Dual-Use-Güter für den Iran: Debatte erreicht – spät – auch Deutschland

Über Jahre hinweg hatte Deutschland Warnungen Israels, Saudi-Arabiens und der US-Administration Trump vor einem zunehmend aggressiven Iran zurückgewiesen. Der Angriff auf Israel löst nun offenbar ein Umdenken aus – und die Forderung nach einem Ende von Dual-Use-Exporten.
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Iraner in Teheran während der jährlichen Feiern zum Al-Quds-Tag und der Beerdigung von sieben Mitgliedern des Revolutionsgarde-Korps, die am 5. April 2024 bei einem Angriff in Damaskus getötet wurden. Der Al-Quds-Tag fordert die Eroberung Jerusalems durch den Islam.Foto: Hossein Beris/Middle East Images/AFP über Getty Images
Von 21. April 2024

Der Angriff des Iran auf Israel mit rund 300 Drohnen und Raketen in der Nacht auf Sonntag, 14. April, hat auch in Deutschland die Debatte um Sanktionen gegen Teheran neu belebt.

Deutschland war Teil der 5+1-Gespräche mit dem dortigen Regime, die 2015 zum Abschluss des sogenannten Gemeinsamen Aktionsplans (JCPOA) geführt hatten. Dieser sollte durch Beschränkungen der Urananreicherung den Iran an der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen hindern.

In Jerusalem zweifelte man von Beginn an Vertragstreue des Iran an

Israel hatte die Bestrebungen von Beginn an mit Argwohn verfolgt. In Jerusalem ging man zu jeder Zeit davon aus, dass die iranische Führung ihre Ambitionen zur Entwicklung von Atomwaffen nicht aufgeben würde. Die Vereinbarung solle dem Iran nach Überzeugung Jerusalems nur dazu dienen, Zeit zu gewinnen und die Lockerung von Sanktionen zu erreichen.

Im Geheimen, so die Überzeugung in Israel, verfolge das Regime seine Pläne weiter. Als es dem Mossad 2018 gelungen war, Beweise dafür aus verborgenen Laboren zu entwenden, verkündete US-Präsident Donald Trump den Rückzug aus dem Abkommen.

Während Israel und Saudi-Arabien den Schritt, den Nachfolger Joe Biden wieder rückgängig machte, begrüßten, zeigte sich die EU entrüstet.

Vor allem in Deutschland war die Kritik an dem Schritt Trumps heftig – und löste Spekulationen aus, es gebe dort ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Ende gegen den Iran verhängter Sanktionen.

Klöckner fordert Exportverbote und Sanktionen gegen iranische Banken

Mittlerweile fordert die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, ein Ende des Exports von Dual-Use-Gütern in den Iran. Als Dual-Use-Güter gelten solche, die sich sowohl für zivile als auch militärische Zwecke nutzen lassen. Im Jahr 2021 sollen Lieferungen dieser Art im Wert von 140 Millionen Euro in den Iran gegangen sein.

Der Wert dürfte auch wegen diverser Nachholeffekte aus der Corona-Ära so hoch gewesen sein. Im darauffolgenden Jahr des Ukraine-Krieges wurde die Ausfuhrgenehmigungsbehörde BAFA offenbar vorsichtiger bei Exporten in geopolitisch heikle Empfängerstaaten. Genehmigt wurde jedoch immer noch die Ausfuhr diverser Werkstoffe, Schiffstechnik und Luftfahrtelektronik, aber auch von Sensoren, im Gesamtwert von 16,8 Millionen Euro.

Klöckner forderte zudem, Sanktionen oder gar das Einfrieren von Geldmitteln prüfen, die Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah finanzierten. Iranische Banken operieren nach wie vor auch in Deutschland, seit 2018 wurden sogar zwei neue Niederlassungen zugelassen.

EU hat strenge Bestimmungen gegen Ausfuhr von Dual-Use-Gütern – in der Theorie

Die EU verfolgt mit Blick auf den Iran eine janusköpfig anmutende Strategie. Einerseits gelten seit 2007 restriktive Vorschriften für den Kauf und die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck und militärischer Ausrüstung. Auf der anderen wird die Definitionshoheit darüber, was unter den jeweiligen Begriffen zu verstehen ist, den Mitgliedstaaten selbst überlassen.

