Erster Bevölkerungsschutztag: „Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“

Auf dem ersten bundesweiten Bevölkerungsschutztag in Potsdam sprach Epoch Times mit den wichtigen Akteuren aus den Bereichen Brand-, Zivil- und Katastrophenschutz darüber, wie gut Deutschland auf Krisen und Katastrophen vorbereitet ist.
Von 25. Juni 2023

Am ersten bundesweiten Bevölkerungsschutztag (24. Juni) wurde bei sonnigem Wetter gezeigt, was Deutschland an Bevölkerungsschutz leisten kann. Mitten im Stadtzentrum der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam trafen sich dazu mehr als 40 Akteure aus dem Brand-, Zivil- und Katastrophenschutz.

Auf mehr als 19.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche waren neben einer Bühne und zahlreichen Informationsständen auch verschiedene Spezialfahrzeuge der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks, der Rettungsdienste, der Bundeswehr und der Bundespolizei vertreten. Zudem war alles, was Rang und Namen im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes hat, anwesend.

Erster Bevölkerungsschutztag: „Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“
Erster deutscher „Bevölkerungsschutztag“ in Potsdam am 24.6.23. Innenministerin Nancy Faeser (SPD, r.) und der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Hubert Dietmar Woidke (SPD, M.). Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

So war auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die lokale Politik anwesend. Faeser betonte, dass der Bevölkerungsschutztag so wichtig sei, um die Bevölkerung „neu zu sensibilisieren“, damit auch sie dazu beitragen könne, besser und sicherer mit „vielfältigen Naturkatastrophen“ umgehen zu können.

Wichtig sei, dass die drei Ebenen, die Gemeinden, die Länder und die Bundesebene enger zusammenarbeiten. Sie freue sich, dass polnische Bevölkerungsschutzkräfte „hier mit am Start“ seien, denn Katastrophen machten an Landesgrenzen nicht halt.

Faeser: „Sie machen die Gesellschaft stark“

Sie richtete einen großen Dank besonders an das Ehrenamt, denn die meisten der Hilfsorganisationen, der Feuerwehr, des THW seien ehrenamtlich tätig und würden neben Familie und Beruf eine „großartige Leistung“ für die Bevölkerung erbringen. „Sie machen damit die Gesellschaft stark.“

Betroffen mache sie, dass bei einigen Menschen mittlerweile der Respekt vor den Helfern fehle – dass sie zunehmend mit Übergriffen und Beleidigungen zu tun hätten. „Deswegen möchte ich auch dazu aufzurufen, den Rettungskräften, der Polizei, der Feuerwehr den notwendigen Respekt entgegenzubringen und vor allen Dingen auch den notwendigen Schutz zu gewährleisten, damit sie ihre wertvolle Arbeit leisten können.“

Die, die sich nicht daran halten, würden es mit ihrem brandenburgischen Innenministerkollegen, Michael Stübgen und ihr zu tun kriegen. „Denn wir als Staat nehmen es nicht hin, dass diejenigen, die sich für andere einsetzen, durch körperliche oder verbale Gewalt bei der Hilfeleistung beeinträchtigt werden.“ Sie würden die ganze Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen. „Wir lassen nicht zu, dass es Gewalt und Hass gegen unsere Einsatzkräfte gibt.“

„Alle arbeiten ehrenamtlich – vom Kameraden bis zum Verantwortlichen“

Doch wie ist es eigentlich um die personelle und materielle Ausstattung bei den einzelnen Organisationen bestellt? Für den THW-Landesbeauftragten für Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Sebastian Gold, sieht es materiell beim THW „sehr gut aus“. „Durch ein Fahrzeugprogramm seitens Bundesregierung und Bundestag konnten wir Fahrzeuge beschaffen.“

Personell sei es unterschiedlich. Es gebe 668 THW-Ortsverbände in Deutschland, also in fast jedem Landkreis in Deutschland. Während man in den Ballungsräumen sehr viele Interessenten und große Ortsverbände habe, fehlten auf dem Land noch Kräfte. „Wenn ich Brandenburg anschaue, da könnten wir noch den ein oder anderen Ortsverband neu aufmachen.“

In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gebe es insgesamt rund 4.000 Einsatzkräfte, verteilt auf 49 Ortsverbände. „Alle arbeiten ehrenamtlich, vom einfachen Kameraden bis hin zum Verantwortlichen, das ist das Besondere an dem Ganzen.“

In jedem Ortsverband habe man mindestens fünf, sechs Fahrzeuge. „Wir haben einen Baukasten an verschiedensten Fachgruppen und dazu auch die entsprechenden Fahrzeuge – von Mannschaftstransportfahrzeugen über große Räumgeräte, also Bagger, Radlader und Teleskoplader“, so Sebastian Gold.

