Netzbetreiber dürfen bald den Strom „dimmen“: Was das für Verbraucher bedeutet

Jetzt ist es amtlich: In Kürze dürfen Netzbetreiber im Falle einer lokalen Überlastung der Stromnetze regulierend eingreifen und die Versorgung begrenzen. Was bedeutet das für Verbraucher?
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Ab Januar darf der Netzbetreiber die Stromzufuhr für Wärmepumpen drosselnFoto: iStock
Von 30. November 2023

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Lange Zeit haben es besorgte Bürger, aber auch einige Fachleute befürchtet: Stromabschaltungen oder -drosselungen durch den Netzbetreiber bei einer Überlastung der Stromnetze.

Die Bundesnetzagentur lässt diese Befürchtung nun zur baldigen Realität werden – zumindest in Form von Stromdrosselungen. Im Ernstfall dürfen die Netzbetreiber ab 1. Januar 2024 den ankommenden Strom in den Haushalten temporär „dimmen“, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht.

Warum soll „gedimmt“ werden?

Von der Maßnahme sind sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen betroffen – damit sind Wärmepumpen und häusliche Ladeeinrichtungen für Elektroautos gemeint. Diese haben in der Regel einen deutlich höheren Stromverbrauch als die meisten üblichen Haushaltsgeräte.

Zudem beziehen diese Verbraucher laut der Netzbehörde häufiger gleichzeitig Strom. Viele Besitzer eines E-Autos beginnen mit dem Ladevorgang oftmals am Abend, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen. Gleichzeitig müssen – besonders in den kälteren Monaten – auch Wärmepumpen bei sinkenden Außentemperaturen in Betrieb sein, um die Wohnräume ausreichend beheizen zu können.

Zu dieser Tageszeit liefern aber Photovoltaikanlagen mangels Licht schon keinen Strom mehr, was bei zu hohem Strombedarf zu Engpässen führen könnte. Die Bundesregierung setzt bei der sogenannten angestrebten Energiewende künftig auf Strom aus Solar- und Windkraftanlagen. Die Möglichkeit für geplante Stromdrosselungen soll Engpässe verhindern.

Ist der übrige Haushaltsstrom betroffen?

Der reguläre Haushaltsstrom wird von der Drosselung nicht betroffen sein. Hier kann und darf nicht eingegriffen werden. Ebenso sollen die höheren Anforderungen von Großwärmepumpen berücksichtigt werden.

Wann es zu so einer Maßnahme kommt, hängt dann von „objektiven Kriterien der Netzzustandsermittlung“ ab. Die Netzzustandsermittlung stellt die aktuelle Netzauslastung anhand von Echtzeit-Messwerten dar. Die Bundesnetzagentur spricht sich deswegen für eine zügige Digitalisierung der Niederspannungsnetze inklusive Erhebung von Echtzeit-Messwerten aus.

Sind Wärmepumpe und Ladeeinrichtung dann noch nutzbar?

Generell ja, denn eine komplette Abschaltung der Wärmepumpen und E-Ladeeinrichtungen ist derzeit nicht vorgesehen. Es muss bei einer konkreten Überlastung immer eine Mindestleistung von 4,2 Kilowatt (kW) zur Verfügung stehen, sodass der Betrieb von Wärmepumpen und die Ladung von E-Autos weiterhin möglich ist.

Aber: Schon eine durchschnittliche Wärmepumpe wäre bereits von der Drosselung betroffen. Viele Wärmepumpen verbrauchen deutlich mehr als 4,2 kW im Volllastbereich und könnten im Ernstfall maximal eingeschränkt funktionieren. Wer zusätzlich sein Elektroauto laden muss, dem drohen noch stärkere Einschränkungen. Mit anderen Worten: Das Elektroauto lädt dann noch langsamer oder gar nicht mehr – und die Wärmepumpe schafft es möglicherweise nicht mehr, die Wohnung ausreichend aufzuheizen.

Für Besitzer einer Wärmepumpe lohnt sich der Blick auf die Leistungsdaten der Anlage, um zu sehen, wie viel Leistung diese jeweils benötigt.

Gilt die Drosselung auch bei bereits installierten Anlagen?

Für Bestandsanlagen, für die eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, sieht die Bundesnetzagentur Übergangsregelungen vor. Zunächst gelten die aktuellen Vereinbarungen bis 31. Dezember 2028 unverändert fort. Danach sollen die Regelungen auch für die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen gelten.

Bestandsanlagen ohne Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber bleiben dauerhaft von den neuen Regeln ausgenommen. Es besteht die Möglichkeit, freiwillig in die Neuregelung zu wechseln. Für Nachtspeicherheizungen sollen die neuen Regeln nicht gelten.

Hat der Verbraucher einen Vorteil davon?

Dafür, dass die Netzbetreiber die Stromzufuhr bei Bedarf drosseln können, sollen die Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen ein reduziertes Netzentgelt zahlen.

