Habecks Abschalt-Gesetzentwurf stößt auf massive Kritik bei Verbänden

Netzbetreiber sollen private Ladestationen ohne zeitliche Beschränkung drosseln oder abschalten dürfen. Die Regierung will so einen Blackout verhindern.
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Geht es nach Wirtschaftsminister Robert Habeck, könnte die Nutzung heimischer Ladestationen für E-Autos bald erheblich eingeschränkt werden.Foto: iStocks/Jose carlos Cerdeno
Von 1. März 2023

Vier Verbände laufen Sturm gegen das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplante Abschalt-Gesetz. Die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der Bundesverbände der Verbraucherzentralen (vzbv), der Automobilindustrie (VDA), der Wärmepumpen-Branche (BWP) und der Neuen Energieanbieter (bne) haben daher einen offenen Brief an die Bundesnetzagentur geschrieben, wie „Focus Online“ berichtet. Um einem möglichen Blackout entgegenzuwirken, will die Bundesregierung es den Netzwerkbetreibern erlauben, die Stromversorgung von Wärmeboxen und Wallpumpen in privaten Haushalten zu drosseln. Dies soll zudem zeitlich unbegrenzt möglich sein, sieht das Gesetz vor.

Verteilernetze sind das Problem

Autos mit Verbrennungsmotor will die Regierung bis spätestens 2035 endgültig aus dem Verkehr ziehen. Dafür sollen bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Derzeit sind es jedoch nur etwa eine Million. Dennoch ist bereits jetzt absehbar, dass es künftig zu Versorgungsengpässen kommen wird. Dabei sind nicht die Strommenge, sondern die Verteilernetze das Problem. Sie sind kaum in der Lage, in Spitzenzeiten gleichzeitig eine große Anzahl Elektroautos und andere stromgestützte Energieproduzenten wie Wärmepumpen zu versorgen.

Smarte Stromzähler noch nicht sehr verbreitet

Dass Habecks Ministerium daher eine Drosselung von Elektroauto-Ladesäulen und Wärmepumpen bei Strommangel plant, ist bereits länger bekannt. Anfangs war von seltenen Ausnahmesituationen die Rede, in denen die Ladesäulen ausgeschaltet oder die Ladeleistung reduziert werden könnte.

Doch nun sieht der Gesetzentwurf die bereits erwähnten unbegrenzten Zwangspausen vor. Sie sollen aber nur für private Ladepunkte gelten. Öffentliche Schnellladesäulen sind davor nicht betroffen.

In der Praxis sieht das folgendermaßen aus: Mithilfe sogenannter intelligenter Stromzähler kann der Netzbetreiber jederzeit per Fernzugriff die E-Auto-Ladesäule in der Garage oder auf dem eigenen Parkplatz drosseln. In extremen Fällen wäre es ihm sogar erlaubt, die Energiequelle ganz abzuschalten. Diese smarten Stromzähler sind allerdings derzeit noch nicht so weit verbreitet.

Keine Planungssicherheit für E-Auto-Besitzer

Eigentümer von E-Autos laden ihre Fahrzeuge meist in der heimischen Garage. Sie ziehen dabei an speziellen Wallboxen mit drei, sieben, 7,4, elf oder 22 Kilowatt Ladeleistung wesentlich mehr Strom als ein Haushaltsgerät. Der begrenzende Faktor ist dabei nicht nur das Hausnetz, sondern auch das integrierte Ladegerät des Autos. In vielen Fällen kann die verfügbare Ladeleistung der Box gar nicht ausgenutzt werden.

Tritt das Abschalt-Gesetz in Kraft, hätten Fahrer von E-Autos keine Gewissheit mehr, dass sie ihr Fahrzeug ausreichend laden können. Ein Wagen der Mittelklasse, der an der heimischen Wallbox zehn Stunden mit nur 3,7 kW geladen wird, wäre nur zur Hälfte aufgeladen. Wer Langstrecken plant, muss unterwegs daher eine Zwangspause an einer öffentlichen Schellladesäule einlegen. Dort ist das Tanken zwar immer möglich, doch auch wesentlich teurer als zu Hause. Auch müssten die Autofahrer unter Umständen auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen.

