US-Politiker mit deutschen Wurzeln – Henry Kissinger ist tot

Einer der einflussreichsten Diplomaten des 20. Jahrhunderts ist gestorben. Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger hatte einen enormen Einfluss auf die internationale Politik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger starb im Alter von 100 Jahren in seinem Zuhause im Bundesstaat Connecticut.
Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger starb im Alter von 100 Jahren in seinem Zuhause im Bundesstaat Connecticut.Foto: Daniel Karmann/dpa
Epoch Times30. November 2023

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist tot. Der Deutschamerikaner starb am Mittwoch im Alter von 100 Jahren in seinem Zuhause im Bundesstaat Connecticut, wie eine Sprecherin der Kommunikationsagentur Edelman, die dessen Beratungsfirma Kissinger Associates vertritt, dpa bestätigte. Er gilt als einer der einflussreichsten Diplomaten des 20. Jahrhunderts.

Der Friedensnobelpreisträger war eine schillernde Figur der US-Politik, seine Spezialität war die Geheimdiplomatie. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Annäherung der USA an China Anfang der 1970er Jahre. Doch Kissinger hatte auch Schattenseiten.

Kissinger in geheimer Mission in Peking

Als Nationaler Sicherheitsberater und Außenminister trieb er in den 1970er Jahren eine Entspannung der Beziehungen zur Sowjetunion voran. So war er maßgeblich am Rüstungskontrollvertrag SALT I des Jahres 1972 beteiligt.

Ein bedeutender Meilenstein war die Vorbereitung der Reise Nixons nach China. In geheimer Mission reiste Kissinger nach Peking, ebnete den Weg für einen Besuch Nixons und die Normalisierung der Beziehung. Kissinger wurde der gefeierte Architekt der amerikanisch-chinesischen Annäherung.

Damit endeten seine diplomatischen Erfolge nicht. Kissinger handelte Abrüstungsverträge und Friedensabkommen aus und wurde zum Medienstar. Berühmt ist Kissinger zudem für seine „Shuttle-Diplomatie“ im Nahostkonflikt, in dem er mit einer Vielzahl von Reisen vermittelte.

1973 wurde Kissinger zusammen mit dem nordvietnamesischen Chefunterhändler Le Duc Tho für ein Waffenstillstandsabkommen im Vietnamkrieg mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Krieg ging trotz des Abkommens weiter, Tho lehnte den Preis ab.

Kritiker hingegen sehen in dem Außenpolitiker einen reinen Machtpolitiker. Mehr als fragwürdig ist die Rolle, die er bei der geheimen Bombardierung Kambodschas spielte. Schwer wiegen auch die Vorwürfe wegen seiner Rolle beim Militärputsch 1973 in Chile. Kissinger musste sich auch immer wieder die Frage gefallen lassen, ob er wirklich auf die Beendigung des Vietnam-Kriegs gedrungen und ihn nicht eher, um Nixons Wahlchancen zu steigern, unnötig verlängert hat.

In Fürth geboren, über Harvard ins Weiße Haus

Kein deutscher Emigrant hat es in der US-Politik derart weit gebracht wie Kissinger. Kissinger war am 27. Mai 1923 in Fürth als Heinz Alfred Kissinger als Sohn einer jüdischen Lehrerfamilie auf die Welt gekommen. 1938 floh die Familie vor dem NS-Regime in die USA, wo Kissinger später eingebürgert wurde. Als US-Soldat kehrte Kissinger während des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurück und half unter anderem, NS-Schergen aufzuspüren.

Auf die Zeit bei der US-Armee folgte eine glanzvolle Wissenschaftskarriere an der Universität Harvard. Mit seinen Analysen zu Verteidigungsstrategie und Atomwaffen machte der Politikwissenschaftler auf sich aufmerksam und begann die US-Regierung zu beraten.

Kissinger lehrte an der Elite-Universität Harvard internationale Beziehungen und wurde 1969 von Präsident Nixon zum Nationalen Sicherheitsberater ernannt. Kissinger wurde zum Inbegriff des Realpolitikers. Ihn trieben Einflusswahrung und der Ausgleich der weltweiten Machtbalance an. 1973 kam noch das Amt des US-Außenministers hinzu, das er bis 1977 innehatte.

Nach seiner Regierungszeit blieb die Diplomatie-Legende mit der knorrigen Bass-Stimme ein einflussreicher Berater und verfasste zahlreiche Bücher.

Gefragter Redner

Ob der Krieg in der Ukraine oder die Spannungen zwischen Taiwan und China: Selbstbewusst mischte er sich in Debatten über internationale Politik ein. Auf die Frage eines TV-Journalisten, ob Chinas Präsident Xi Jinping den Hörer abheben würde, sollte Kissinger anrufen, sagte er kurz vor seinem 100. Geburtstag: „Die Chancen stehen gut, dass er meinen Anruf annimmt.“ Er lag richtig. Wenige Monate später, im Juli, flog der hundertjährige Kissinger tatsächlich noch mal nach Peking und traf Xi dort.

Auch nach Deutschland reiste Kissinger noch: Im Juni feierte er in seiner fränkischen Geburtsstadt seinen 100. Geburtstag nach, mit hochrangigen Gästen aus Politik und Diplomatie – und einer Kindermannschaft seines Lieblingsvereins Spvgg Greuther Fürth.

Nun starb Kissinger im Alter von 100 Jahren. „Mit dem Ableben von Henry Kissinger hat Amerika eine seiner verlässlichsten und markantesten Stimmen der Außenpolitik verloren“, erklärte der frühere US-Präsident George W. Bush.

Er hinterlässt eine Witwe – seine zweite Ehefrau Nancy Kissinger, mit der er fast 50 Jahre verheiratet war – zwei Kinder aus erster Ehe und fünf Enkelkinder. Kissinger soll nun bei einer privaten Feier im Familienkreis beigesetzt werden, wie sein Beratungsunternehmen mitteilte. Eine Gedenkfeier solle zu einem späteren Zeitpunkt in New York stattfinden.  (dpa/afp/ks)



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