Niederlande: Ab Februar gilt Sterbehilfe auch für Kinder unter zwölf Jahren

Die aktive Sterbehilfe ist seit vielen Jahren ein viel diskutiertes Thema, auch in Deutschland. In den Niederlanden ist diese seit 2002 legal, nun auch für Kinder. Kritiker befürchten eine schleichende Normalisierung und Missbrauch.
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Ein Kind beim Arzt. Symbolbild.Foto: iStock
Von 8. Februar 2024

Ab Februar erlauben die Niederlande die aktive Sterbehilfe bei Kindern unter zwölf Jahren. Damit geht das Land einen weiteren Schritt zur Legalisierung der Sterbehilfe, die bisher für Kinder ab 12 Jahren zulässig ist. Die Niederlande sind der Vorreiter in Sachen aktiver Sterbebeihilfe in der EU.

Mit der Neuregelung können demnach Kinder, die schwer leiden und denen nicht durch lindernde palliative Maßnahmen ausreichend geholfen werden kann, legal getötet werden. Laut dem Innenministerium des Landes betreffe die Regelung eine „kleine Gruppe“ von fünf bis zehn Kindern pro Jahr, wie das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtet.

Zur Palliativmedizin gehören medikamentöse Behandlungen und psychosoziale Begleitung, um Schmerzen zu lindern oder den Patienten Ängste zu nehmen.

Voraussetzungen

Eine dazugehörige Verordnung, die den rechtlichen Spielraum für Ärzte klarer abstecken soll, wurde bereits veröffentlicht. Nun sollen die Betreuungsanforderungen für solche Maßnahmen festgelegt werden.

In der Verordnung heißt es unter anderem, dass „selbstverständlich […] die Meinung des Kindes so weit wie möglich in einer dem Verständnis und dem Alter des Kindes angemesse­nen Weise eingeholt werden sollte“.

Gleichzeitig sollte auf eine Sterbebeihilfe verzichtet werden, wenn ein Kind sagt, dass es „seine derzeitige Situation der Beendigung des Lebens vorzieht“.

Bisher konnten in den Niederlanden Jugendliche ab zwölf Jahren bereits Sterbehilfe beantragen. Bis zum Alter von 16 Jahren benötigen sie die Zustimmung der Eltern. Seit dem Jahr 2005 dürfen unter bestimmten Bedingungen auch missgebildete Neu­geborene straffrei getötet werden, wie „Vatican News“ berichtet.

Auch ist die Tötung auf Verlangen von schwer dementen Patienten seit einem Urteil des Obersten Gerichtes in den Niederlanden im Jahr 2020 zulässig. Dafür müssen sie vorab eine Patientenverfügung formulieren. Diese sei auch dann noch verbindlich, wenn der Demente sich zum Zeit­punkt der geplanten Tötung dagegen wehrt.

Kritik

Dies wird von Kritikern der aktiven Sterbehilfe kritisiert. Kann man demenzkranken Personen die Fähigkeit absprechen, ihren Willen zu äußern beziehungsweise den einmal geäußerten Willen auch wieder zu ändern? Und kann ein Kind die Dimension einer solchen Entscheidung begreifen? Kann es Schmerz bewerten und verstehen, was Tod bedeutet?

Wenn es nach dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) geht, widerspricht die Entwicklung in den Niederlanden „jeglicher Vorstellung von Mitmenschlichkeit“, wie die „ÄrzteZeitung“ berichtet. „Die Tötung eines Kindes kann niemals die Lösung sein“, erklärte der DHPV-Vorsitzende Winfried Hardinghaus bereits im letzten Jahr. Stattdessen sollten betroffene Kinder und ihre Eltern umfassende Unterstützung und Begleitung erhalten.

Auch aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen PalliativStiftung, Thomas Sitte, sei der Vorstoß inakzeptabel, aber zugleich folgerichtig, wie er der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ sagte. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidhilfe erwartet er auch in Deutschland in absehbarer Zeit die Zulassung aktiver Sterbehilfe.

Er selbst habe während seiner beruflichen Laufbahn als Palliativmediziner auch Eltern getroffen, die um Sterbehilfe für ihre leidenden Kinder baten. Allerdings sei eine Tötung eines Kindes niemals notwendig gewesen. „Es war immer als Lösung möglich, eine künstliche Lebenserhaltung nicht fortzuführen und vorhandenes Leiden palliativ zu lindern“, so Sitte.

Befürchtungen vor einer schleichenden Normalisierung

Seit die Niederlande die Sterbehilfe im Jahr 2002 legalisiert haben, steigen die Fälle kontinuierlich an. Im Jahr 2022 starben 8.720 Menschen durch die aktive Hilfe von Ärzten, ein Anstieg um 13,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so „Vatican News“.

Wie die Deutsche Hospiz Stiftung in einer Auswertung zu Missbrauch der Praxis aus dem Jahr 2003 angibt, gab es in den Niederlanden auch Fälle, in denen der Betroffene nicht einwilligte.

Auch die Diagnosen haben sich erweitert: Gesetzlich ist aktive Sterbehilfe nur bei schweren, unheilbaren und unerträglichen Krankheiten erlaubt. Ärzte akzeptieren jedoch zunehmend auch „Lebensmüdigkeit“ oder Altersgebrechen als Begründung.

Die Deutsche Stiftung für Patientenschutz erkennt eine schleichende Gewöhnung im Nachbarland. „Die Niederlande zeigen, dass sich eine Gesellschaft mit der organisierten Tötung von Menschen arran­gieren kann“, sagte Vorstand Eugen Brysch laut „Ärzteblatt“. Nach seiner Aussage sei das Nachbarland bei der Versorgung mit Hospiz- und Palliativdiensten für Kinder schlecht aufgestellt.

Belgien zog im selben Jahr wie die Niederlande nach und legalisierte die aktive Sterbehilfe. Im Jahr 2009 folgte dann Luxemburg. Selbst das katholisch geprägte Spanien erlaubte im Jahr 2021 sowohl aktive Sterbehilfe als auch Beihilfe zum Suizid. Portugal folgte im Jahr 2023.

In Deutschland ist aktive Sterbehilfe nach wie vor illegal. Ärzten hierzulande ist eine „Tötung auf Verlangen“ auch auf ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch hin verboten, wie es in einer grundsätzlichen Erläuterung der Bundesärztekammer heißt. Indes könnten in bestimmten Situationen „Behandlungsbegrenzungen“ geboten sein. So solle ein „offensichtlicher Sterbevorgang“ nicht durch Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Zudem dürfe ein Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Patientenwillen entspreche.

(Mit Material von dpa)



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