Inflationsrate in Deutschland sinkt auf 2,2 Prozent – eine trügerisch gute Nachricht

Im März soll die Inflationsrate in Deutschland nur noch 2,2 Prozent betragen. Auch diese statistische Zahl muss im Kontext beleuchtet werden. Die Entwicklung der Preise trifft vor allem Familien mit Kindern, Gering- und Normalverdiener an den Supermarktkassen.
ILLUSTRATIOMünzen im Wert von fünf Euro liegen in einer Hand über einem Portemonnaie.
Die Inflation trifft Familien mit Kindern besonders hart.Foto: Friso Gentsch/dpa
Von 9. April 2024

Die Inflationsrate in Deutschland wird im März 2024 voraussichtlich 2,2 Prozent betragen. Das ist der niedrigste Wert seit April 2021. Dies mag erst einmal gar nicht so schlecht klingen. Dabei muss aber bedacht werden, dass hier vom Ausgangspunkt März 2023 die Rede ist, von dem ausgehend sich die 2,2 Prozent Inflation berechnen. Und im März vor einem Jahr war die Inflationsrate bereits um 7,4 Prozent im Vergleich zum damaligen Vorjahr, also März 2021, gestiegen.

Je niedriger das Einkommen, desto größer das Problem

Nach der aktuellen Statistik liegt die Inflationsrate in Deutschland also bei nur noch 2,2 Prozent. Das ist ein Durchschnittswert, der so als Zahl eigentlich nicht wirklich aussagekräftig ist. Denn zusätzlich zum Zustandekommen dieses Prozentsatzes hat jeder eine eigene persönliche Teuerungsrate – je nach Lebenssituation, Arbeits- und Einkommenshöhe.

Wer weniger verdient, also einen proportional größeren Teil seines Einkommens für Wohnen, Energie und Lebensmittel ausgeben muss, hat eine höhere persönliche Teuerungsrate als die Haushalte, deren Ausgaben für die „Alltäglichkeiten“ im Vergleich zu ihrem Einkommen geringer sind.

Alleinstehende führen einen anderen Lebensstil als Paare, während Familien mit unterschiedlicher Kinderanzahl wiederum eine ganz andere Lebensweise pflegen. Berufstätige verfügen über finanzielle Spielräume, die etwa Arbeitslose nicht haben. Rentner haben andere Lebensbedürfnisse als junge Menschen, und Personen mit hohem Einkommen investieren mehr in Luxusgüter und Reisen im Vergleich zu jenen mit geringerem Einkommen, die sich solche Ausgaben kaum leisten können.

Familien mit Kindern fühlen sich stark belastet

Gerade Familien mit Kindern stehen momentan vermehrt vor Herausforderungen: 68 Prozent der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren fühlen sich durch die anhaltend hohe Inflation persönlich stark belastet. Das hatte eine aktuelle Studie, die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben wurde, zum Ergebnis. Besonders gravierend ist die Belastung laut dem „Familienbarometer“ bei Familien mit Kindern, die schwächeren und mittleren sozialen Schichten angehören. Hier sind es sogar fast 80 Prozent der Befragten. Alleinerziehende schätzen ihre Lage als besonders schwierig ein. Die Bilanz im vergangenen Jahr: Rund 43 Prozent der Eltern bewerten ihre Lage laut der Studie als positiv.

Verhältnismäßig gering fällt die Belastung dagegen bei den Gutsituierten in Deutschland aus. Nur 42 Prozent gaben an, durch die Inflation stark belastet zu sein. Wenn diese im Supermarkt an der Kasse stehen, ist es zwar für sie auf dem Kassenbon in gleichem Maße teuer wie für die weniger gut Situierten – nur mit weniger eklatanten Folgen.

