Grüne Schifffahrt benötigt „wundersamen Durchbruch der Chemie“

Etwa drei bis vier Prozent beträgt der Anteil, den die internationale Schifffahrt zu den menschengemachten CO₂-Emissionen beisteuert. Dieser Anteil müsse sinken, ist man sich in Brüssel einig. Ob „grüne“ Alternativen einsatzfähig sind, steht auf einem anderen (Ruder-) Blatt.
Der Kurs ist gesetzt: Die Schifffahrt soll grün werden, irgendwie.
Der Kurs ist gesetzt: Die Schifffahrt soll grün werden. Irgendwie.Foto: iStock
Von 8. Dezember 2022

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„Der Klimavandalismus auf den internationalen Weltmeeren ist zu Ende“, verkündete Jutta Paulus von der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament anlässlich der vorläufigen Entscheidung, die europäische Schifffahrt in den Emissionshandel einzubinden. Einen „Wendepunkt für die Dekarbonisierung der Schifffahrt“, sieht auch Jacob Armstrong, Schifffahrtsexperte der Umweltorganisation „Transport and Environment“.

In der Branche selbst erzeugt die Nachricht geteilte Meinungen. So begrüßt Jim Corbett, Umweltdirektor des World Shipping Council (WSC) für Europa, die Maßnahmen und vor allem die versprochenen Investitionen.

Sowohl Armstrong als auch Corbett sprachen davon, dass die Regelung „alle Treibhausgase“ einschließt, die da wären „CO₂, Methan und Stickoxide“. Wasserdampf und andere Gase sowie die tatsächlich vorhandenen und einsatzbereiten technischen Möglichkeiten wurden hierbei offenbar ausgeblendet.

Grüne Schifffahrt „nur“ eine Frage des Wie …

Auch Sotiris Raptis, Generalsekretär des Verbands der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft, teilt diese Meinung: „Die Linienschifffahrt investiert bereits in den Übergang zu treibhausgasfreien Kraftstoffen und ist bestrebt, Schiffe mit erneuerbaren Kraftstoffen zu betreiben. […] Wir sind bereit und hoffen, dass das EU-Emissionshandelssystem für den Seeverkehr dazu beitragen wird, Investitionen in erneuerbare Energien und in die Versorgungsnetze für die alternativen Schiffskraftstoffe, die für den Übergang erforderlich sind, voranzutreiben.“

Weiter sagte er: „Die Klimakrise [ist] eine der größten wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen für unsere Gesellschaft.“ Die Dekarbonisierung der Schifffahrt sei daher „keine Frage des ‚Ob‘, sondern des ‚Wie‘.“

Insbesondere Letzteres ist jedoch alles andere als klar. Aufgrund eines akuten Mangels an Biokraftstoffen kündigte erst am 3. November die Reederei Maersk ein Milliardenprojekt in Zusammenarbeit mit der spanischen Regierung an. Ziel sei die Produktion von zwei Millionen Tonnen Methanol pro Jahr am Standort Spanien.

In Verbindung mit einem ähnlichen Projekt in Ägypten plant der dänische Schifffahrtsriese in den nächsten drei Jahren 19 Schiffe mit „grünem“ Methanol in den Dienst zu stellen.

Zum Vergleich: Die weltweite Flotte umfasst weit über 100.000 Frachtschiffe, darunter mindestens 7.245 Containerschiffe aller Größen. Demgegenüber steht eine Jahresproduktion von bislang rund 98 Mio. Tonnen Methanol.

Der Kurs ist gesetzt, der Zielhafen bestimmt, aber das Ruder ist noch nicht „rumgerissen“. Einerseits sind die Ende November vorgestellten Maßnahmen noch nicht verbindlich. Andererseits ist die See in Realität deutlich rauer als auf dem Papier und mögliche klimafreundliche Alternativen noch nicht bereit.

Was wurde ausgehandelt?

Die bisherige Einigung wurde im Rahmen des sogenannten Trilog erzielt, Verhandlungen zwischen ausgewählten Vertretern von EU-Parlament, -Kommission und -Rat. Dabei treten maximal zehn Personen aus unterschiedlichen Bereichen immer dann zusammen, wenn reguläre Gesetzgebungsverfahren nicht vorankommen. Die Ergebnisse sind Vorschläge. Entsprechend müssen Rat und Parlament nochmals darüber abstimmen.

Ab 2024 müssten dann alle Schiffe über 5.000 Bruttoregistertonnen, die einen europäischen Hafen anlaufen, Emissionszertifikate kaufen. Freizeitkapitäne bleiben vorerst verschont. Alle anderen sollen zunächst 40 Prozent der Emissionen im europäischen Emmisionshandel ETS erwerben. 2025 soll die Quote auf 75 Prozent und 2026 auf 100 Prozent steigen. Das gelte für den gesamten Schiffsverkehr innerhalb Europas. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sollen dafür 20 Millionen EU-Emissionszertifikate im Wert von aktuell 1,5 Milliarden Euro reserviert werden.

