Scheidender Pentagon-Chef: Der nächste Krieg wird keinem jemals geführten Krieg ähneln

US-General Mark Milley sieht große Veränderungen für künftige Kriege und fordert ein Umdenken der Amerikaner. Was den Ukraine-Krieg angeht, sei dieser lange noch nicht zu Ende. Er geht von vielen Toten aus, und zwar in naher Zukunft.
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Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff der Vereinigten Staaten, General Mark Milley.Foto: Michael Reynolds-Pool/Getty Images
Von 4. Juli 2023

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Pentagon-Chef Mark Milley hat kürzlich seine Empfehlungen für künftige Kriege abgegeben. Demnach müssten sich US-Streitkräfte jetzt auf entscheidende Veränderungen in der Kriegsführung vorbereiten. Sie seien bedeutender als jemals in der Geschichte zuvor. Ein Krieg in Zukunft wäre anders als alles, was die Menschheit zuvor erlebt hat. Der US-General geht im Oktober nach 44 Jahren beim Militär in den Ruhestand.

„Stellen Sie sich eine Luftwaffe ohne Piloten, eine Marine ohne Matrosen oder einen Panzer ohne Besatzung vor“, so Milley bei einem „National Press Club Headliners Luncheon“ in Washington. In den nächsten zehn bis 15 Jahren werden seiner Einschätzung nach wahrscheinlich mindestens ein Drittel der hochentwickelten Industriestreitkräfte der Welt von Robotern geführt.

Wer sich nicht anpasst, verliert

„Künstliche Intelligenz wird in der Lage sein, komplexe Informationen mit einer Geschwindigkeit zu verarbeiten, mit der kein menschlicher Verstand mithalten kann“, so Milley. „Streitkräfte, die es schaffen, technologische Errungenschaften schnell und effektiv in ihre Kriegstaktiken zu integrieren, werden die Schlachtfelder der Zukunft dominieren“, meinte der Vier-Sterne-General. So sei es schon immer gewesen.

Allen anderen würde es wie den westeuropäischen Nationen während des Zweiten Weltkriegs ergehen, als das deutsche Militär mit Panzern eine Reihe von „Blitzkriegen“ führte und einen Großteil Europas innerhalb weniger Wochen überrannte. Die neue technische Errungenschaft ermöglichte es den Deutschen, große Lücken in die gegnerische Verteidigung zu schlagen und dadurch sehr schnell vorzurücken.

Von Sun Tzu zu Clausewitz

Es war wahrscheinlich Milleys letzter Auftritt als ranghöchster Offizier des US-Militärs vor dem Nationalen Presseclub. Der Pentagon-Chef ist dafür bekannt, häufig aus dem Buch „Über den Krieg“ des preußischen Theoretikers General Carl von Clausewitz (1832) und aus Sun Tzus 2.500 Jahre altem Werk „Die Kunst des Krieges“ zu zitieren.

Das machte er auch diesmal vor dem Nationalen Presseclub. Milley bezog sich in seiner Rede auf  Clausewitz Ansicht, dass sich das Wesen des Krieges nicht ändern werde, dafür aber der Charakter. Vom Wesen her sei ein Krieg eine menschliche Interaktion und ein politischer Akt, bei dem eine Seite versuche, der anderen Seite ihren politischen Willen aufzuzwingen, und zwar unter Anwendung organisierter Gewalt. „Er bringt Angst und Reibung, Verwirrung und Tod mit sich“, so Milley.

Die heutigen technologischen Fortschritte brächten jedoch exponentielle Umwälzungen in Bezug auf den Charakter des Krieges mit sich. Diejenigen, die sich am schnellsten anpassen, würden belohnt, und die anderen stürzten ins Verderben, warnt er.

„Wir befinden uns derzeit mitten in einem grundlegenden Wandel des Kriegswesens“, sagte Milley. „Die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, sind der Schlüssel, um künftige Kriege zu gewinnen oder im besten Fall zu verhindern, dass sie überhaupt erst entstehen.“

Ungeahnte Überwachungsmöglichkeiten

Die Grundanforderungen an einen Krieg hätten sich nicht geändert. „Man muss sehen und schießen, sich bewegen, schützen, aufrechterhalten und kommunizieren.“ Die Technologie böte jedoch neue Möglichkeiten, dies zu tun.

„Wir befinden uns heute in einem Zeitalter unglaublicher Überwachungsmöglichkeiten, wie es sie in der Geschichte noch nie gegeben hat“, sagte Milley. „Wir haben die Fähigkeit, jeden Ort auf dem Globus zu jedem Zeitpunkt zu sehen und das mit unglaublicher Präzision.“ Das bedeute jedoch auch, dass jeder Winkel der Erde, bis zum Meeresgrund, alles zum Schauplatz des Krieges würde.

