Politisches Chaos in Thailand: Wahlsieger Pita kann Amt nicht antreten

Pita Limjaroenrat hatte mit seiner progressiven Partei die Parlamentswahl im Mai klar gewonnen. Neuer Ministerpräsident wird er trotzdem nicht.
Pita Limjaroenrat im Parlament in Bangkok.
Pita Limjaroenrat im Parlament in Bangkok.Foto: Sakchai Lalit/AP
Epoch Times19. Juli 2023

Für Thailands Wahlsieger Pita Limjaroenrat gibt es nach einem Tag voller überraschender Wendungen im Parlament keine Chance mehr, der nächste Ministerpräsident zu werden. Eigentlich hätte sich der 42-Jährige am Mittwoch in beiden Kammern einem zweiten Votum stellen sollen, nachdem er in der ersten Runde vergangene Woche gescheitert war.

Aber zu der Abstimmung kam es nicht mehr, nachdem mehrere Senatoren Beschwerde gegen seine Kandidatur eingelegt hatten und Pita kurz darauf auch noch vom Verfassungsgericht als Parlamentarier suspendiert wurde.

Pita: „Reicht nicht, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen“

Lautstarke Proteste vor dem Parlamentsgebäude ließen nicht lange auf sich warten. Polizisten in Kampfmontur wurden abbestellt, um die Menschenmenge unter Kontrolle zu bringen. Immer mehr Demonstranten zogen später zum Demokratie-Denkmal in Bangkok – ein symbolischer Ort, berühmt seit vielen Jahren für Massenproteste. Aufgebrachte Thais sprachen von „politischer Sabotage“.

Denn viele der 52 Millionen Wahlberechtigten fragen sich, wofür sie überhaupt an die Urnen gegangen sind. Der Harvard-Absolventen Pita konnte nach seinem Wahlsieg nicht sein Amt antreten: „Es ist klar, dass es im gegenwärtigen System nicht ausreicht, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, um dieses Land zu regieren“, schrieb er resigniert auf Instagram.

Konservativer Senat sagt „Nein“

Worum geht es? Pitas progressive Move Forward Party hatte bei der Parlamentswahl im Mai die meisten Stimmen geholt und verfügt über 151 Sitze im 500-köpfigen Abgeordnetenhaus. Das seit einem Militärputsch 2014 regierende Militär erlitt eine herbe Schlappe. Pita war es in der Folgezeit gelungen, eine Koalition aus acht Parteien zu bilden, wodurch er eine stabile Mehrheit in der Abgeordnetenkammer hat. Dennoch wird er nicht Regierungschef.

Grund ist eine Klausel in der Verfassung, die das Militär nach dem Putsch zu seinen eigenen Gunsten erlassen hatte: Über den Ministerpräsidenten stimmen seither neben 500 gewählten Abgeordneten auch 250 von der Armee ernannte Senatoren ab. Diese gelten als konservativ. Nur die wenigsten unterstützen progressive Kräfte.

Am Mittwoch hatten mehrere Senatoren gefordert, Pita ein zweites Votum gänzlich zu verweigern, obwohl er von seiner Koalition erneut als Spitzenkandidat aufgestellt worden war. Sie argumentierten, ein Kandidat dürfe sich im Parlament nur einmal zur Wahl stellen, wofür es politischen Experten zufolge aber keine Grundlage gibt. Dennoch kamen sie bei einer Abstimmung mit ihrem Anliegen durch. Im Klartext: Dies ist das „Aus“ für Pita.

Knackpunkt war das Vorhaben seiner Move Forward Party, das kontroverse Lèse-Majesté-Gesetz zu ändern. Thailand bestraft Majestätsbeleidigung so hart wie kaum ein anderes Land. In der Bevölkerung gibt es dagegen schon länger Proteste. Bislang galt der Artikel 112 aber als unantastbar. Die Reformpläne, an denen Pita unbedingt festhalten wollte, hätten seine Kandidatur von Anfang an aussichtslos gemacht, sagen politische Beobachter.

Pita als Abgeordneter suspendiert

Auch suspendierte das Verfassungsgericht in Bangkok Pita vorläufig als Parlamentsabgeordneter. Das Gericht gab damit einem Antrag der Wahlkommission statt, wie aus einer Mitteilung hervorging. Die Entscheidung wurde bekannt, während das Parlament gerade über die umstrittene zweite Abstimmung debattierte. Pita verließ daraufhin unter dem Applaus seiner Parteikollegen das Parlamentsgebäude.

Hintergrund sind Ermittlungen über angebliche Aktienanteile an einem Medienunternehmen, die der 42-Jährige während seiner Kandidatur besessen haben soll. Das ist in Thailand verboten. Pita betonte, nur die Anteile aus dem Nachlass seines Vaters verwaltet zu haben. Zudem sei das betreffende Unternehmen schon lange geschlossen. Er hat nun zwei Wochen Zeit, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.

Zukunft völlig unklar

Völlig überraschend kommen die Wirren nicht: Schon seit Monaten war von einer Schicksalswahl in dem beliebten Urlaubsland die Rede – mit vielen möglichen Szenarien. Proteste und Chaos sind Thailand nicht fremd. Ebenso wenig wie Militärcoups: Von denen gab es seit den 1930er Jahren mehr als ein Dutzend.

Für Donnerstag war eine dritte Abstimmung geplant, falls die zweite keinen Regierungschef hervorbringen sollte. Momentan ist die Situation aber völlig unklar. Möglich ist, dass nun Pitas wichtigster Koalitionspartner, die Partei Pheu Thai, einen Kandidaten aufstellt. Sie wurde bei der Parlamentswahl zweitstärkste Kraft. Jedoch sind neue Gespräche nötig, denn eventuell dreht sich auch das Koalitions-Karussell noch einmal. Und so wartet Thailand weiter auf seinen nächsten Regierungschef. (dpa/er)



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