Energiewende bedroht Klimaziele – Energieintensive Betriebe ins „dreckige“ Ausland gezwungen

Mit Solarstrom kann man nicht 24 Stunden am Tag produzieren, doch das ist Voraussetzung für diverse Industriezweige wie Aluhütten und Chemiewerke. Kommt der grüne Strom, verschwinden die Jobs – in Länder mit geringeren Umweltstandards.
Steigende Energiepreise könnten energieintensive Unternehmen ins Ausland zwingen.
Steigende Strompreise könnten energieintensive Unternehmen ins Ausland zwingen.Foto: iStock
Von 16. Januar 2020

Ausgerechnet die Energiewende bedroht die Klimaziele, denn mit volatilem (schwankendem) Strom, kann man nicht unterbrochen produzieren. Heinz Höhner, Betriebsratsvorsitzender des zum norwegischen Konzern Hydro gehörenden Aluminiumwerks Grevenbroich am Rhein sagte: „Wir brauchen zuverlässig Strom in dergleichen Spannung, und zwar Tag und Nacht.“ Zwei Stunden Stromausfall würden aus den Anlagen teuren Schrott machen.

Außerdem spricht man am Rhein nicht von Strom für eine Waschmaschine. Die Aluhütte verbraucht soviel Strom wie ganz Düsseldorf – inklusive der dort ansässigen Industriebetriebe wie Daimler und Henkel. Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW sagte, nach einem massiven Ausfall würde zwar die Versicherung einspringen, aber die Anlage wäre trotzdem Schrott und würde nie wieder in Deutschland aufgebaut werden.

Über zwei Drittel des weltweit benötigten Aluminiums kommen aus Asien, insbesondere aus China, dortige Umweltauflagen lassen sich jedoch keineswegs mit den Deutschen vergleichen. Der chinesische Strom stammt zu überwiegenden Teilen (ca. 65 Prozent) aus der Kohleverstromung.

Aluminium, Chemie, Pharmazie, Zulieferindustrie

Doch nicht nur am Rhein sieht man der Energiewende kritisch entgegen. Wenn die Bayerischen Chemieverbände (VBCI) über die Energiewende sprechen, meinen sie nicht die knapp 25 Prozent, die die Haushalte verbrauchen und von denen meist die Rede ist. Wie am Rhein verbrauchen einzelne Betriebe in Bayern so viel Strom wie eine Großstadt.

In einem Positionspapier beziffern die Chemieverbände den Stromverbrauch des Chemiedreiecks mit 20 Unternehmen auf etwa 5 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Der größte Verbraucher, die Wacker Chemie AG in Burghausen, verbraucht mit ca. 3 TWh/Jahr mehr als alle Haushalte der Stadt München zusammen.

Auch hier wird der Strom verwendet, um die Zukunft der Energiewende zu sichern. Während am Rhein Aluminium verhüttet wird, das unter anderem in E-Autos zum konsequenten Leichtbau beiträgt, produziert die Wacker AG beispielsweise polykristallines Silizium für die Solarindustrie. Egal welchem Betrieb man den Saft abdreht, rücken die Klimaziele ein Stück in die Ferne.

Kein Strom für die Energiewende

Gerade die chemische Industrie ist „aufgrund ihrer Produktionsprozesse auf eine sichere, grundlastfähige Energieversorgung“ angewiesen. Rund um die Uhr. An 365 Tagen im Jahr. Und dass diese Industrie wichtig ist, zeigt ihr Beitrag an den „Technologien von Morgen“:  (Elektro-)Mobilität, Leichtbau, Digitalisierung und Solarenergie (Silizium), Windenergie (Verbundwerkstoffe) oder Speichertechnologien (Batterietechnologie, Power-to-X) sind nur einige.

Die VBCI weisen darauf hin, dass „mit dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke 2022 […] in Bayern ca. 5 GW gesicherte Leistung und ca. 40 TWh“ fehlen. Der beschlossene Kohleausstieg torpediere eine weitere Säule grundlastfähiger Stromversorgung. Dabei sind neue deutsche Kohlekraftwerke die effizientesten und saubersten der Welt – wenn sie eines Tages Strom liefern dürften.

Im Jahr 2018 trugen Kohlekraftwerke etwa 35 Prozent zur deutschen Bruttostromerzeugung bei, die Kernkraft lieferte weitere 12 Prozent. Grundlastfähige Alternativen wurden im gleichen Zeitraum nicht geschaffen, fehlt Strom in Deutschland bleibt meist nur der Import von Kohle- oder Atomstrom aus dem Ausland.

Um die Erzeugungslücke von 40TWh zumindest in der Summe zu schließen, wären laut einer Darstellung von Tennet rund 13.000 Windkraft- oder rund zwei Millionen Photovoltaik-Anlagen in Bayern erforderlich – ohne dass dadurch mit volatilem Strom das Grundlastproblem gelöst wäre. Die Bayerischen Chemieverbände kritisieren in ihrem Positionspapier die „Zukunftsmusik für die Jahre 2030/2040/2050.“ Der Atom- und Kohleausstieg erfolge aber jetzt.

1 Cent pro Kilowattstunde, Millionenkosten für Unternehmen

Allein aus wirtschaftlichen Gründen arbeitet die energieintensive Industrie daran, möglichst viel Energie einzusparen. Als „Rohstoff“ in bestimmten chemischen Prozessen stößt das Einsparpotential an physikalische Grenzen. Jede weitere Senkung des Stromverbrauchs führt zu einer Reduktion der Produktion. Der Einsatz von Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplungen ist nach Angaben der VBCI weitgehend ausgereizt.

Nach Kernenergie und Kohle ist Gas der größte, grundlastfähige Energielieferant. Damit eine entsprechende, dezentrale Energieversorgung rentabel betrieben werden kann, müssten jedoch zwingend die Kosten steigen. Für Unternehmen wie die Wacker AG bedeutet eine Strompreiserhöhung um einen Cent pro Kilowattstunde Mehrausgaben in Höhe von 30 Millionen Euro.

Auch die Börsenstrompreise, die laut EEG für energieintensive Unternehmen gelten, sind in den letzten Jahren von etwa 3 ct/kWh im Jahr 2016 auf teils über 6 ct/kWh in 2019 gestiegen sind. Die Kosten der internationalen Wettbewerber liegen teilweise unter 2 ct/kWh. Verlagern Unternehmen ihre Produktions ins Ausland – aus finanzieller Sicht am besten nach China – bleiben Investitionen aus und Arbeitsplätze gehen zu Tausenden verloren. Allein die Wacker Chemie AG beschäftigt in Deutschland rund 8.000 Menschen.

Die VBCI fordern deshalb Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Strompreise, um den Wirtschaftsstandort Bayern (und Deutschland) attraktiv zu halten: „Energiepolitik für die bayerische Industrie – Basis für Wohlstand, tausende Arbeitsplätze und nicht zuletzt den sozialen Frieden – muss wieder zu einem strategischen Pfeiler des Freistaats Bayern werden.“



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