Verbände warnen vor erheblichen Einschränkungen

Vor dem Hintergrund des politisch verordneten Verbrenner-Ausstiegs wäre eine solche Aussicht auf eingeschränkte Mobilität ein riesiges PR-Desaster. Daher weisen die eingangs erwähnten Lobby- und Verbraucherverbände darauf hin, dass der Ausbau von Wind- und Solarenergie die Erzeugung von Strom „zunehmend volatiler“ mache. Die verschärften Klimaziele der Bundesregierung übten einen enormen Druck auf den Gebäude- und Verkehrssektor aus durch die geplanten 15 Millionen E-Autos, sechs Millionen Wärmepumpen sowie Klimaanlagen und Stromspeicher.

Die Verbände warnen daher vor „erheblichen Einschränkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher“. Zudem müsse es „Begrenzungen für Notfall-Abschaltungen“ geben. So fordert Hildegard Müller, die Präsidentin des deutschen Autohersteller-Verbandes VDA: „Wir müssen mögliche Engpässe im Verteilnetz schon vorab in den Griff bekommen. Wenn das Laden zu Hause nur eingeschränkt möglich wäre, würden erhebliche Komforteinbußen drohen. Das ist eine potenzielle Gefahr für das Verbrauchervertrauen, die wir schnell ausräumen müssen.“ Laut „Focus Online“ herrscht in den Vorstandsetagen von Mercedes, BMW und zunehmen Unmut wegen der Ampelpolitik. Diese fordere zwar das Aus für alle Benzin-, Diesel- und Hybridfahrzeugen, unterschätze aber den technischen Aufwand der Elektroinfrastruktur.

Lösungsvorschlag bereits Teil des geplanten Gesetzes

Eine Lösung schlägt die Grünen-Politikerin und Vorsitzende beim Verbraucherzentrale Bundesverband, Ramona Pop, vor: „Zeitvariable und flexible Stromtarife sind die deutlich bessere Alternative zur Leistungsdrosselung“, glaubt sie. Wer darauf verzichtete, sein E-Auto zu bestimmten Zeiten zu laden, würde dann einen günstigeren Tarif erhalten. Von Vorteil wäre das jedoch nur für Personen, die einen jederzeit fahrbereiten Verbrenner in der Garage haben. Das E-Fahrzeug könne unter diesen Umständen nur als Zweitwagen dienen. Für Menschen, die nicht täglich auf ein Auto angewiesen sind, wäre dieser Vorschlag ebenfalls attraktiv.

Die Voraussetzungen dafür sieht das geplante Gesetz sogar schon vor. So heißt es im Entwurf des §14a EnWG (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung, Energiewirtschaftsgesetz): „Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen haben denjenigen Lieferanten und Letztverbrauchern im Bereich der Niederspannung, mit denen sie Netznutzungsverträge abgeschlossen haben, ein reduziertes Netzentgelt zu berechnen, wenn mit ihnen im Gegenzug die netzdienliche Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die über einen separaten Zählpunkt verfügen, vereinbart wird. Als steuerbare Verbrauchseinrichtung im Sinne von Satz 1 gelten auch Elektromobile.“

Brandbrief auch von Stromnetzbetreibern und Stadtwerken

Die Netzbetreiber allerdings wollen offenbar nicht dafür verantwortlich sein, falls es letztendlich Probleme beim Ausbau der Elektromobilität gibt. So berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) über einen weiteren Brief von 30 Stromnetzbetreibern und Stadtwerken ans Wirtschaftsministerium. Branchengrößen wie E.ON und EWE schreiben, dass sie mit dem „Ambitionsniveau“ der Bundesregierung nicht Schritt halten könnten. Sie seien „nicht in der Lage, mit dem Aufkommen von E-Autos und dem damit wachsenden Ladebedarf in der Infrastruktur mitzuhalten“. Denn das geplante Gesetz sieht auch vor, dass die Netzbetreiber quasi im Gegenzug für die Möglichkeit der Ferndrosselung neue Anschlüsse von Wallboxen oder Wärmepumpen nicht mehr verweigern können, wenn sie eine mögliche Leitungsüberlastung fürchten.



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