Kampagne oder berechtigte Vorwürfe? WDR beendet Zusammenarbeit mit El-Hassan

Die Berliner Journalistin Nemi El-Hassan hätte ab November die WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“ moderieren sollen. Aufgrund aufgetauchter Antisemitismusvorwürfe gegen sie im Zusammenhang mit den gewalttätigen Al-Quds-Märschen im Jahr 2014 beendet der Sender nun die Zusammenarbeit mit ihr – zu Unrecht, wie die 28-jährige Moderatorin findet.
Titelbild
Die Journalisten und Schriftsteller/innen (l-r) Friedemann Karig, Ronja von Rönne und Nemi El-Hassan.Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Von 4. November 2021

Am Dienstag teilt der WDR mit, dass er sich dazu entschlossen habe, nicht mit der Berliner Journalistin Nemi El-Hassan zusammenzuarbeiten, weil das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr vorhanden sei. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat die Moderatorin zuvor in einem Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“ den Sender für den Umgang mit ihr vor dem Hintergrund antisemitischer Vorwürfe gegen sie kritisiert.

Der Sender habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen und seine Reaktion zeige exemplarisch, dass es schlecht um die „vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land“ bestellt sei, so El-Hassan. Die muslimische Journalsitin sprach von einer Kampagne gegen sie, die in rechten Foren von langer Zeit vorbereitet worden sei.

Kritischer Journalismus oder gezielte Demontage?

In ihrem Gastbeitrag verweist El-Hassan auf eine aus ihrer Sicht „rassistischen Bild-Kampagne“ gegen sie. Die Bildzeitung habe es sich zur Aufgabe gemacht, sie in aller Öffentlichkeit zu demontieren. Sie beschreibt angesichts dessen ihren Gemütszustand als „Mischung aus purer Panik, die einen im Moment verharren lässt und einem buchstäblich die Luft zum Atmen nimmt“. Sie berichtet von Angst, „Angst vor der nächsten Hiobsbotschaft der kommenden Stunden, Tage und Wochen“ und von der zwischendurch „immer wieder aufblitzenden Gleichgültigkeit“.

Die „Bild“ habe laut El-Hassan Bilder von ihr auf der Al-Quds-Demo – diese seien ihren Angaben nach in rechten Foren aufgetaucht – mit aus dem Zusammenhang gerissenen Videoschnipseln eines Wortbeitrags von ihr im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung zum Begriff „Dschihad“. Damit sei ein Narrativ gesetzt worden, so der Vorwurf der Moderatorin: „Hier die vermeintlich antisemitische und islamistische Moderatorin mit palästinensischen Wurzeln (…) dort der Rest der Gesellschaft, der sich mit einer solchen Person nicht gemein machen will.“

Nemi El-Hassan sieht in ihrem Fall die Grenze von Recherchen zur Vergangenheit einer öffentlichen Person und damit auch aus ihrer Sicht kritischer journalistischer Arbeit überschritten, hin zu einer „gezielten Kampagne zur Demontage einer Person“.

„Bild“-Vorwurf: Terroristen-Like

Die „Bildzeitung“ berichtet hingegen von weiteren Dingen, nicht nur dem Al-Quds-Engagement von Nemi El-Hassan, welches die Zeitung als „antisemitischen Hass-Marsch“ einstuft. So habe die 28-Jährige noch im September 2021 in den sozialen Netzwerken Beiträge mit Antisemitismus und Israel-Hass mit „Gefällt mir“ markiert. Dem Bericht nach habe El-Hassan unter anderem ein „Like“ unter den Gefängnisausbruch eines Mannes gesetzt, der an der Entführung und Ermordung eines 18-jährigen Israelis beteiligt gewesen sei.

Auch auf diese Vorwürfe ging Nemi El-Hassan in ihrem Gastbeitrag im Rahmen der ihr von der „Berliner Zeitung“ zur Verfügung gestellten Öffentlichkeit ein. Unter anderem habe sie auf Instagram Beiträge der Seite „Jewish Voice for Peace“ gelikt, die sie als „eine der größten links-jüdischen Organisationen in den USA“ bezeichnet, die sich „antizionistisch positioniert“ und nach Ansicht von El-Hassan einen „Beitrag zu einem gerechten Frieden in Israel und Palästina leistet“.

El-Hassan: „Die Vorwürfe, die die Bild-Zeitung gegen mich erhob, bezogen sich sowohl auf Postings, die zum Boykott von Waren aus Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten aufriefen, als auch auf Postings, die sich mit Slogans oder mit dem Ausbruch der sechs inhaftierten Palästinenser aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis befassten.“

Die Moderatorin führte an, dass aus dem Posting zum Gefängnisausbruch nicht ersichtlich gewesen sei, weshalb diese überhaupt im Gefängnis gesessen seien. Dies sei aber „mutwillig verschwiegen“ worden, um ihr eine Affinität zu Gewalttaten unterstellen zu können.

Ebenfalls sei unterschlagen worden, dass auch die EU zwischen Produkten aus dem Kernland Israel und „solchen aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen“ vornehme. Diese würden einer Kennzeichnungspflicht nach EU-Recht unterliegen. Dem WDR habe die „verfälschende Einordnung seitens der Bild-Zeitung“ ausgereicht, um kurz darauf ihre Beschäftigung als Moderatorin zu beenden, kritisiert El-Hassan.

Al-Quds-Marsch 2014

Die Medizinjournalistin hätte eigentlich ab November die WDR-Sendung „Quarks“ moderieren sollen. Doch es gab rege Kritik an der Besetzung der Stelle durch die Berliner Ärztin. Grund dafür war El-Hassans aktive Beteiligung an der antisemitischen Al-Quds-Demonstration im Jahr 2014. Sie habe damals im Jahr des Gaza-Krieges „Solidarität mit Palästinensern“ ausdrücken wollen.

Das sei ihr ein „Anliegen“ gewesen, berichtete die „Jüdische Allgemeine“ aus einem Statement der Moderatorin, die sich von dem Marsch inzwischen distanziert. Wie sie weiter angab, sei sie während der Ausschreitungen nicht zugegen gewesen: „Keinesfalls habe ich während der Demo antisemitische Parolen von mir gegeben, noch Menschen jüdischen Glaubens körperlich angegriffen.“

An dieser Stelle scheiden sich jedoch die Geister. „Welt am Sonntag“-Chefredakteur Johannes Boie verwies in einem Twitter-Beitrag auf ein YouTube-Video mit El-Hassans Auftritt: „Das ist klassischer Judenhass“. Boie zitiert ihre Aussagen über Israel: „die Opfer auftürmen auf ihrem Altar der Schändlichkeiten und ihre Taten verhüllen durch Statistiken und Begrifflichkeiten“. Das bedeute laut Boie: „Der Jude opfert Menschen und rechnet mit Absicht falsch.“

Das von Boie verlinkte Video wurde auf YouTube inzwischen gelöscht, „aufgrund einer Beschwerde wegen Urheberrechtsverletzung durch i,Slam e.V.“.



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