Berlin: Expertenkommission gibt grünes Licht für Enteignung von „Deutsche Wohnen & Co“

Unter Experten ist umstritten, ob Enteignungen von Unternehmen gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen und mit dem Grundgesetz und den Landesverfassungen überhaupt vereinbar sind. Die Expertenkommission zum Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sieht nach ersten Informationen offenbar darin kein Problem.
Blick auf Wohnhäuser im Berliner Bezirk Kreuzberg.
Blick auf Wohnhäuser im Berliner Bezirk Kreuzberg.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Von 27. Juni 2023

Laut dem durchgestochenen Ergebnis der Expertenkommission zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sind Enteignungen großer Wohnungskonzerne in Berlin – zumindest nach Ansicht von 11 der 13 eingesetzten Experten in der Kommission – verfassungskonform möglich.

Die Expertenkommission sieht laut Medienberichten offenbar keine Hürden mehr für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen durch das Land Berlin. Dies soll aus dem Abschlussbericht der Kommission hervorgehen, der am Mittwoch vorgestellt werden soll.

Demnach sei die Expertenkommission einstimmig der Auffassung, dass sich der Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes auf „die anvisierten Immobilien“ beziehen lässt, „sofern die gemeinnützige Bewirtschaftung für die Zukunft gesetzlich gesichert ist“, heißt es in dem Papier laut „Tagesspiegel“.

Auch sieht laut „Tagesspiegel“ eine Mehrheit der Kommission keine Schranken durch das Länderrecht. Bis auf zwei Mitglieder des Gremiums seien alle der Meinung, dass die Landesverfassung für eine Enteignung nicht geändert werden müsse.

Für Berliner Koalition zählt das Bundesverfassungsgericht

Die Verhältnismäßigkeit soll demnach von einer Mehrheit der Kommission bejaht worden sein. Für das Anliegen der Vergesellschaftung – also die „Beendigung privatnütziger Verwertung zur Aufhebung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Macht“ – gebe es keine Alternative, „die bei gleichem Ertrag für die Zwecke des Allgemeinwohls offensichtlich milder ist“, wird aus dem Bericht zitiert.

Für den Sprecher für Bauen und Stadtentwicklung der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Christian Gräff, habe sich diese Tendenz der Kommission abgezeichnet. Folgen für die Wohnungspolitik der schwarz-roten Koalition werde sie nicht haben, erklärte er im rbb. „Schön ist anders. Wir müssen leben mit dem, was die Kommission da vorgelegt hat und damit umgehen. Aber wir lassen uns überhaupt nicht unter Druck setzen.“

Die Koalition in Berlin aus CDU und SPD hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, nach dem Abschlussbericht der Expertenkommission zunächst ein Rahmengesetz zu erarbeiten.

Es soll zwei Jahre nach der Verabschiedung in Kraft treten und in der Zwischenzeit durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden. „An dieser Vereinbarung halten wir fest“, so Gräff. Maßgeblich für mögliche Enteignungen sei die Antwort aus Karlsruhe, nicht der Bericht der Kommission.

56,4 Prozent stimmten für eine Enteignung

Die Befürworter fordern, dass bereits parallel zum Rahmengesetz ein Umsetzungsgesetz erarbeitet wird, das wohl innerhalb eines Jahres schon stehen und Zeit gespart werden könnte. Kritiker sprechen davon, dass bei einer staatlichen Enteignung keine eine einzige Wohnung mehr entsteht. Sie sehen als einfachste und naheliegendsten Lösung für den angespannten Wohnungsmarkt den Bau neuer Wohnungen und entsprechende Anreize, denn das Angebot wirkt sich direkt auf die Preise aus.

Hintergrund ist ein durch eine Initiative im Jahr 2021 angestrengter Volksentscheid in Berlin zur Enteignung von Wohnungskonzernen. Damals sprachen sich 56,4 Prozent der teilnehmenden Berliner Wähler für eine Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen aus – 39,0 Prozent stimmten dagegen.

Damit war nicht nur eine Mehrheit für die Initiative, sondern auch das nötige Mindestquorum gefunden, für das eine Zustimmung von einem Viertel der Wahlberechtigten reicht. Damit wurde der Berliner Senat laut Beschlusstext damals aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten“, die zur Überführung von rund 240.000 Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind und dazu ein Gesetz zu erarbeiten.

Daraufhin wurde eben jene Expertenkommission gebildet. Sie trägt den Namen: „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“. Die Besetzung der Kommission erfolgte unter Beteiligung der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Allerdings war das Votum für die Politik rechtlich nicht bindend. Denn abgestimmt wurde nicht über einen konkreten Gesetzentwurf, der durch einen erfolgreichen Volksentscheid direkt beschlossen wäre.

13  Experten in der Kommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“

Insgesamt wirken 13  Experten in der Kommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ mit:

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Vorsitz) (Bundesministerin der Justiz a. D.)
Prof. Dr. Thorsten Beckers (Bauhaus-Universität Weimar)
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner (Universität Bonn)
Prof. Dr. Michael Eichberger (Bundesverfassungsrichter a. D.)
Prof. Dr. Isabel Feichtner (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Prof. Dr. Susanne Heeg (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Prof. Dr. Anna Katharina Mangold (Europa-Universität Flensburg)
Prof. Dr. Christoph Möllers (Humboldt-Universität zu Berlin)
Aysel Osmanoglu (GLS Bank)
Prof. Dr. Florian Rödl (Freie Universität Berlin)
Prof. Dr. Christian Waldhoff (Humboldt-Universität zu Berlin)
Dr. Tim Wihl (Universität Erfurt)

Im April 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den von der damaligen Berliner rot-rot-grünen Landesregierung eingeführten Mietendeckel gekippt. Das Gesetz sei nichtig, hieß es damals aus Karlsruhe, denn das Land Berlin sei nicht berechtigt, einen Sonderweg zu gehen. Da der Bund bereits 2015 die Mietpreisbremse beschlossen hatte, liege die Gesetzgebungsbefugnis ausschließlich bei ihm.

Die Parteivorsitzenden der Berliner CDU und der jetzige Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, sowie Franziska Giffey (SPD), vormalig Regierende Bürgermeistern, hatten sich damals gegen eine Enteignung von Wohnungsunternehmen ausgesprochen.



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