Klage gegen Polizeigesetz abgewiesen – Präventivhaft bleibt

Gestern wies das Bayerische Verfassungsgericht eine Klage gegen das Polizeiaufgabengesetz ab. Geklagt hatte der Bund für Geistesfreiheit hauptsächlich dagegen, dass Menschen ohne Verfahren bis 60 Tage in Haft genommen werden dürfen. Die Entscheidung macht aber weiteren Klägern trotzdem Mut.
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Die Polizei in Bayern wird auch zukünftig Personen bis zu 60 Tagen in "Präventivhaft" nehmen können.Foto: Reuters
Von 15. Juni 2023

Seit vielen Jahren laufen die Gegner gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Bayern Sturm. Nun hat das Bayerische Verfassungsgericht wieder eine Klage eingestellt und abgewiesen. Stein des Anstoßes ist hauptsächlich die sogenannte „Präventive Haft“.

Dass Menschen sozusagen vorbeugend in Haft genommen werden können, ist nicht neu. Seit Jahrzehnten ist sie als Gewahrsam oder Unterbindungsgewahrsam in allen Polizeigesetzen des Bundes und der Länder geregelt. Typische Anwendungsfälle waren gewalttätige Demonstranten, aggressive Fußball-Hooligans und gefährliche Ehemänner.

Präventivhaft aus politischen Gründen?

Allerdings wird dieses Mittel immer wieder auch als politisches Druckmittel ins Spiel gebracht. So beispielsweise während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Einen Tag nach dem Eröffnungsspiel wollte die rechtsextremistische NPD eine Kundgebung in Gelsenkirchen unter dem Motto „Arbeit für Millionen, statt Profit für Millionäre!“ durchführen. Für die Stadtverwaltung und Polizei in Gelsenkirchen war das eine Provokation und sie untersagte die Demonstration. Man wolle verhindern, dass „vor den Augen der Weltöffentlichkeit während der WM 2006 Rechtsextremisten durch die Straßen Gelsenkirchens ziehen, um rassistische und ausländerfeindliche Parolen zu verbreiten“, sagte damals Gelsenkirchens Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt.

Die Gewerkschaft der Polizei ging noch einen Schritt weiter und forderte damals, dass man „die Rädelsführer von Neonazi-Gruppen während der Weltmeisterschaft in Unterbindungsgewahrsam“ nehmen solle.

Verhaftungsdauer in den letzten Jahren verschärft

Lag die Dauer solcher Verhaftungen bis vor wenigen Jahren zwischen zwei und vier Tagen, sind diese in den vergangenen Jahren enorm verschärft worden. Bayern ist hier mit 30 Tagen Spitzenreiter, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 28 Tagen, gefolgt von Baden-Württemberg und Sachsen mit jeweils 14 Tagen.

Menschen können also ohne Verfahren eingesperrt werden. Dazu genügt die Vermutung der Polizei, die betroffenen Personen wollten Straftaten oder schwere Ordnungswidrigkeiten begehen. In Bayern kann die Haft dann noch mal um weitere 30 Tage verlängert werden.

Bund für Geistesfreiheit: „Drohende Gefahr“ verfassungswidrig

Geklagt gegen das Gesetz hatte in Bayern nun der „Bund für Geistesfreiheit München“ und der „Bund für Geistesfreiheit Bayern“. Die Kläger sahen vor allem den im Gesetz verankerten Begriff der „drohenden Gefahr“, der als Voraussetzung für bestimmte polizeiliche Maßnahmen ausreicht, als verfassungswidrig an.

Weiter beriefen sich die Kläger darauf, dass das PAG gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Grundsatz der Gewaltenteilung und mehrere Grundrechte verstoße. Der Bayerische Landtag und die Staatsregierung als Beklagte hielten die Klage für unbegründet. Dieser Rechtsauffassung folgte jetzt auch das Verfassungsgericht in Bayern. Weiter sah es die Klage in Teilen sogar als unzulässig an.

Gericht sieht Klägerstandpunkte nicht ausreichend begründet

Die Rüge der Kläger an der Voraussetzung der „drohenden Gefahr“ sei nicht ausreichend begründet worden. Auch eine mögliche Grundrechtsverletzung sei nach Ansicht des Gerichts nicht hinreichend dargelegt worden. Deshalb erachtete der Gerichtshof die Klage bereits dadurch schon als unzulässig.

Trotzdem, darauf verweist der Gerichtshof weiter, habe es die im Gesetz verankerten Regeln für ein Präventivgewahrsam im Detail geprüft. Ein Freiheitsentzug als „Ultima Ratio“ sei zulässig und in seiner im Gesetz ausgestalteten Form, auch im Hinblick auf die Dauer, nicht grundsätzlich verfassungswidrig, um höhere Rechtsgüter zu schützen. Der Gesetzgeber verfolge am Ende mit dem Gesetz ein legitimes Ziel, betonte Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler.

Weitere Klagen laufen

Mit der Entscheidung vom Mittwoch ist das Thema in Bayern allerdings noch nicht vom Tisch. Gegenwärtig sind noch weitere Popularklagen und sogenannten „Meinungsverschiedenheiten“ gegen das Gesetz anhängig. Beide Formen sind spezielle Klageformen in Bayern: So hatten die beiden Oppositionsparteien SPD und Grüne, aber auch eine Gruppe von Jurastudenten schon 2018 gegen das Gesetz geklagt.

Der Gerichtshof hatte diese Klagen später zusammengefasst. Eine Entscheidung dazu steht bisher aus. Vor dem gestrigen Urteil war von den anderen Klägern befürchtet worden, dass das Verfassungsgericht mit seiner gestrigen Entscheidung auch de facto die weiteren Verfahren abräumen könnte. Das Gericht hat sich aber ausschließlich auf die gestrige Klage bezogen. „Ich sehe das als Erfolg“, sagt laut „taz“ der Jurist Heidebach von der Ludwig-Maximilians-Universität direkt nach der Verhandlung.

Über die meisten Einwände gegen das PAG sei nicht entschieden worden. Heidebach sieht in dem Urteil des Gerichtshofs vor allem das Anliegen, die Hürden für eine Popularklage höher zu hängen. Die Klage des Bundes für Geistesfreiheit sieht der Jurist tatsächlich nicht allzu fundiert begründet gewesen. Mut macht Heidebach, dass das Gericht die maximale Dauer des Gewahrsams nur in Ausnahmefällen für legitim erachte, es also als Ultima Ratio sieht. „Da müssen jetzt die Amtsrichter zuhören.“ Es sei skandalös, dass da Menschen wegen geringfügiger Straftaten für einen Monat in Präventivhaft kämen.

Über Verhältnismäßigkeit nicht entschieden

Auf eine „persönliche Bemerkung“ des Gerichtspräsidenten in der Urteilsbegründung am Mittwoch weist Heidebach laut „taz“ dann noch hin. Heßler verwies darauf, dass der Gerichtshof nur darüber befinde, ob die Präventivhaft grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar sei, nicht aber über die Verhältnismäßigkeit der Anwendung. Um dies festzustellen, müssten Betroffene den Rechtsweg beschreiten.

„Es ist sicher nicht das letzte Mal, dass wir uns hier zur Problematik des Polizeiaufgabengesetzes sehen“, sagt Heßler noch, bevor die fünf Richter und vier Richterinnen den Saal verlassen.



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