Die 2021 veröffentlichten Ergebnisse einer Recherche der regimekritischen iranischen Exil-Publikation „Zamaneh“ und des Netzwerks „Danwatch“ gaben zu erkennen: Die Unterschiede in der Handhabung der Ausfuhrbeschränkungen sind zum Teil erheblich.

Quentin Michel, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lüttich, erklärt, dass grundsätzlich die national zuständigen Behörden wie BAFA in Deutschland die Exporte genehmigen müssen. Häufig holten einige Unternehmen diese jedoch gar nicht erst ein:

„Wenn die betreffenden Güter mit doppeltem Verwendungszweck zu diesen Gütern gehören, muss das Unternehmen bei den nationalen Behörden eine Genehmigung für den Verkauf dieser Güter beantragen. Aber einige dieser Unternehmen scheren sich nicht um eine Lizenz.“

Iran wollte Abschluss des JCPOA für Großeinkauf in Deutschland nutzen

Dass sogar waffenfähiges Material in den Iran gelange, habe – neben illegaler Vermittlung durch Unternehmen – häufig auch noch einen anderen Grund. Zum Teil würden „die EU-Länder, die die Erlaubnis zum Waffenexport haben, eine falsche oder weiche Position gegenüber dem Iran einnehmen“.

Vor allem seit dem Inkrafttreten des JCPOA habe der Iran allein in Deutschland 141-mal versucht, Dual-Use-Technologien zu erwerben, die auch bei der Entwicklung von Atomwaffen Verwendung finden könnten. Dies teilten Nachrichtendienste mit. Zudem soll es allein im Jahr 2016 nicht weniger als 32 Versuche gegeben haben, in Deutschland militärische Ausrüstung zu beschaffen.

Im Fall von ausfuhrbeschränkten Industrieventilen, die vier deutsche Staatsbürger offiziell nach Aserbaidschan oder in die Türkei liefern wollten, griffen die Behörden jedoch durch. Die Teile sollten an das ins iranische Atomprogramm involvierte Unternehmen MITEC gehen, das explizit auf der EU-Sanktionsliste steht. Gegen die Beteiligten wurden Haftstrafen von bis zu vier Jahren verhängt.

Klingende Namen auf 2011 der „Jerusalem Post“ zugespielten Liste

Allerdings wies die „Jerusalem Post“ bereits vor dem Abschluss des JCPOA darauf hin, dass einige deutsche Unternehmen wenig Skrupel dabei hätten, selbst heikle Elemente in den Iran zu liefern. Im Juli 2012 berichtete sie über den Inhalt einer Liste, in deren Besitz sie Ende 2011 gelangt war. Diese führte Hunderte deutsche Unternehmen und deren Handelspartner im Iran auf.

Zu diesen gehörten unter anderem auch klingende Namen wie Herrenknecht oder Linde. Die „JPost“ wies darauf hin, dass die gelieferte Ausrüstung auch für den Bau unterirdischer Atomanlagen Verwendung finden könne.

Vonseiten des Unternehmens Herrenknecht hieß es damals, man habe „umfassend sichergestellt“, dass die eigenen Tiefbaudienstleistungen „ausschließlich Projekte erreichen, die eindeutig zivile Anwendungen verfolgen“. Das Unternehmen würde „niemals etwas tun, was den jüdischen Staat verletzen oder in Gefahr bringen könnte“.

Detlef Sieverdingbeck erklärte namens der Linde Material Handling GmbH, das Unternehmen habe im Jahr 2011 rund 30 Gabelstapler an iranische Kunden geliefert. Damit habe man einen Umsatz von 800.000 Euro erzielt. Seit Dezember habe man aufgrund der politischen Verhältnisse keine neuen Aufträge mehr aus dem Iran angenommen.

Das BAFA habe in dem betreffenden Jahr insgesamt 579 Anträge für Industriegüter bewilligt, die von den damaligen Sanktionen gegen die Islamische Republik betroffen waren. Der Wert dieser deutsch-iranischen Geschäfte belief sich auf etwas mehr als 65 Millionen Euro.

 



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