Verbraucher können wählen, ob sie die Reduzierung als netzbetreiberindividuellen Pauschalbetrag oder in Form einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises um 60 Prozent erhalten möchten.

Die Haushalte haben in aller Regel keinen direkten Vertrag mit dem Netzbetreiber, sondern nur mit ihrem Lieferanten. Das soll nach den Plänen der Behörde auch so bleiben. Die Bundesnetzagentur legt aber eine Pflicht zum transparenten Ausweis der Netzentgeltreduzierung auf der Rechnung des Kunden fest.

Im kommenden Jahr sollen die Netznutzungsentgelte für Strom allgemein auf 9,9 Cent pro Kilowattstunde ansteigen.

Wer entscheidet, wann eine Überlastung vorliegt?

Wann das Stromnetz regional überlastet ist, entscheidet das Stromangebot und die -nachfrage. Der jeweilige Netzbetreiber muss dafür sorgen, dass immer so viel Strom zur Verfügung steht, wie gerade nachgefragt wird – und das in jeder Sekunde. Das regelt er mit den zur Verfügung stehenden Kraftwerken.

Wenn der Strombedarf so hoch ist, dass die Kraftwerke diesen nicht abdecken können, herrscht eine Netzüberlastung. Die Netzfrequenz kann dann auf unter 50 Hertz abfallen.

Der Fachmann für Energieversorgung, Prof. Harald Schwarz, erklärte im ZDF, wie gefährlich Abweichungen von diesem Wert sind. Bereits bei 49,8 Hertz würden alle verfügbaren Reserven aktiviert, um einen weiteren Abfall zu verhindern. „Fallen wir auf 49 Hertz, werden die ersten Verbraucher abgeschaltet und gehen in einen regionalen Blackout“, warnte Schwarz. Bei „48 Hertz, sind fast alle Verbraucher vom Netz weg. Fallen wir auf 47,5 Hertz, trennen sich alle Kraftwerke vom Netz und wir sind im großflächigen und lang anhaltenden Blackout.“

Kann in allen Haushalten gedrosselt werden?

Um diese Frage zu beantworten, fragte die Epoch Times bei der Bundesnetzagentur nach. Laut der Pressesprecherin Fiete Wulff „kann die überwiegende Zahl der ab 2024 einzubauenden Neugeräte grundsätzlich angesteuert werden.“

Die technische Ausstattung zur Umsetzung einer Steuerung würde sich zukünftig weiterentwickeln. Im Klartext: Eine Steuerung kann nur dann erfolgen, wenn der Haushalt einen intelligenten Stromzähler besitzt. Ein solcher digitaler Zähler verfügt über die nötige Datenkommunikation mit dem Netzbetreiber. Dieser muss vor einem Eingriff wissen, wie viel und welchen Strom ein Haushalt aktuell verbraucht und möglicherweise selbst generiert. Erst dann kann dieser die Stromzufuhr exakt und unter Berücksichtigung des regulären Hausstroms begrenzen. Ein analoger Zähler kann diese Datenkommunikation nicht leisten.

Weiter sagte Wulff: „Für Fälle, in denen nachweislich keinerlei technische Möglichkeit zur Steuerung besteht, sieht die Festlegung entsprechende Sonderregelungen vor.“ Welche Sonderregelungen das genau sind, konnte sie uns jedoch nicht mitteilen.

Was ist mit selbst produziertem Strom?

Nach den neuen Regelungen dürfen die Netzbetreiber nur den Strom reduzieren, den der Verbraucher vom öffentlichen Stromnetz bezieht. Wer also eine Photovoltaikanlage oder eine andere Form der Stromgewinnung besitzt, hat im Ernstfall mehr Freiheiten. Laut der Behörde kann durch den technologieoffenen Ansatz die Leistung mehrerer Anlagen im Haushalt mithilfe von Energiemanagementsystemen verrechnet werden.

Eine Wallbox darf also beispielsweise im Falle einer Netzbetreibersteuerung mehr Strom beziehen, wenn dieser vom eigenen Stromerzeuger bezogen wird. Lediglich der zulässige Strombezug aus dem Verteilernetz darf nicht überschritten werden.

Eingeständnis der Behörde?

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, geht davon aus, „dass Eingriffe des Netzbetreibers die zwingende Ausnahme bleiben.“ Sollte es dennoch nötig sein, wäre dies seiner Ansicht nach trivial. „Die Verbraucher werden Eingriffe meist kaum bemerken, da ein Basisbezug an Strom gesichert wird. Wenn Engpässe auftreten, muss das Netz ausgebaut werden. Darauf werden wir achten“, sagte Müller weiter.

Die Bundesnetzagentur gibt zu, dass „der größte Teil der Niederspannungsnetze aktuell allerdings noch nicht auf einen schnellen Hochlauf [dieser Verbraucher] ausgelegt ist.“ Das Netz sei nur in der Lage, „einzelne neue Anwendungen aufzunehmen“. Somit müsse der Ausbau und die Digitalisierung der Stromnetze „in einem hohen Tempo“ erfolgen.



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