Habeck präsentiert Strategiepapier – und lastet Probleme deutscher Industrie anderen Ländern an

Mehrfach wird der „russische Angriffskrieg“ beklagt, der Beitrag der Klimapolitik zum Niedergang des Standorts Deutschlands spielt kaum eine Rolle. Immerhin legt Minister Habeck in seinem Strategiepapier ein Bekenntnis zur Industrie ab.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Reserve-Kohlekraftwerke im Jahr 2024 vom Netz nehmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußert in einem jüngst vorgelegten Strategiepapier Sorge um die Industrie in Deutschland.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 29. Oktober 2023

Jüngsten Wirtschaftsdaten zufolge ist Deutschland immerhin nicht das Schlusslicht in der EU. Beim Wirtschaftswachstum, wo der IWF für 2023 ein Minus von 0,5 Prozent prognostiziert, liegen Schweden (minus 0,7) und Estland (minus 2,3) dahinter. Mit Polen und Spanien gibt es sogar zwei Mitgliedsländer, in denen der Strom noch teurer ist.

Dennoch bestätigt auch ein jüngst von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck selbst präsentiertes Strategiepapier den Niedergang des Standorts Deutschland – und seiner Industrie.

Strategiepapier: Externe Faktoren sind schuld

Überschrieben ist das Papier mit dem Titel „Industriepolitik in der Zeitenwende“. Bereits im zweiten Satz seines Vorworts verweist der Minister auf den „russischen Angriffskrieg“ in der Ukraine. Dieser kehrt in weiterer Folge neun Mal wieder, was den Versuch eines Framings der Gesamtlage nahelegt: Dass diese so prekär sei, liege an externen Faktoren.

Habecks Papier verweist zudem noch auf Wettbewerbspraktiken Chinas und den Inflation Reduction Act der USA. In der EU sieht man auch diesen als Ausdruck eines Bestrebens, den hiesigen Standort zu schwächen.

Das Strategiepapier widmet entsprechend dem Thema wirtschaftlicher Abhängigkeit ein starkes Augenmerk. In diesem Zusammenhang verweist Habecks Ministerium auf Versuche der Bundesregierung, das Bemühen der EU um neue Freihandelsabkommen zu unterstützen. Mit Kanada kam ein solches Ende 2022 tatsächlich zustande. Weitere sind mit Thailand, Indien sowie den Staaten der Mercosur- und der ASEAN-Gruppe geplant.

Zuletzt gab es dabei jedoch Unstimmigkeiten: Mehrere der betreffenden Staaten wiesen Forderungen der Europäer zurück, sich deren Drängen auf eine rigide Klimapolitik zu unterwerfen. Auch geopolitische Anliegen stießen nicht auf Gegenliebe. Die Aussichten auf einen Erfolg der Gespräche sind dadurch nicht gestiegen.

Habeck würdigt Industrie als Treiber der sozialen Entwicklung

Die außenpolitischen Schuldzuweisungen stellen jedoch nur einen Teil des Strategiepapiers dar. Habeck räumt in seinem Vorwort ein, dass es auch zahlreiche hausgemachte Faktoren für die Schwäche der Industrie gebe.

Er nennt das Ausbleiben von Investitionen und Reformen sowie die Art und Weise, wie die deutsche Debatte um den Industriestandort geführt werde.

Im Papier bekannte er sich zur bedeutenden Rolle der Industrie für den Wohlstand und für soziale Errungenschaften in Deutschland.

So betont er im Vorwort: „Unsere gesamte Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft ist stark mit der Industrie verwoben. Die Zuwächse an Aufstiegschancen und materieller Teilhabe, die Gewerkschaftsbewegung, die Sozialpartnerschaft, die betriebliche Mitbestimmung, all das hatte ihren Anfang in der Industrie und es prägt sie und unser Land bis heute.“

Grüne gegen bestimmte Technologien

Neben der Abhängigkeit von großen Machtblöcken identifiziert Habecks Ministerium in seinem Strategiepapier noch vier weitere zentrale Herausforderungen für den Industriestandort. Die erste davon ist eine ausreichende Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen.

Habecks Partei hat den Ausstieg aus Kernkraft und Kohle betrieben und leistet weiter hinhaltenden Widerstand gegen Technologien wie Fracking oder CCS. Der Minister selbst will die Energielandschaft „in einem klimaneutralen Deutschland 2045“ vor allem auf Solar- und Windenergie bauen. Immerhin soll es dazu nun eine Offensive zum Ausbau der Leitungsinfrastruktur geben.

Die „nationale Wasserstoffstrategie“ soll einen weiteren Baustein darstellen. Allerdings steckt die Technologie erst in den Kinderschuhen und „grüne“ Produktionsformen etwa für die Stahlindustrie sind von hohen Subventionen abhängig. Zudem benötigt Habeck eigenen Angaben zufolge eine ausgeprägte Importstrategie.

Im Papier des Ministers taucht einmal mehr die Forderung nach einem befristeten, subventionierten Industriestrompreis auf. Dieser soll gelten, bis die „Energiewende“ tragfähig geworden sei. Das Ansinnen stößt nicht nur beim Koalitionspartner FDP und bei Bundeskanzler Olaf Scholz auf Widerstand. Auch Ökonomen wie Daniel Stelter warnen vor einem solchen Schritt, der zu hohen Kosten strukturelle Probleme ungelöst ließe.

Strategiepapier kritisiert Bürokratie und schlechten Zustand der Infrastruktur

Eine weitere Baustelle sieht das Strategiepapier in der Infrastruktur. Als besonderes Negativbeispiel findet dabei die Bahn Erwähnung. Bis 2027 seien nicht weniger als 45 Milliarden Euro erforderlich, um das Schienennetz auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen.

Weitere 23,2 Milliarden müssten in die übrige Verkehrsinfrastruktur wie Straßen- und Wasserwege fließen. Dafür will die Ampelregierung Umweltschutzauflagen lockern. Was die Digitalisierung anbelangt, sollen Glasfasernetze und die 5G-Standards im Mobilfunk ausgebaut werden. Bei der Vorbereitung des 6G-Netzes will man nicht mehr abseitsstehen.

Des Weiteren beklagt das Papier ein „regelrechtes Bürokratie-Dickicht“, das in Deutschland entstanden sei. Hier wolle man Entlastungen bewirken, Genehmigungsverfahren erleichtern und auch auf EU-Ebene das Thema im Auge behalten.

Habeck fordert differenzierte Strategie gegen den Fachkräftemangel

Der letzte wesentliche Aspekt, der im Strategiepapier zur Sprache kommt, ist der Fachkräftemangel. In diesem Kontext mahnt Habecks Ministerium an, bestehende Potenziale im Inland zu mobilisieren – und die Einwanderung qualifizierten Personals zu erleichtern. Einige Schritte habe die Bundesregierung dazu bereits gesetzt.

Im Inland will Habeck die Integration von Frauen und älteren Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt verstärken. Dazu sollen zum einen Betreuungsangebote, Kitas und Ganztagsschulen ausgebaut werden. Zum anderen soll es höhere Zuverdienstgrenzen für ältere Menschen geben, um einen Anreiz zu schaffen, auch während des Bezugs der Altersrente noch im Arbeitsprozess zu bleiben.

Ein weiterer Schwerpunkt soll der Qualifizierung von Arbeitskräften mit geringer Bildung oder von Flüchtlingen gelten. Beide Gruppen will man auch für anspruchsvolle Tätigkeiten fit machen. Dazu will man auch Arbeitsverbote für Asylsuchende lockern und mehr Beschäftigung von Geduldeten erlauben.



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