Charité-Virologe Drosten: „Viele Entscheidungen waren vor allem politisch“

"Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen. Aber man wird wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen genauso weiterführen, wie man sie jetzt gestartet hat. Man wird nachjustieren können und müssen", sagte Professor Dr. Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.
Epoch Times20. März 2020

Der Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, Professor Dr. Christian Drosten, erwartet, dass die Ausnahmesituation wegen der Corona-Pandemie ein Jahr anhalten könnte. Er rechnet jedoch nicht damit, dass alle Einschränkungen bestehen bleiben: „Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen. Aber man wird wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen genauso weiterführen, wie man sie jetzt gestartet hat. Man wird nachjustieren können und müssen“, sagte Drosten „Zeit-Online“.

Auf die Frage, ob die Maßnahmen derzeit angemessen seien, antwortete der Virologe: „Wenige der Entscheidungen der letzten Tage waren rein evidenzbasiert, viele waren vor allem politisch und bestimmt richtig.“ Ob der Zeitpunkt der Schließung von Schulen und Kitas der richtige war, ist auch Drosten nicht klar: „Das weiß ich nicht. Es wird sich wahrscheinlich erst später herausstellen, ob es der richtige Zeitpunkt war.“ Er habe immer angemahnt, dass auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Disziplinen gehört werden müssten.

Die Frage, ob jetzt keiner mehr raus dürfe, beantwortete der Charité-Experte ohne Umschweif: „Wer bin ich denn, dass ich so etwas sagen könnte? Ich kann als Virologe in meinem Fach bis zu einem bestimmten Punkt sagen, so ist es. Andere Dinge sind nicht mehr in meinem Bereich.“

Neue Zählweise: Infizierte nach Haushalten

Da man die Testkapazitäten nicht einfach erhöhen könne, regte Drosten an, jeden Haushalt, in dem ein nachgewiesenermaßen Corona-Infizierter lebe, insgesamt als erkrankt zu zählen und entsprechend zu isolieren: „Weil man einfach weiß, dass es so eintreten wird: Ist ein Familienmitglied infiziert, steckt es alle anderen an. Sagt man gleich, die sind alle positiv, spart man sich viel Testaufkommen“, so der Virologe weiter. Dieses Vorgehen wolle er auch den Gesundheitsämtern vorschlagen.

Der Wissenschaftler forderte außerdem, Lösungen für die Schulen zu finden, damit diese nicht zu lange geschlossen bleiben müssen: „Vielleicht muss man sich etwas überlegen: Die halbe Schule darf nur diese Gänge benutzen, die andere Hälfte nur die anderen. Es gibt keine große Pause mehr und auch keine kleine“, sagte Drosten. Dadurch könne man die effektive Gruppengröße in Schulen senken. Solche Überlegungen müssten jetzt bis zur Woche nach Ostern stattfinden.

Arbeitserlaubnis bei negativem Testergebnis

Angesichts der absehbar bis zu 15 Millionen Infizierten in Deutschland und der Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt schlug der Virologe vor, Menschen Arbeitserlaubnisse zu erteilen, die per Schnelltest negativ getestet wurden.

„In der Medizin gibt es schon die Überlegung, sich frei testen zu lassen, damit man arbeiten gehen kann“, so der Wissenschaftler. Dies könne man auch auf andere Berufsgruppen ausweiten.

Es werde zudem immer mehr Menschen mit Antikörpern geben, die zumindest bis zum Ende der Pandemie immun sein würden, betonte Drosten. Auch sie könnten trotz des Ausnahmezustands dann vielleicht wieder arbeiten gehen. (dts)

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