Sicherheitsbedingt: Israel wählt „Orbáns Privatstadion“ für EM-Qualifikationsspiele

Viktor Orbáns Heimatort ist Gastgeber für die Fußballspieler der israelischen Nationalmannschaft – zumindest für eine Woche. Die Arena, die Kritiker als „Orbáns Privatstadion“ bezeichnet haben, hat sich in den vergangenen Tagen mit israelischen und ungarischen Juden gefüllt.
Titelbild
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (links) und Israels Botschafter in Budapest Yacov Hadas-Handelsman sehen sich das EM-Qualifikationsspiel Israel-Schweiz in Felcsút, Ungarn, am 15. November 2023 an.Foto: David Balogh/Getty Images
Von 23. November 2023

Eine 1.800-Seelen-Gemeinde circa 50 Kilometer von Budapest entfernt ist notgedrungen kurzzeitig Israels Fußball-Heimspielort geworden. Der Terroranschlag der Hamas im Oktober hatte es nämlich unsicher gemacht, die EM-Qualifikationsspiele in Israel auszutragen.

Die Kleinstadt Felcsút ist nicht nur der Heimatort von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, sie bietet auch das modernste Fußballstadion des Landes, jedoch mit nur 3.865 Sitzplätzen. Das Gebäude liegt lediglich wenige Meter vom Wochenendhaus Orbáns entfernt. Als Gastgeber der israelischen Fußballnationalmannschaft gilt Felcsút jetzt auch als der „sicherste“ Ort Ungarns.

Die Nationalmannschaft von Israel spielte am 15. November gegen die Schweiz, am 18. November gegen Rumänien und am 21. November gegen Andorra. Man fragt sich wohl, warum Israel diese kleine Gemeinde in Ungarn und sein Stadion gewählt hat?

Vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Israel und der Schweiz zeigen Zuschauer auf der Tribüne Plakate, auf denen am 7. Oktober von der Hamas entführte Geiseln zu sehen sind. Foto: David Balogh/Getty Images

Qualität und Sicherheit

„Als Antwort auf die Bitte der UEFA und des israelischen Verbandes bietet Ungarn einen neutralen Austragungsort für die Spiele Israels“, erklärte der ungarische Fußballverband über die Entscheidung.

Yacov Hadas-Handelsman, Israels Botschafter in Ungarn, sagte gegenüber dem Fernsehsender RTL: „Leider haben die anderen Mannschaften nicht zugestimmt, nach Israel zu reisen, weil sich unser Land im Krieg befindet“. Obwohl bei der Wahl des Spielortes viele Faktoren berücksichtigt werden mussten, sei bei der Entscheidung die Frage der „Sicherheit“ im Vordergrund gestanden.

Dazu kommt, dass israelische Sportler in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Ungarn gemacht haben. „Sporteinrichtungen sind hervorragend und die Ungarn organisieren ähnliche Veranstaltungen immer auf hohem Niveau“, fügte der Botschafter hinzu.

Zu den Sicherheitsaspekten gehört die Tatsache, dass es in Ungarn zurzeit nicht möglich ist, palästinenserfreundliche Demonstrationen abzuhalten. Außerdem unterhält Orbán ein gutes Verhältnis zum israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu.

Laut Balázs Orbán, einem Berater des ungarischen Ministerpräsidenten, könnten die Israelis sich in Felcsút in Sicherheit vorbereiten und spielen. Balázs Orbán, der trotz des gleichen Nachnamens nicht mit Viktor Orbán verwandt ist, sagte, dass „die Liberalen, die die ungarische Rechte lange Zeit fälschlicherweise des Antisemitismus beschuldigt haben, guttun würden, von jetzt an und für immer zu schweigen“.

Blick in das Stadion vor dem europäischen Qualifikationsspiel zur UEFA Euro 2024 zwischen Israel und Rumänien in der Pancho Arena am 18. November 2023 in Felcsút, Ungarn. Foto: David Balogh/Getty Images

Koscheres Menü im VIP-Bereich des Stadions

Nach Angaben des ungarisch-jüdischen Verbandes Mazsihisz wurden drei Busse voller israelischer und ungarisch-jüdischer Fans zum Spiel Israel-Schweiz gefahren. Rund um den Spielort wimmelte es von Polizei, Anti-Terror-Einheiten und Sicherheitskräften. Sogar einige Rabbis besuchten an diesem Tag das Spiel. Und im VIP-Bereich des Stadions in Felcsút wurde ein koscheres Menü serviert. Das ganze Fußballstadion war praktisch mit jüdischen Fans gefüllt. Die Schweizer Zuschauer waren nach Schätzungen von der NZZ ein kleines Lager von etwa 35 Personen.

Der Kapitän der israelischen Nationalmannschaft, Eli Dasa, zeigte auf einer Pressekonferenz vor einer Trainingseinheit den Schuh eines kleinen Jungen, welcher von Hamas-Terroristen entführt wurde. „Dieser Junge befindet sich gerade im Gazastreifen, zusammen mit sieben anderen Familienmitgliedern. Dies ist alles, was von ihm übrig geblieben ist, sein linker Schuh. Wir warten auf seine Rückkehr“, sagte er.

Doch diese Geste war nicht die einzige Möglichkeit, der Opfer des Hamas-Terroranschlags zu gedenken. Zu Beginn des Spiels gab es eine Schweigeminute. Außerdem hielten viele israelische Fans Fotos von durch Hamas-Terroristen entführten Geiseln hoch, mit dem Slogan: „Bringt sie jetzt nach Hause!“

Der Ausgang des Spiels war nach Ansicht der Fans nicht wirklich wichtig. Ein Beobachter kommentierte das Spiel: „Vergessen wir nicht, […] einige der Fußballspieler waren persönlich in die Tragödie vom 7. Oktober verwickelt – kein Wunder, dass sie sich kaum auf das Spiel konzentrieren konnten.“

Das Spiel zwischen Israel und der Schweiz endete mit einem 1:1-Unentschieden. Israel verlor gegen Rumänien mit 2:1, aber gegen Andorra behauptete sich das Team von Trainer Alon Hazan mit einem 2:0.

Die Spieler Israels stellen sich vor dem europäischen Qualifikationsspiel zur UEFA EURO 2024 zwischen Israel und der Schweiz in der Pancho Arena auf. Foto: David Balogh/Getty Images

Orbáns „persönliches Geschenk“

Die ungarische linksgerichtete Zeitung „Népszava“ zitiert Gábor Horn, den Leiter des liberalen Republikon-Instituts. Seiner Meinung nach stellt die Austragung der Spiele der israelischen Nationalmannschaft in Felcsút für Viktor Orbán „international kaum ein Risiko dar, aber der politische Nutzen könnte erheblich sein“.

Horn erklärte, dass die Veranstaltungen auch als „persönliches Geschenk Orbáns an seinen Freund, den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, interpretiert werden könnten. Er bietet ihm sein eigenes Stadion neben seinem Haus an“.

Das Stadion selbst, in dem die Spiele abgehalten wurden, ist ein ständiges Ziel offener Kritik. Über die 2014 erbaute Sportstätte behaupten Kritiker, Orbán nutze die Anlage, um Staatsbeamte und Geschäftsleute zu unterhalten, und dass sie mit öffentlichen Geldern gebaut worden sei.

Orbán erwiderte, dass der Bau zu 70 Prozent mithilfe von privaten Unternehmern finanziert wurde, die einen Teil ihrer Unternehmenssteuern gespendet hatten, während die Fußball-Akademie die restlichen 30 Prozent aus privaten Spenden und Krediten beisteuerte.

Der Regierungschef ist begeisterter Fußballfan. Er war in seiner Jugend sogar selbst Fußballspieler und ist heute noch ein formell „zertifizierter Fußballspieler“. Orbán bemüht sich, den Sport aus den politischen Debatten fernzuhalten. So heißt es in den Statuten des Felcsúter Stadions auch, dass die Diskussion über Tagespolitik in der Spielstätte verboten sei.



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