Deutsche Wirtschaft vor düsteren Zeiten: IWF-Prognose sieht weiteren Abschwung voraus

Düstere Aussichten für die deutsche Wirtschaft: Der IWF sieht Deutschland als Konjunkturschlusslicht. Die Wirtschaft droht, erneut zu schrumpfen – und weit hinter andere Regionen zurückzufallen. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck ist das aber kein Grund zur Sorge.
Produktion in einer Gießerei in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Wirtschaft in Deutschland gerät weltweit immer weiter ins Hintertreffen. Durchhalteparolen des Wirtschaftsministers sind keine Lösung.Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Von 28. Juli 2023

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Keine guten Aussichten für Deutschland: Die konjunkturellen Aussichten für die Wirtschaft trüben sich weiter. Im neuen Wachstumsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die deutsche Volkswirtschaft unter 22 untersuchten Staaten und Regionen die einzige, in denen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinken soll.

Mit einem Minus von 0,3 Prozent rechnet der IWF im Hinblick auf Deutschlands Wirtschaft. Das teilte die Organisation am Dienstag bei der Aktualisierung ihres Wachstumsausblicks mit. „Deutschlands Wachstum verlangsamt sich deutlich und liegt sogar im negativen Wachstumsbereich“, sagte Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas. Auch 2024 kann Deutschland den Rückstand kaum kompensieren. Der IWF erwartet dann ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent.

Die nun aktualisierten Zahlen sind deutlich pessimistischer als noch vor drei Monaten. Damals sagte der IWF noch einen Rückgang von 0,1 Prozent voraus. Die Gründe für die Anpassung nach unten liegen laut dem Währungsfonds in der anhaltenden Schwäche der Industrieproduktion und dem Konjunkturrückgang im ersten Quartal.

Deutschland schrumpft – die Weltwirtschaft wächst

Auf die Weltwirtschaft hingegen schaut der IWF sehr viel zuversichtlicher als auf Deutschland. So korrigierte der Fonds die Wachstumsprognose auf 3,0 Prozent hoch. Im April war sie noch von 2,9 auf 2,8 Prozent gesenkt worden. Für 2024 rechnet der IWF wie bisher mit 3,0 Prozent. Von 2000 bis 2019 – also bis zur Corona-Pandemie – lag der jährliche Schnitt aber bei deutlich höheren 3,8 Prozent, wie der Fonds betonte. 2022 wuchs die Weltwirtschaft noch um 3,5 Prozent.

Deutschlands Wirtschaft, das wird immer deutlicher, hat ein großes Problem. Die Prognose des IWF ist nicht die erste Einschätzung, die düster in die Zukunft blickt. Schon im Juni machte der Geschäftsklimaindex des ifo Instituts wenig Hoffnung, dass es für Deutschland wirtschaftlich schnell wieder bergauf geht. Auch die damals veröffentlichten ZEW-Daten blickten düster in die Zukunft.

Deutschland hat ein echtes wirtschaftliches Problem. Das kann keiner mehr übersehen. Deutschland ist wirtschaftlich inzwischen so weit von den anderen Industrieländern abgehängt worden, dass man die Situation nicht mehr schönreden darf. Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser brachte es im Juni bei der Vorstellung der Wirtschaftsprognose seines Instituts auf den Punkt. Das Institut prognostizierte damals auf das laufende Jahr gerechnet ein Minus von 0,4 Prozent als Wirtschaftsleistung. „Wir sind damit ganz klar Schlusslicht“, sagte der Ökonom. In Europa sei nur die Wirtschaft in Ungarn ähnlich stark und in Tschechien geringfügig geschrumpft. Alle anderen Länder hätten auch im Winterhalbjahr ein Wachstum verzeichnet.

Die aktuelle Rezession könne nicht mehr als milde bezeichnet werden, betonte Wollmershäuser. Im vergangenen halben Jahr sei die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,9 Prozent geschrumpft. Diese Zahl ist eigentlich nicht das Erschreckende.

Vor einem schweren Jahrzehnt

Jede Rezession geht einmal zu Ende und dann erholt sich die Wirtschaft. Es geht dann wieder aufwärts. Könnte man zumindest meinen. Davon gehen die Ökonomen aber mit Blick auf Deutschland nicht aus. Als im März das Institut für Weltwirtschaft in Kiel seine Mittelstandsprojektion veröffentlichte, prognostizierten die Experten Deutschland ein schwieriges Jahrzehnt.

Stefan Kooths, Konjunkturchef und Vizepräsident des IfW Kiel, sagte damals: „Deutschland steht vor einem schwierigen Jahrzehnt, das von Verteilungskonflikten stärker geprägt sein wird als bisher.“ Er fügt hinzu: „In Zukunft müssen weniger Menschen in Deutschland unter schwierigeren Bedingungen Wohlstand erwirtschaften. Gleichzeitig steigt die Anzahl derjenigen, die im Alter Leistungen aus den Sozialkassen beziehen, ohne wesentlich zur Finanzierung beizutragen, insbesondere im Gesundheits- und Rentensystem.“

Die Gründe dafür, dass Deutschland inzwischen wieder der „kranke Mann Europas“ ist, sind vielschichtig.

Exportprobleme und schrumpfende Produktivität

Erstens: Deutschland ist ein Land, das sich stark auf den Export stützt. Ein erheblicher Teil unseres Einkommens resultiert daraus, dass Deutschland mehr Waren ins Ausland verkauft als es von dort importiert. Aus diesem Grund ist das Verhältnis zwischen den Export- und Importpreisen von großer Bedeutung, was als die sogenannten „Terms of Trade“ bezeichnet wird. Allerdings geriet dieses Verhältnis in eine Schieflage, als die Energiepreise drastisch anstiegen. Die ungünstigen Terms of Trade zwangen Deutschland dazu, mehr andere Güter zu verkaufen, um die hohe Energierechnung bezahlen zu können.

Inzwischen haben sich die Terms of Trade wieder normalisiert, doch das Exportmodell hat Schaden genommen. Die Herausforderungen durch die teure Energie haben ihre Spuren hinterlassen.

Zweitens geht die Produktivität in unserem Land zurück. Im ersten Quartal waren in Deutschland insgesamt 45,6 Millionen Menschen erwerbstätig, was einen historischen Höchststand darstellt und einem Anstieg von 446.000 Personen oder 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Gesamtzahl der Arbeitsstunden erhöhte sich ebenfalls um 0,9 Prozent. Trotzdem führte das nicht zu dem erwarteten Ergebnis, da die Wirtschaftsleistung stärker zurückging, als die vergleichsweise milden Rezessionszahlen vermuten ließen.

Ein möglicher Grund für den Rückgang der Produktivität könnte darin liegen, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter trotz geringerer Auslastung behalten möchten. Das kann einerseits als soziales Engagement betrachtet werden, aber andererseits auch bedeuten, dass die Ressourcen nicht effizient genutzt werden. Die sinkende Produktivität kann ein Indiz für technologische Rückstände, veraltete Arbeitsmethoden oder mangelnde Fähigkeiten und Motivation der Beschäftigten sein. Man müsste diese Faktoren genauer analysieren, um geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität zu ergreifen. Nur wenn unser Land wieder produktiver wird, kann es wieder auf Wachstumskurs kommen. Im Moment gibt da in diese Richtung von keiner Seite ernsthafte Bemühungen.

Fachkräftemangel trotz enormer Zuwanderung

Der dritte Aspekt für die schlechten Prognosen ist die Tatsache, dass Deutschland im Moment die Chancen von Zuwanderung nicht nutzt. Die Zuwanderung nach Deutschland bietet eigentlich ein enormes Potenzial für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft des Landes. Viele Geflüchtete und Asylsuchende dürfen aber bisher nicht arbeiten und damit einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) leisten. Anders die Ukrainer, die aufgrund ihres Status die Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen. Von einer Million nach Deutschland gekommenen Ukrainerinnen und Ukrainer sind rund zwei Drittel im erwerbsfähigen Alter, viele davon Frauen mit Kindern. Über 70.000 von ihnen haben bereits einen festen Arbeitsplatz gefunden, während noch mehr sich in Sprachkursen auf eine Beschäftigung vorbereiten.

Der Fachkräftemangel, der nahezu alle Berufe und Branchen betrifft, bremst das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Der demografische Wandel verschärft die Situation, da immer mehr Menschen das Berufsleben verlassen, während weniger nachrücken. Der Anteil der über 65-Jährigen ist seit 1950 auf 22 Prozent gestiegen und steigt weiter an.

Andreas von der Gathen, Chef der Unternehmensberatung Simon-Kucher, betont gegenüber dem Portal „Business Insider“ die Notwendigkeit, die Zuwanderung als Chance zu begreifen und die zugewanderten Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wir sind ein Einwanderungsland geworden. Das müssen wir realisieren und Antworten auf die Frage finden, wie wir die zu uns gekommenen Menschen in Arbeit bringen“, sagt er. Unternehmen suchten verzweifelt nach Arbeitskräften und können derzeit rund 1,7 Millionen offene Stellen nicht besetzen.

Die erfolgreiche Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt sei daher entscheidend, um die Wachstumskraft der deutschen Wirtschaft zu stärken und den Wohlstand im Land langfristig zu fördern. Es gilt, die vorhandenen Potenziale zu nutzen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um diese Chance zu nutzen und die Zukunft Deutschlands zu gestalten, betonte der Unternehmensberater.

Habeck sieht keinen Grund für „German Angst“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht aber keinen Grund, die Warnungen der Wirtschaftsinstitute ernst zu nehmen. Er zieht mit Durchhalteparolen durchs Land. Angesprochen auf die Prognose des IWF sagte Habeck im Interview mit den „Tagesthemen“, es gäbe keinen Grund für „eine ‚German Angst‘“. Die Standortbedingungen in Deutschland seien weiter „sehr gut“: „Wir kriegen die Energiepreise runter, die Leute sind top ausgebildet, die Unternehmen haben eine Standorttreue und ein Tag wie heute, wo große Förderbescheide überreicht wurden, zeigt auch, dass in der Zukunft hier wieder ordentlich produziert wird.“

Damit bezog sich Habeck auf das Ruhrgebiet, wo er sich zum Zeitpunkt des Interviews befand. In Oberhausen wird ein Werk zur Wasserstoffproduktion gebaut und in Duisburg rüstet thyssenkrupp mithilfe von Milliardensubventionen seine Stahlproduktion von Erdgas auf grünen Wasserstoff um. Habeck zeichnet damit ein völlig anderes Bild von Deutschland, als es gerade Wirtschaftsexperten malen.

Mehr Menschen in Arbeit zu bringen und die Produktivität der Arbeit wieder zu steigern, ist die große Herausforderung. Nur dann wächst auch das Potenzial der deutschen Wirtschaft wieder – und damit der Wohlstand.



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