Bundespräsident zweifelt an Verfassungsmäßigkeit der StPO-Reform

Titelbild
Justitia.Foto: iStock
Epoch Times22. Dezember 2021

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das umstrittene Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung ausgefertigt, zugleich aber Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung angemeldet.

Das teilte das Bundespräsidialamt am Mittwoch mit. Demnach regte Steinmeier in Schreiben an die Bundestagspräsidentin, den Bundeskanzler und den Bundesratspräsidenten an, das Gesetz erneut parlamentarisch zu prüfen und zu beraten beziehungsweise zu prüfen.

Das Gesetz sieht im Wesentlichen vor, unter bestimmten Umständen die Wiederaufnahme von Strafverfahren in Fällen von Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen zuzulassen.

Das gilt auch, wenn die Verfahren mit einem rechtskräftigen Freispruch abgeschlossen wurden. Im Gesetzgebungsverfahren waren Zweifel an der Vereinbarkeit der Reform mit dem Grundgesetz geäußert worden.

Einige dieser Zweifel sehe er nach eingehenden Gesprächen mit Verfassungs- und Strafrechtsexperten bestätigt, so Steinmeier. Das Gesetz werfe sowohl im Hinblick auf das Verbot der Mehrfachverfolgung als auch bezüglich des aus dem Rechtsstaatsprinzip Rückwirkungsverbots verfassungsrechtliche Bedenken auf.

Es ergebe sich aber keine abschließende Gewissheit über die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, die die Versagung der Ausfertigung rechtfertigen würde, so das Staatsoberhaupt. Das Gesetz war bereits im Juni 2021 kurz vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen worden.

Union weist Bedenken zurück

Die Unionsfraktion wies die verfassungsrechtlichen Bedenken Steinmeiers zurück. „Die breite Mehrheit der Sachverständigen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages hatte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ausdrücklich bestätigt“, erklärte ihr rechtspolitischer Sprecher Günter Krings. Diese Sichtweise werde auch von „fast allen wissenschaftlichen Abhandlungen jüngerer Zeit“ geteilt.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, erinnerte daran, dass die SPD das aktuelle Gesetz in der Groko mitgetragen habe und warnte die Ampel-Regierung davor, „hinter diesen nun endlich erreichten Zustand“ zurückzugehen.

Das neue Gesetz mache den Weg frei für die Möglichkeit, „in besonderen Extremfällen“ Wiederaufnahmen von Verfahren zu ermöglichen. „Für die Angehörigen, die bislang neben freigesprochenen Angeklagten leben mussten, obwohl nachträgliche Beweise deutlich für ihre Täterschaft sprachen, ist dies eine späte, aber überfällige Gerechtigkeit.“

Dem Bundespräsidenten obliegt es laut Grundgesetz, parlamentarisch verabschiedete Gesetze „auszufertigen“ und dadurch in Kraft zu setzen. In Artikel 82 heißt es: „Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.“

Dieser Artikel wird von Staatsrechtlern so ausgelegt, dass der Bundespräsident nur ein formelles, nicht aber ein inhaltliches Prüfrecht hat. Er kann Gesetze nur beanstanden, wenn er Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit hat – nicht jedoch, wenn ihm ihr Inhalt politisch missfällt. (dts/afp/dl)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion