„Nicht als Lobbyarbeit begriffen“: Gabriel verteidigt Beratertätigkeit für Fleischkonzern Tönnies

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seine Beratertätigkeit für den Fleischkonzern Tönnies verteidigt. "Ich kann an dem Beratungsverhältnis mit einem großen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen", sagte Gabriel am Donnerstag dem "Spiegel".
Titelbild
Sigmar GabrielFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times2. Juli 2020

„Tönnies macht nichts Verbotenes. Wozu machen wir eine Cooling Down Phase, in der man als Ex-Politiker nichts machen darf, wenn man danach noch so behandelt wird, als sei man im Amt?“, fragte der ehemalige SPD-Chef.

Gabriel verteidigte auch das von Tönnies gezahlte Gehalt in Höhe von angeblich 10.000 Euro monatlich. „Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld“, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister. „Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr.“

Gabriel betonte, er habe die Tätigkeit für Tönnies „nicht als Lobbyarbeit begriffen“ und tue es auch heute noch nicht. „Die Firma Tönnies fürchtete, wegen der afrikanischen Schweinepest bestimmte Produkte nicht mehr nach Asien exportieren zu können, und ich habe mich bemüht zu klären, welche Handelsrestriktionen geplant sind und was man tun muss, um die Exportgenehmigungen weiterhin zu bekommen.“

Als Wirtschaftsminister habe er mit der Firma Tönnies „eher Konflikte“ gehabt als ein freundschaftliches Verhältnis, fügte Gabriel hinzu. „Wenn es etwas gibt, worüber ich mich ärgere, ist es, dass die, die damals nichts gemacht haben, heute so tun, als würden sie zum ersten Mal merken, dass da ein Problem ist.“

Er habe als Wirtschaftsminister unter anderem einen Branchenmindestlohn durchgedrückt und habe das getan, was zu dieser Zeit möglich gewesen sei, betonte Gabriel. „Ich hätte mir damals Unterstützung gewünscht von denen, die heute neunmalkluge Kritik üben.“

Kritik am Beratervertrag

Die Kritik der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an seiner Beratertätigkeit für Tönnies wies Gabriel scharf zurück. „Mich wundert das nicht. So sind sie halt. Beide gehören auch zu denen, die heute laut Kritik üben, sich damals aber keinen Deut um die Fleischindustrie gekümmert haben. Ich kann das nicht wirklich ernst nehmen.“

Esken und Walter-Borjans hatten zuvor in einem Statement für das Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärt, ehemalige SPD-Vorsitzende seien der Partei „keine Rechenschaft schuldig, wenn sie nach ihrer aktiven Zeit Tätigkeiten für andere aufnehmen“. Die beiden SPD-Vorsitzenden fügten hinzu: „Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält.“

Niedersachsens SPD-Chef Weil erklärte in Hannover, seit langem sei bekannt, dass Tönnies „wie kaum ein anderes Unternehmen für die unhaltbaren Verhältnisse in der Fleischindustrie steht“. Umso unverständlicher sei, dass Gabriel „einen solchen Beratervertrag abgeschlossen hat“. Die SPD habe keine Möglichkeit, auf das Verhalten Gabriels als Privatmann Einfluss zu nehmen. „Der politische Schaden für die SPD ist jedoch unbestreitbar.“

Auch Nordrhein-Westfalens SPD-Chef Sebastian Hartmann sagte dem RND, Gabriels Engagement als Tönnies-Berater widerspreche sozialdemokratischen Werten und sei angesichts „seines Wissens um und seine vorherige Kritik an den unsäglichen Arbeitsbedingungen völlig inakzeptabel“.

Linkenchef Bernd Riexinger warf Gabriel im RND vor, dieser habe „keine Skrupel, als Sozialdemokrat für einen der größten Ausbeuter zu arbeiten“. „Es passt auch ins Bild, dass man von ihm nichts gehört hat zu Werkverträgen und zur Vernachlässigung von Schutzbestimmungen.“ (afp/sua)



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