Schiffe von und nach Europa sollen sich bis 2028 die Hälfte ihre Emissionen erkaufen. Bis dahin wird geprüft, ob die Quote auf 100 Prozent erhöht werden solle. Bis 2025 soll zudem geprüft werden, ob auch kleinere Schiffe in den Emissionshandel aufgenommen werden sollen.

Neben den Maßnahmen für die Schifffahrt plant die EU weitere Überarbeitungen des Emissionshandels im Rahmen der „Fit für 55“-Bemühungen. Demnach sollen die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken. Die Beschlussfassung ist für den 17. Dezember geplant.

Unabhängig davon tritt bereits am 12. Dezember das Maritime Umweltschutzkomitee der Internationalen Schifffahrtsorganisation zusammen. An der Themse in London sollen dabei ebenfalls Ziele und Vorgaben zur Beseitigung von Treibhausgasemissionen der Schifffahrt, alternative Kraftstoffe und Auswirkungen verschiedener Rechenansätze thematisiert werden.

Anfang des neuen Jahres möchte auch die US-Regierung einen „Plan zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors“ vorlegen und eine „US-Strategie zur Dekarbonisierung des maritimen Sektors“ entwickeln.

Konteradmiral: „Es gibt kein Patentrezept“

Nach Angaben von „Reuters“ transportieren Schiffe weltweit 90 Prozent der Produkte. Gleichzeitig verantworten sie nur etwa 15 bis 20 Prozent der CO₂-Emissionen des Transportwesens. Laut EU-Kommission sollen See- und Binnenschifffahrt innerhalb Europas sogar lediglich etwa elf Prozent zu den verkehrsbedingten CO₂-Emissionen beitragen. Allerdings werden Schiffen nicht mit dem Inkrafttreten der verschiedenen Maßnahmen plötzlich grün.

Eine Analyse der norwegischen Klassifikationsgesellschaft DNV beziffert die nötigen Investitionen auf 100 Milliarden Euro – jährlich. Und je nachdem, welche Strategie angewendet werde, könnten sich die Gesamtkosten auf zwei Billionen Euro erhöhen, ergänzt der langjährige Befehlshaber der US-Küstenwache, Konteradmiral John Nadeau.

Auf dem Blog von Kapitän John Conrad, gCaptain, führt er aus:

„Es gibt kein Patentrezept. Es gibt einige technische Hürden, die noch überwunden werden müssen. Die Motorenhersteller sind zuversichtlich, dass sie Verbrennungsmotoren entwickeln können, die mit LNG, Methanol, Ammoniak, Wasserstoff und anderen Kraftstoffen betrieben werden können.“

Zwar seien Biokraftstoffe „aufgrund ihrer Kompatibilität mit der vorhandenen Schiffsausrüstung und Hafeninfrastruktur eine attraktive Option“, die Technik jedoch alles andere als ausgereift. Es gebe „kein ausreichendes Angebot an nachhaltiger Biomasse, um genügend Biokraftstoff zu produzieren, um die weltweite Nachfrage im Seeverkehr zu decken, insbesondere wenn man mit der Luftfahrtindustrie konkurriert.“

Schifffahrt benötigt „wundersamen Durchbruch der Chemie“

Um dieses Angebot zu bereichern, sei die Technologie zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung erforderlich, doch auch hier gibt es Probleme. Einerseits ist das Verfahren „nach wie vor recht teuer und energieintensiv [und wird] möglicherweise nie zu 100 Prozent wirksam sein“, so Konteradmiral John Nadeau. Andererseits ist das – in Deutschland entwickelte – Verfahren in Deutschland gesetzlich verboten.

Die Alternative, sogenannte E-Fuels wie E-Wasserstoff und E-Ammoniak, erfordern große Mengen an erneuerbarer Elektrizität. Zudem benötigten E-Methanol und E-LNG wiederum (nachhaltigen) Kohlenstoff aus biogenen Quellen oder direkter Kohlenstoffabscheidung aus der Luft.

„Wenn es nicht zu einem wundersamen Durchbruch in der Chemie oder Wissenschaft kommt, wird die breite Verfügbarkeit kohlenstoffneutraler grüner Kraftstoffe die [weltweite] Verfügbarkeit erneuerbarer Energie aus Sonne, Wind, Wasser, Kernkraft oder anderen nachhaltigen Quellen voraussetzen. Und die [wird] nicht billig sein“, schließt Konteradmiral Nadeau, hat dann aber doch einen Punkt zu ergänzen:

„Und schließlich und vor allem, obwohl dies oft übersehen oder unterschätzt wird, ist die Fähigkeit, einige dieser Kraftstoffe auf Schiffen und in Häfen sicher zu handhaben, nach wie vor ein Bereich, der große Sorgen bereitet.“



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