Das Maß der Dinge, bei dem hinten die Zahl „Teuerungsrate“ herauskommt, ist der gleiche Warenkorb. Mit diesem wird die amtliche Inflation ermittelt, die via Statistisches Bundesamt dann als offizielle Zahl vermeldet wird:

Gemessen wird dieser Index über einen breit gefächerten Warenkorb, in dem circa 700 Produkte enthalten sind, aufgeteilt in zwölf Warengruppen, die durch private Haushalte in Deutschland gekaufte Güter und Dienstleistungen repräsentieren. Von Miete über Lebensmittel bis zum Flachbildschirm, der Hundesteuer oder einer Theaterkarte. Die Preisentwicklungen von Waren, die nicht zu alltäglichen Einkäufen zählen, werden beim Warenkorb ebenfalls eingepreist, aber jeweils unterschiedlich gewichtet.

Dinge des täglichen Bedarfs wie etwa Mieten und Energiepreise machen im Warenkorb aktuell über ein Viertel aus, der Güterbereich Lebensmittel gut zehn Prozent. Alle fünf Jahre wird der Verbraucherpreisindex turnusmäßig überarbeitet.

Kurz vor dem Inflationsschub 2022: Einfach den Warenkorb geändert

Am 22. Februar 2023 wurde der Warenkorb überarbeitet und damit die Statistik rückwirkend geändert. Ausgehend von diesem neuen Warenkorb erfolgte eine Neuberechnung der Indexwerte rückwirkend ab Januar 2020.

In diesem Jahr gab es ergebnisrelevante Veränderungen: Beispielsweise wurde die Gewichtung des Güterbereichs „Wohnung und Haushaltsenergie“ verringert. Zur letzten Aktualisierung 2015 waren es noch 32,47 Prozent, jetzt wurde er auf 25,93 Prozent gesetzt. Praktische Konsequenz war, dass die erheblichen Steigerungen der Energiepreise im Jahr 2022 künftig einen geringeren Einfluss auf den Indexwert, die Teuerungsrate, haben.

Die Auswirkung lässt sich an einer einfachen Zahl verdeutlichen: Wäre diese Anpassung des alten Warenkorbes nicht gewesen, wäre die Inflationsrate 2022 7,9 Prozent und nicht, wie dann offiziell in den Medien kundgetan, 6,9 Prozent gewesen.

Das Statistische Bundesamt erklärt diese Veränderung damit, dass es die Gewichtungsfaktoren nunmehr nicht allein aufgrund von Haushaltsbefragungen ermittele, sondern in erster Linie volkswirtschaftliche Datenquellen berücksichtige.

Mittelschicht hat das Nachsehen

Auch wenn sich 6,9 Prozent erst einmal besser anhören als 7,9 Prozent Inflation, zumindest bei denen, die wenigstens etwas auf der Kante haben, seien „die größten Verlierer die Bürger der Mittelschicht“, schreibt die „Wirtschaftswoche“. „Die Inflation trifft immer die breite Masse. Sie ist nicht auf die Preissteigerungen vorbereitet“, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. „Die professionellen Anleger sind hingegen cleverer und haben ihr Geld frühzeitig in Sicherheit gebracht.“ Die Inflation schwächt die Kaufkraft und frisst das meist niedrig verzinste Ersparte auf.

Gestiegene Energiekosten und Einschnitt bei Lebensmitteln: Dieser Bereich hat für die Gering- und Normalverdiener einen höheren Stellenwert, denn sie müssen ohnehin einen höheren Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse wie Ernährung und Wohnen ausgeben. Im Februar 2024 entsprach die Preissteigerung bei Lebensmitteln laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vorjahr 0,9 Prozent.

Diese Zahl klingt isoliert betrachtet erst einmal nach Entwarnung. Sie ist aber irreführend: Die Lebensmittelpreise steigen nicht erst seit einem Jahr, sondern bereits seit dem Sommer 2021. Wenn man die Preise im Februar 2024 abgleicht mit Juni 2021, ergibt sich sogar eine Steigerung um knapp 29 Prozent.

Der Verbraucherpreisindex für Brot und Getreideerzeugnisse beispielsweise lag im Februar 2024 bei 137,8 Punkten, das bedeutet eine Steigerung um fast 37,8 Prozent seit 2020.



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