Kontroverse Debatte um 4-Tage-Woche: „Milchmädchenrechnung“ oder Zukunftsmodell?

Zum Tag der Arbeit ist die Debatte über die Viertagewoche wieder voll entbrannt. Die Arbeitgeber warnten nach einem Vorstoß von SPD-Chefin Esken für die Einführung samt Lohnausgleich vor Wettbewerbsnachteilen für Deutschland.
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Würden verkürzte Arbeitszeiten Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht stärken, sondern schaden?Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 1. Mai 2023

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte bei einer 1. Mai-Kundgebung in Gera, die Debatte darüber sei so aktuell wie nie und hat sich für die Einführung der Viertagewoche ausgesprochen.

SPD-Chefin Saskia Esken hatte am Samstag gesagt, sie könne sich eine Viertagewoche mit Lohnausgleich „gut vorstellen“. Sie verwies dabei insbesondere auch auf die Bedürfnisse von Eltern und Studien, nach denen Menschen bei einer Viertagewoche effektiver arbeiteten, weil sie eine höhere Arbeitszufriedenheit hätten, „denn sie haben mehr Privatleben.“ Gerade Eltern bräuchten andere, flexiblere und geringere Arbeitszeiten, um ihre familiären Pflichten und Bedürfnisse besser organisieren zu können.

Arbeitgeberverband: Sozialstaat und Klimaschutz so nicht finanzierbar

„Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich – wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, der „Bild am Sonntag“. „Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können.“ Offen zeigte sich Kampeter hingegen für Viertagewochen bei gleichbleibender Stundenzahl.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), warnte, eine Viertagewoche werde Deutschlands Wirtschaft schaden. „In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen“, sagte er gegenüber dem „Tagesspiegel“. „Auf dem Weg wirtschaftlicher Vernunft zeigt sich die SPD-Chefin einmal mehr als Geisterfahrerin.“

Auch die FDP äußerte sich ähnlich, Fraktionschef Christian Dürr konstatierte, dass der Vorschlag in Hinblick auf den eklatanten Fachkräftemangel der Vorschlag einer Viertagewoche unverständlich sei: „Verkürzte Arbeitszeiten würden Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht stärken, sondern schaden.“

Booster für Produktivität?

Das Modell „weniger Arbeiten“ findet auch viele Unterstützer in Deutschland, wie die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi sagte, die in einer Viertagewoche zwar keine allgemeine Lösung sieht, aber eine Entscheidung, die in den jeweiligen Branchen getroffen werden müsse.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte kürzlich die Viertagewoche in der Industrie gefordert. Seine Argumente: Sie steigere Produktivität und Arbeitszufriedenheit; auch der Fachkräftemangel spreche nicht dagegen (Epoch Times berichtete).

Hofmann bekräftigte, dass seine Gewerkschaft bei den im November beginnenden Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie für eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich einstehen will. Er rechne damit, dass mit der Viertagewoche das Arbeitsvolumen insgesamt gesteigert werde, sagte der Gewerkschaftschef gegenüber „Bild am Sonntag“.

Mercedes-Chef dagegen: International nicht mehr wettbewerbsfähig

Strikt gegen die Viertagewoche (mit Lohnausgleich) hingegen äußerte sich Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius: „Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr“, sagte Källenius der „Bild am Sonntag“. „Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Sonst verlieren die deutschen Autohersteller ihren Spitzenplatz auf der Welt.“

Arbeitsminister Heil sagte im ZDF, er kenne Bereiche oder Unternehmen, in denen es eine Viertagewoche schon gebe. Er könne sich aber „nicht vorstellen, dass das für alle Bereiche der Wirtschaft und Arbeitswelt gelten wird“. Er wolle „kein starres System“, wichtiger sei aus seiner Sicht, „dass wir mehr Arbeitszeitflexibilität im Lebensverlauf haben, dass die Arbeit besser zum Leben passt, wenn Kindererziehung angesagt ist oder wenn man sich um pflegebedürftige Angehörige kümmert“.

International schon längst erprobt

Währenddessen wird die Viertagewoche in vielen Ländern immer populärer. In Großbritannien haben im weltweit größten Versuch 61 Unternehmen mit fast 3.000 Mitarbeitern dieses Modell nun getestet. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter sind ausgeruhter und motivierter. Auch die Anzahl der Fehltage ist deutlich zurückgegangen, die Studie beziffert ein Minus von 65 Prozent. Deutlich weniger Personen fallen langfristig aus, beispielsweise wegen eines Burn-outs. 56 Unternehmen haben mitgeteilt: Sie werden die Viertagewoche beibehalten.

Auch die Ergebnisse eines internationalen Pilotprojektes mit 33 Unternehmen und knapp 1.000 Angestellten aus den USA, Australien, Irland, Großbritannien, Neuseeland und Kanada sind ähnlich. Sechs Monate lang haben diese eine Viertagewoche (32 Stunden pro Woche) ohne Einkommensverlust ausprobiert. Das Ergebnis: Die Anzahl der Krankheitstage und der Stresslevel sanken. Dagegen stiegen die Produktivität und die Umsätze der teilnehmenden Unternehmen, die jetzt überwiegend am Modell festhalten wollen.

(Mit Material von Agenturen)



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