Grüne fordern mehr Kapazitäten für Abtreibungen und einen „Kompetenzaufbau“

Im 1. Quartal 2023 wurden rund 27.600 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gemeldet. Die Zahlen steigen.
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Ein gynäkologischer Stuhl.Foto: Jon Cherry/Getty Images
Von 30. Juni 2023

Die gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche sind im 1. Quartal erneut angestiegen (+6,8 Prozent auf 27.600 im I. Quartal). Bayern liegt als zweitbevölkerungsreichstes Bundesland (13,4 Millionen Einwohner) mit 12.046 Abbrüchen bundesweit auf Platz zwei. Zu 2021 gab es einen kleinen Rückgang (2021: 12.487).

Laut dem Bundesamt für Statistik waren bundesweit 70 Prozent der Frauen, die im 1. Quartal 2023 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, zwischen 18 und 34 Jahre alt, 19 Prozent zwischen 35 und 39 Jahre. 8 Prozent der Frauen waren 40 Jahre und älter, 3 Prozent waren jünger als 18 Jahre. Rund 43 Prozent der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.

Aktuell setzt sich die Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag mit mehreren Anträgen unter dem Titel „Gesundheitsschutz und reproduktive Freiheit in Bayern“ für mehr Kapazitäten für Schwangerschaftsabbrüche in allen Regionen und in allen Universitätskliniken Bayerns ein. Auch sollte eine Sensibilisierung und Kompetenzaufbau zu Schwangerschaftsabbrüchen stärker in der medizinischen Ausbildung verankert werden.

Grüne Familienministerin drängt auf Abschaffung des Paragrafen 218

Schwangerschaftsabbrüche stehen laut Strafgesetzbuch grundsätzlich unter Strafe. Die Grünen kündigten an, dies ändern zu wollen. Die bayerische Familienministerin drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollte es zu einer Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch kommen.

„Wir stehen zum Schutz von Mutter und Kind. Ein Schwangerschaftsabbruch beendet Leben. Das scheint für die Bundesfamilienministerin überhaupt keine Rolle zu spielen“, erklärte die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) Anfang des Jahres den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) drängte zuvor in einem Interview auf eine Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch. Es gehe um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung und um das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden. Die Ampel wolle das in dieser Legislaturperiode prüfen, erklärte sie damals.

Grüne: Kliniken sollen mindestens zwei Ärzte vorweisen

Die Fraktion der Grünen fordert nun unter anderem in München eine Verpflichtung für Universitätskliniken, den Schwangerschaftsabbruch nach Beratung, nach medizinischer Indikation oder nach einer rechtswidrigen Tat anzubieten.

Diese Kliniken sollten mindestens zwei Ärzte vorweisen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, heißt es weiter. Zudem solle die Regierung prüfen, wie ein flächendeckender Zugang zum Schwangerschaftsabbruch an kommunalen Krankenhäusern erhöht werden könne.

Nach § 13 Abs. 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) hätten die Bundesländer ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. In Bayern sei dies nicht überall gewährleistet, wie Anfragen an die Landesregierung ergeben hätten.

Frauen müssten im Freistaat „sehr lange Wege teilweise durch ganz Bayern zurücklegen“, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen.

In fast allen Regierungsbezirken in mehr als der Hälfte der Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte gebe es kein einziges Angebot an stationären oder ambulanten Einrichtungen zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs. In Schwaben und der Oberpfalz gebe es keine Krankenhäuser mit Bereitschaftsanzeige, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. In Niederbayern gebe es nur noch einen Arzt, der Abbrüche durchführt, und das nur alle 14 Tage. Dies alles gehe aus den Regierungsantworten hervor.

„Frauen in Bayern haben es nicht leicht“

„Frauen in Bayern haben es also nicht leicht, Abbrüche vornehmen zu lassen“, heißt es weiter. Diese schlechte Versorgungslage drohe sich zuzuspitzen. Denn die Zahl der durchführenden Stellen werde zukünftig noch weniger, weil die niedergelassenen Gynäkologen, die die Leistung anbieten, zunehmend ohne Nachfolger in Rente gehen würden, führt man weiter aus.

Dabei gibt es auch internationale Pflichten für eine Gleichstellung der Geschlechter und eine bessere medizinische Versorgung von Frauen. Es gebe die Pflicht, alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen, so die Grünen. Zudem sollte jede Form der Diskriminierung der Frau beseitigt werden, wird im Antrag angeführt.

In Deutschland würden zivilgesellschaftliche Akteure eine Verletzung der „sexuellen und reproduktiven Rechte“ von Frauen sehen, behaupten die Grünen. Deshalb sollen sich Kliniken, die vom Staat oder einer Gemeinde finanziert werden, nicht von dieser Aufgabe der Versorgung von ungewollt Schwangeren beliebig rausnehmen können. Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft seien in besonderem Maße der Allgemeinheit verpflichtet. Es gehe hier nicht um einen Zwang der einzelnen Ärzte. „Denn kein Arzt darf und soll dazu forciert werden.“

„Verständnis für die vielfältigen Beweggründe“

Gleichzeitig fordert man die Staatsregierung auf, sich für eine stärkere Sensibilisierung und Behandlung des Themas Schwangerschaftsabbruch im Medizinstudium einzusetzen.

So solle sichergestellt werden, dass Studenten „entsprechende Kompetenzen“ während des Medizinstudiums erwerben können. Dazu gehörten auch die relevanten rechtlichen, gesellschaftspolitischen und ethischen Aspekte, ebenso die medizinische Dimension von Schwangerschaftsabbrüchen.

Das Thema Schwangerschaftsabbruch müsste in der fachärztlichen Weiterbildung sowie Fortbildung behandelt werden, dafür müsse sich die Regierung einsetzen. Dabei solle der Kontakt zu Beratungsstellen festgehalten und ausgebaut werden sowie Berührungspunkte mit Betroffenen zustande kommen, „um Verständnis für die vielfältigen Beweggründe sowie Erfahrung in der Führung von Konfliktgesprächen zu sammeln“.

In Bayern benötigen Ärzte eine Erlaubnis des zuständigen Regierungsbezirks, um Schwangerschaftsabbrüche anbieten zu dürfen. Dafür ist der Nachweis nötig, dass sie über Personal und die nötige Ausstattung verfügen. Zudem muss belegt werden, dass sie dazu an einer Fortbildung bei der bayerischen Landesärztekammer teilgenommen haben. Inhalte der Fortbildung sind die juristischen, ethischen und medizinischen Aspekte. Die praktische Durchführung ist nicht Teil der Fortbildung. Dazu lasse man sich von einem erfahrenen Kollegen einweisen, gehe zur Schulung ins Ausland oder bringe es sich selbst bei.



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