Erster Bevölkerungsschutztag: „Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“
Sebastian Gold, der THW-Landesbeauftragte für Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

THW: Angebote machen statt auf Anforderung warten

Im Bereich ABC-Waffenbedrohungen habe man noch „Aufgaben und Herausforderungen“ vor sich. „Da müssen wir uns noch besser aufstellen.“ Im Bereich Kommunikation unterstütze man die Feuerwehren und andere, denn man könne Funkstrecken aufbauen. Auch im Bereich des Warnens und des Informierens der Bevölkerung könne man unterstützen.

Aus den Erfahrungen von Ahrweiler habe man gelernt, dass man zukünftig einfach Angebote macht und nicht darauf wartet, angefordert zu werden. Als Bundesbehörde dürfe man nicht einfach irgendwo hinfahren und helfen. „Wir müssen angefordert werden.“

Zukünftig wolle man die THW-Fachberatungen zur Einsatzleitung vor Ort schicken und ein Angebot machen. „Dann können wir eine Führungsstelle aufbauen und Aufträge übernehmen. Anfordern kann uns die Feuerwehr, der Bürgermeister, Ortsvorsteher oder Landrat beispielsweise.“

BBK: „Gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“

Laut Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, ist der Bevölkerungsschutz in Deutschland mit seinen 1,7 Millionen Ehrenamtlichen gut aufgestellt, um in Katastrophenfällen die Bevölkerung schützen zu können. „Die Erfahrungen, die wir aus den letzten Ereignissen gezogen haben, ist, dass wir beim Bevölkerungsschutz die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen optimieren müssen.“

Man müsse den Austausch von Informationen, die Frage der Prognosen sowie die Frage der Frühwarnung verbessern. Dazu gehöre auch die Ausstattung bis zu Fragen, wie man das Ehrenamt in Deutschland noch besser fördern könne, so Tiesler. „Mit den verschiedenen Warnmitteln, die wir haben, von der Sirene über Cell Broadcast bis zu Apps, konnten wir beim Testlauf 90 Prozent der Bevölkerung erreichen. Das ist ein hervorragendes Ergebnis.“

„Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger in allen Krisen, nicht nur den Verteidigungsfall“, erklärt der BBK-Präsident. „Denn wer sich selbst helfen kann, der kann am Ende auch andere professionelle Organisationen entlasten, die sich dann wiederum um die Verletzlicheren besser kümmern können.“

Erster Bevölkerungsschutztag: „Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“
BBK-Präsident Ralph Tiesler. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Unternehmen müssen auf Notfälle vorbereiten sein“

Dazu gehöre, dass die Unternehmen das Betreiben der ganz wichtigen kritischen Infrastruktur, also die Versorgung mit Gas, Strom, Wasser, für den Notfall vorbereiten.

„Dafür stehen wir mit diesen Partnern in einem sehr engen Austausch und versuchen auch durch rechtliche Rahmenbedingungen in diesem Austausch sicherzustellen, dass jeder seiner Verantwortung entsprechend die Mittel und Möglichkeiten hat, um einen guten Katastrophenschutz einbringen zu können.“

Bei den Verwaltungen habe man weniger ein strukturelles Problem, sondern eher ein Problem der Wissensvermittlung. „Denn das gehörte auch zu den Dingen, die wir vor vielen Jahren viel mehr geübt haben.“ Man helfe nun Ämtern dabei, eine Krisenstabsstruktur aufzubauen, sodass jeder auch weiß, was er im Katastrophenfall zu tun hat. Da gibt es noch Nachholbedarf bei der Ausbildung“, so Tiesler.

