Kriegshelden oder Verbrecher? – Rückkehr ehemaliger Straftäter aus dem Krieg: Sorgen um Sicherheit in Russland

Die Rückkehr von ehemaligen Häftlingen aus russischen Gefängnissen, die in der Wagner-Armee in der Ukraine gekämpft haben und nun heimkehren, wird in Russland kontrovers gesehen.
Titelbild
Menschen gehen am 15. März 2023 im Zaryadye-Park in Moskau an einer Dekoration vorbei, die als 'Kreml-Stern' stilisiert ist und den Buchstaben Z trägt, ein taktisches Abzeichen russischer Truppen in der Ukraine.Foto: YURI KADOBNOV/AFP über Getty Images
Epoch Times7. April 2023

Zu Tausenden kehren inzwischen ehemalige Häftlinge, die sich für den Krieg in der Ukraine verpflichtet haben, in den russischen Alltag zurück. „Sie sind zu echten Patrioten ihres Landes geworden“, rühmt sich der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, der die verurteilten Straftäter im vergangenen Jahr in Gefängnissen des Riesenreichs anwarb.

Sechs Monate sollten sie dienen – und im Gegenzug ihre Freiheit erlangen. „Mehr als 5.000 haben ihre Verträge erfüllt“, sagt Prigoschin. Die Anzahl derer, die den Krieg nicht überlebt haben, nennt er nicht. Aber er sieht sie alle als Helden: die Toten und die Überlebenden.

Der Kreml in Moskau spricht nicht über die für solche Einsätze der Gefangenen im Kriegsgebiet nötigen Begnadigungen durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie gelten als Staatsgeheimnis. Die Dekrete Putins dazu werden aber teils von den Familien der Betroffenen veröffentlicht.

Heldenbegräbnisse für frühere Schwerverbrecher

Der Putin-Vertraute Prigoschin geht dagegen offensiv mit dem in Russland umstrittenen Thema um. Legalisiert ist zwar weder Prigoschins Söldner-Armee noch die Möglichkeit für den Wagner-Chef, in Russlands Gefängnissen ein und aus zugehen. Aber Prigoschin, der sich im Moment vor allem auf die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Bachmut im Gebiet Donezk in der Ukraine konzentriert, hat immer wieder Zugeständnisse für seine Privatarmee durchgesetzt.

Es heißt, sie wären den regulären russischen Streitkräften gleichgestellt. Der 61-jährige Prigoschin setzte auch Heldenbegräbnisse für im Krieg getötete frühere Schwerverbrecher durch, wenn Gemeinden sich weigerten, ihnen solch eine letzte Ehre zu gönnen. Bisweilen ist der Widerstand in den Gemeinden groß, weil insbesondere Tötungsdelikte mancher Täter nicht vergessen sind.

Für Prigoschin spricht dagegen vieles für sein Modell der Kriegsführung auch mit Verurteilten. Er behauptet, dass die Erfahrung auf dem Schlachtfeld viele Straftäter davon abbringen würde, neue Verbrechen zu begehen.

„Sie schätzen das Leben, sie wollen ihr Land lieben, sie wollen nicht ins Gefängnis zurück.“ Nach Schätzungen kämpften zeitweilig rund 50.000 Strafgefangene in den Wagner-Reihen.

Prigoschin kritisiert Russlands Elite

Mittlerweile wirbt Prigoschin keine Straftäter mehr an. Er betreibt Rekrutierungszentren im Land, um unbescholtene Freiwillige für den Krieg zu gewinnen. Dass ehemalige Straftäter nicht willkommen seien, sagt für ihn viel aus über sein Land und die dortige Elite, kritisiert er.

Sie wolle keine verurteilten Straftäter in ihren Reihen. Und der Staat wolle für die Geschichte alle davon überzeugen, dass saubere Generäle in der Ukraine gekämpft haben – „und nicht einfache russische Kerle, darunter auch aus Haftanstalten, die Siege in diesem Krieg errungen haben“.

Ein Prigoschin-Kämpfer mordete nach der Rückkehr erneut

In Teilen der Bevölkerung macht sich Angst breit, dass die Freigelassenen nach dem Kriegsdienst neue Straftaten begehen würden. Frauen protestieren, dass Banditen, Vergewaltiger und Mörder in Freiheit kämen. „Sie werden jetzt noch zu Kriegsverbrechern“, heißt es etwa von weiblichen Frauenrechtlern der russischen Antikriegsbewegung. „Ihre Begnadigung ist eine direkte Bedrohung für die Sicherheit und das Leben der Frauen und ihrer Kinder.“ Durch die Kriegstraumata steige das Risiko der Gewalt, warnen sie.

Auch Prigoschin musste erleben, dass einer seiner wegen Mordes verurteilten Schützlinge nach der Rückkehr in seine Heimatregion erst ein Autofenster mit einer Axt eingeschlagen und dann eine 85 Jahre alte Frau im Nachbarort getötet hat. Von seinen 14 Jahren Haft hatte der Mann gerade einmal zwei abgesessen, als ihn der Wagner-Chef voriges Jahr für den Krieg rekrutierte.

Wagner trage die Verantwortung für seine Kämpfer, räumt Prigoschin ein. „Wir heilen sie, versorgen sie mit Prothesen, zahlen alles, was wir zahlen sollen.“

Rehabilitation in einem Moskauer Nobel-Vorort?

Die in dem von Putin eingesetzten Menschenrechtsrat arbeitende Eva Merkatschowa meint, dass Russland ein Rehabilitierungswesen brauche, weil bei den „oft so schon gestörten“ Straftätern nun noch die Kriegstraumata hinzukämen. Ein Kriegsorden helfe ihnen nicht, im Leben anzukommen, Arbeit zu finden. In Russland fehle bisher ein System, um Straftäter auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten.

Auch Prigoschin sieht offenbar Handlungsbedarf im Umgang mit den traumatisierten Heimkehrern aus dem Krieg. Der Geschäftsmann will nun ein eigenes Grundstück in dem bei Reichen beliebten Moskauer Vorort Barwicha für den Bau eines psychologischen Rehabilitationszentrums für Kriegsteilnehmer, darunter ehemalige Strafgefangene, bereitstellen.(dpa/er)



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