„Denken Sie an all die Sensoren, die sich in diesem Raum befinden“, sagte Milley. „In dieser Minute kann jede GPS-Uhr, jedes iPhone, jedes Fitbit [Fitnesstracker] von militärischen Planern überwacht und genutzt werden.“

Das mache das, was Sun Tzu vor drei Jahrtausenden geschrieben hat, heute wahrer denn je, sagte er. „Sun Tzu sagt uns: ‚Sieh dich selbst und sieh den Feind, und du wirst tausend Schlachten gewinnen.'“ Mit Künstlicher Intelligenz, Quantencomputern und Robotik würde man genau das erreichen.

„China ist dabei, den Charakter des Krieges neu zu schreiben“

Milley ging in seiner Rede nicht direkt auf die Bedrohung durch Chinas schnell wachsendes und hochentwickeltes Militär ein. Auf eine Pressefrage, ob die Biden-Regierung die Pläne von Chinas Staatschef Xi Jinping, die USA bis 2027 im militärischen Bereich zu überholen, durchkreuzen kann, antwortete der Pentagon-Chef.

„Läuft ihnen [den Vereinigten Staaten] die Zeit für die Modernisierung davon? Ich denke schon, dass wir schnell vorankommen müssen, aber ich denke, dass ‚Zeitmangel‘ relativ ist“, sagte er. Seiner Ansicht nach müsse das Militär der Vereinigten Staaten seine Modernisierung beschleunigen. Es sei aber nicht nur das, es müsse auch akzeptieren, dass ein Krieg in Zukunft kommen kann.

„Wenn wir, das Militär, uns selbst, unsere Doktrin oder Taktik oder Techniken oder die Entwicklung von Führungskräften oder die Ausbildung und das Talentmanagement nicht anpassen, dann werden wir kein Militär haben, das in der Lage ist, in dem zukünftigen Einsatzumfeld zu operieren“, fuhr er fort. „Und ob es den Leuten gefällt oder nicht, es wird kommen. Man muss sich also darauf vorbereiten.“

Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) tut dies schon seit Jahren, so Milley. „China ist dabei, die Regeln oder den Charakter des Krieges neu zu schreiben“, sagte er. „Wie wir alle wissen, ist Chinas Wirtschaft in den letzten vier Jahrzehnten rapide gewachsen und nutzt nun seine Finanzkraft, um eine unglaublich mächtige Armee aufzubauen.“

Ukraine-Krieg wird lange dauern und „blutig werden“

In seiner Rede bestätigte Milley die Ansicht des Pentagons zum Ukraine-Krieg. Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine sei ein Angriff auf die „regelbasierte internationale Ordnung“ nach dem Zweiten Weltkrieg, betonte er.

„Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Ukraine die Unterstützung erhält, die sie braucht, um frei und unabhängig zu bleiben. Und wir tun das, um sicherzustellen, dass diese auf Regeln basierende internationale Ordnung Bestand hat.“

Zu der Kritik, dass die Gegenoffensive der Ukraine zu lange dauere und nicht genug Ergebnisse bringe, um die Unterstützung für Kiew aufrechtzuerhalten, sagte er, dass dieses Urteil verfrüht sei. Im Gegenteil würde einem der Computer sagen, dass „man schnell vorankommt, könnte der echte Krieg [diese Prognosen] vielleicht dadurch langsamer werden“, da die meisten Beteiligten versuchen würden, nicht getötet zu werden.

„Ein Krieg auf dem Papier und ein echter Krieg sind etwas anderes. In einem echten Krieg sterben echte Menschen. Echte Menschen stehen an den Frontlinien. Echte Menschen sitzen in diesen Fahrzeugen. Echte Körper werden von Sprengstoff zerfetzt und so weiter und so fort“, sagte er.

„Aber viele werden getötet, und zwar bald“, sagte Milley. „Es wird sehr lange dauern, und es wird sehr, sehr blutig. Niemand sollte sich darüber Illusionen machen. Die Ukraine kämpft um ihr Leben. Es ist ein existenzieller Kampf für die Ukraine. Sie kämpft gegen ein sehr bedeutendes Land mit 140 Millionen Menschen, neun Zeitzonen, einer großen Armee, viel Munition und so weiter und so weiter.

Wir geben ihr so viel Hilfe wie nur irgend möglich. Aber letzten Endes kämpfen die ukrainischen Soldaten in Minenfeldern und Schützengräben, und das ist buchstäblich ein Kampf um ihr Leben. Wenn es also etwas langsamer geht, liegt das in der Natur des Krieges.“

Auf eine Pressefrage, was er in seinem Ruhestand vorhabe, antwortete Milley: „Ich hatte überhaupt keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen.“ Er und seine Frau „wissen zurzeit nicht einmal, wo wir wohnen werden“. Eines sei sicher: Er habe „null“ Interesse an Politik und strebe „absolut kein“ öffentliches Amt an.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: “Next War Won’t Resemble Any War Ever Fought Before, Retiring Pentagon Chief Says (deutsche Bearbeitung nh)



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