DRK: „Wir sind einsatzfähig, aber nicht zukunftsfähig“

Was das Deutsche Rote Kreuz als einer der großen Rettungsorganisationen angeht, so erklärt Dr. Frank-W. Hülsenbeck, Präsident des brandenburgischen DRK-Landesverbandes, dass die personelle Situation im Hauptamt gut aussehe. „Im Ehrenamt können wir hingegen immer Menschen gebrauchen, ob alt oder jung, die sich einsetzen, insbesondere im Bereich Katastrophenschutz.“

Personell wie materiell sei man einsatzfähig, aber nicht zukunftsfähig. „Da bedarf es noch etwas mehr materieller Unterstützung durch die Politik für finanzielle Mittel, für Containersysteme, für den Katastrophenschutz, für Führungsaufgaben. Da sollte noch etwas mehr kommen“, so Hülsenbeck.

Es fehlen zum Beispiel geländegängige Fahrzeuge. „Wir hätten da gute Vorschläge, wo man noch aufrüsten könnte.“

Das Hauptprofil des DRK im Katastrophenfall sei der Sanitätsdienst, also der Sanitätsschutz, die Sanitätsunterstützung und die Betreuung für die Betroffenen – aber auch für die Helfer, die hauptamtlich oder ehrenamtlich im Einsatz seien. Dazu gehöre auch die Verpflegung und menschliche Betreuung, also eine psychosoziale Für- und Nachsorge. „Im Verteidigungsfall unterstützen wir die Bundeswehr. Im Friedensfall unterstützt uns die Bundeswehr personell und materiell“, erklärt der DRK-Landespräsident.

„Aktuell würden wir uns wünschen, dass wir bei den Waldbränden stärker eingesetzt werden und die Rettungsdienste mehr entbunden werden vom Sanitätsdienst, der Betreuung und Verpflegung, damit sie sich auf ihre Kernaufgabe, den üblichen Not- und Rettungsdienst besser konzentrieren können.“

THW: „Abschreckung durch Krisenfestigkeit“

Gerd Friedsam, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, betont eine Abschreckung durch Krisenfestigkeit. Bei einem Land, das zur Verteidigung seines Staatsgebietes in der Lage sei, werde sich der Angreifer genau überlegen, ob er dieses Land überhaupt erst ins Visier nehme.

„Wir müssen also in allen Bereichen widerstandsfähig sein, sowohl im militärischen als auch im zivilen.“ Umso schwerer werde es ein Aggressor haben, hier letzten Endes auch Erfolg zu erzielen, so Friedsam.

Erster Bevölkerungsschutztag: „Eine gut vorbereitete Bevölkerung ist widerstandsfähiger“
Gerd Friedsam, THW-Präsident. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Dazu gehöre auch, dass sich ein Industrieunternehmen überlege: Was ist, wenn der Strom oder das Wasser ausfällt?

Hier werde es mit einem Dachgesetz auch künftig einen gesetzlichen Rahmen geben, kündigt er an. Auch für die IT-Sicherheit gelte dies, um vor Cyberangriffen geschützt zu sein, wobei dies auch Krankenhäuser und Kreisverwaltungen betreffe. „Hier haben wir einen erheblichen Verbesserungsbedarf.“ Dazu gehöre auch, auf die Widerstandsfähigkeit im Verteidigungsfall einen genaueren Blick zu werfen.

„In Ahrweiler gab es ein Führungsvakuum“

Die Flutkatastrophe in Ahrweiler habe gezeigt, dass die Alarmierung und Frühwarnung, auch wenn Kommunikationsnetze großflächig ausgefallen wären, funktionieren müsse. Hier benötige man Reserve- und Not- und Führungssysteme, von den Gemeindeverwaltungen über die Kreisverwaltungen bis zu den Landesverwaltungen.

„Da haben wir erheblichen Optimierungsbedarf.“ In Ahrweiler habe es ein Führungsvakuum gegeben. „Um nicht nochmal in diese Situation zu kommen, bauen wir beim THW unsere Führungsfähigkeit stärker aus“, erklärt der THW-Präsident.

Auch müssten die Einsatzstrukturen in den Ortsgemeinden in der Ausbildung von Verwaltungsfachleuten, von Verwaltung und Beamten, stärker berücksichtigt werden. „Es wird viel Verwaltungsrecht, Haushaltsrecht und öffentliches Recht gelehrt, aber im Bereich des Katastrophenschutzes, der allgemeinen Gefahrenabwehr wird zu wenig getan. Man kennt nicht den genauen Ablauf und wie die Prozesse sind“, kritisiert Friedsam.



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