sitzplätze für 110 Passagiere, doch bei den Evakuierungsflügen wurden bis zu 235 Menschen an Bord genommen. „Es ist eine Frage des Gewichts“, sagte Desbois. Die Passagierzahlen seien zwar hoch, doch darunter seien auch viele leichte Kinder. Nach dem Start werde der Job der Piloten und Soldaten an Bord einfacher. „Die Menschen sind müde, der Druck fällt von ihnen ab“, sagte Desbois. „Meistens schlafen sie ein und wir können unseren Job machen“. (afp)



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