Ampelkoalition will Korrekturen beim Kinderpornografie-Gesetz

Bagatellfälle blockieren Personal und verhindern Verfolgung schwerer Sexualstraftaten. Einige Gerichte sehen derzeitige Rechtsprechung als verfassungswidrig an.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Das Kinderpornografie-Gesetz in seiner derzeitigen Form könnte nach Ansicht einiger Gerichte ein Fall für das Bundesverfassungsgericht sein.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 15. März 2023

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Zwei Jahre nachdem die Große Koalition das Kinderpornografie-Gesetz verschärft hat, diskutiert die Ampelregierung nun eine Korrektur. Dabei geht es um sogenannte Bagatellfälle, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet.

Dazu gehört zum Beispiel das Weiterleiten von Missbrauchsdarstellungen, wenn Eltern, Lehrer oder Schüler auf das Thema hinweisen und informieren wollen. Oder auch das Verschicken von Nacktfotos unter Jugendlichen. Vertreter von SPD, Grüne und FDP sprachen sich für eine Entschärfung aus. Laut FAZ sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums, dass der gesetzgeberische Handlungsbedarf und mögliche Handlungsoptionen geprüft würden.

Unter der Merkel-Regierung beschloss der Bundestag 2021, Kinderpornografie als Verbrechen einzustufen. Sie legte als Mindeststrafe ein Jahr Haft fest und schloss die Möglichkeit, Verfahren einzustellen, aus.

FDP: Keine sachgerechten Ergebnisse

Durch diese Bagatellfälle werde zu viel Personal gebunden, begründet Johannes Fechner, Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Fraktion, den Vorstoß zur Korrektur.  Dieses werde aber für die Verfolgung schwerer Sexualstraftaten benötigt. „Staatsanwälte brauchen die Möglichkeit, bei Bagatellfällen von der Strafverfolgung absehen zu können“, betonte er.

Das Strafrecht müsse „Ultima Ratio“ bleiben, so die Rechtspolitikerin Canan Bayram (Grüne). „Die Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen die Möglichkeit haben, auf die verschiedenen Fallkonstellationen tat- und schuldangemessen reagieren zu können.“

Jugendliche machten sich ausnahmslos strafbar, wenn sie untereinander Fotos von sich selbst schickten, zitiert der „Tagesspiegel“ die Obfrau des Rechtsausschusses. Die Einstufung als Verbrechen verbiete es Staatsanwaltschaft und Gericht, das Verfahren einzustellen. Für die Betroffenen bedeute das mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Hinzu kommt ein Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis. Damit verbaue man diesen Jugendlichen ihre Zukunft, so Bayram.

Handlungsbedarf sieht auch FDP-Parlamentsgeschäftsführer Stephan Thomae: „Die Rechtsprechung kommt mit der letzten Reform nicht zu sachgerechten Ergebnissen.“ Die Regierungskoalition erwarte nun einen entsprechenden Antrag von Justizminister Marco Buschmann (FDP), „den wir dann zügig beraten werden“.

Warten auf den Entwurf von Buschmann

Auf den Entwurf des Ministers warten die 16 Landesjustizministerinnen und -minister aber bereits seit November 2022, berichtet die Plattform „Legal Tribune Online“ (LTO). Konkret soll der FDP-Politiker einen Gesetzentwurf vorlegen, der für die Tatbestände des § 184b Absatz 1 StGB „entweder eine Herabstufung zum Vergehen oder eine Regelung für minder schwere Fälle vorsieht und die Mindeststrafe in § 184b Absatz 3 StGB im Hinblick auf die Bandbreite des möglichen Handlungsunrechts auf unter ein Jahr Freiheitsstrafe festlegt“. So hieß es im damaligen Beschluss.

Inzwischen halten auch verschiedene Gerichte die Vorschrift des § 184b für verfassungswidrig. Zwei Amtsgerichte haben sie per Richtervorlage zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt. Laut BVerfG halten sie die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe von einem Jahr bei „atypischen Grenzfällen“ für eine unverhältnismäßige Sanktion. So ein Fall wäre zum Beispiel der unbedachte Versand eines Screenshots mit einer Nacktaufnahme einer Schülerin. Die Vorschrift verletze das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.

CSU: Justizminister fürchtet „politisches Diffamierungspotenzial“

Ob der Bundesjustizminister der Forderung nach einem überarbeiteten Gesetzentwurf nachkommt, ist unklar. Der gesetzgeberische Handlungsbedarf werde geprüft, heiße es seit Monaten aus dem Ministerium – obwohl der laut LTO längst feststehe.

Selbst nachdem sich die Regierungsfraktionen einig seien, zögere der Minister. Laut Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) befürchte Buschmann „politisches Diffamierungspotenzial“. Diese Bedenken habe er in der jüngsten Justizministerkonferenz geäußert. Dies sei nachvollziehbar, wenn es dann heißt: „Ampel entschärft die Strafbarkeit bei Kinderpornografie“. Die Botschaft müsse man „strafrechtlich nicht vorgebildeten Bürgern“ erklären.

Union hatte Nachbesserung zu Zeiten der Großen Koalition verhindert

Es sei aber auch möglich, dass Buschmann bei dem „heiklen Thema“ erst mal die Haltung des stärksten Koalitionspartners SPD abwarten wolle. Denn es waren die Sozialdemokraten, die in der Großen Koalition die Änderungen gegen die Bedenken von FDP und Grünen verabschiedet hatten. Doch Fechner hat – wie bereits erwähnt – grünes Licht für eine Korrektur gegeben. Buschmann solle „so schnell wie möglich“ einen Gesetzesvorschlag vorlegen, zitiert LTO den Sozialdemokraten Johannes Fechner. Der sieht den einstigen Koalitionspartner CDU in der Verantwortung. Die Union habe eine Nachbesserung zu Zeiten der Großen Koalition verhindert, so Fechner.

Unterstützung für die Bestrebungen der Ampelkoalition gibt es auch vom Deutschen Richterbund. „Aus Sicht der Justizpraxis ist eine Korrektur der 2021 drastisch verschärften Strafvorschriften gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie dringend erforderlich“, sagte Geschäftsführer Sven Rebehn.

 

 

 

 



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