Pistorius‘ Alptraum: Teure Pleiten, Pech und Pannen bei der Bundeswehr

Die Bundeswehr steht vor einem teuren Debakel: Die 1,3 Milliarden Euro teuren digitalen Funkgeräte, die für Tausende Fahrzeuge gedacht waren, passen nicht wie geplant und erfordern aufwändige technische Anpassungen. Nicht das erste Beschaffungsdesaster bei der Armee. Der Bundesrechnungshof findet deutliche Worte in Richtung Bundesregierung.
Verteidigungsminister Boris Pistorius nach dem neuen Spionage-Fall: «Wir sind hellwach»
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht vor seinem ersten Rüstungsdesaster.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 30. September 2023

Die aktuellste Panne bei der Bundeswehr klingt wie ein Schildbürgerstreit: Insgesamt 1,3 Milliarden Euro hat die Bundeswehr für digitale Funkgeräte ausgegeben. Diese sollen ursprünglich in Panzer, Gefechtsfahrzeuge und Lastwagen eingebaut werden. Insgesamt bis zu 34.000 Fahrzeuge sollen so ausgerüstet werden. Seit Januar werden die Geräte des Unternehmens Rohde & Schwarz an die Bundeswehr geliefert. Wie die Tageszeitung „Welt“ nun berichtet, können die Funkgeräte auf lange Sicht nicht eingebaut werden. Damit hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sein erstes Rüstungsdesaster. Verrotten die Geräte nun im Depot der Bundeswehr?

Nur ein Problem der Verspätung?

Pistorius ist ziemlich angefressen, versucht aber das Problem in der Öffentlichkeit herunterzuspielen. Am letzten Montag weilte der Minister in Riga und traf sich mit seinem lettischen Amtskollegen. Auf der Pressekonferenz holt ihn das Thema Funkgeräte dann ein. „Es verrottet nichts und es verstaubt auch nichts“, sagt der SPD-Politiker. Es seien erst rund 400 Geräte eingetroffen, die nun in den Depots liegen. Die Beschaffung als solche stehe hier nicht infrage. Wenn es nun heiße, man habe die falschen Funkgeräte angeschafft, „dann könnte die Meldung falscher nicht sein.“ Hier entstehe kein Schaden. „Das einzige Problem ist die Verspätung“, so Pistorius. Der „Spiegel“ zitierte in der vergangenen Woche aus einem internen Schreiben aus dem Verteidigungsministerium, das eine andere Sprache spricht. Wie das Ministerium in dem Schreiben einräumt, seien nun „deutliche technische Eingriffe in einzelne Systeme“ nötig, um das Projekt noch umzusetzen. In den Fahrzeugen müssten etwa Lichtmaschinen und die Kühlung zum Einbau der neuen Systeme angepasst werden.

Desaster mit Ansage

Das Problem scheint mit Ansage auf die Bundeswehr zugekommen zu sein. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sebastian Schäfer will vor der Bestellung der Funkgeräte gewarnt haben. „Der Haushaltsausschuss hatte mit Maßgaben und Hinweisen die Probleme, die sich jetzt zeigen, frühzeitig adressiert“, sagt der Grünen-Berichterstatter für den Etat des Wehrressorts im Haushaltsausschuss dem „Spiegel“. „Die Pleite beim Einbau der digitalen Funkgeräte kommt nicht überraschend. Umso peinlicher ist sie für das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr“, so Schäfer. Auch Pistorius‘ Parteigenosse, der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz, scheint früh gespürt zu haben, dass mit der Anschaffung der Funkgeräte ein Problem auf die Bundeswehr zukommen könnte. Am 14. Dezember 2022, noch unter Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), war der Auftrag an Rhode & Schwarz vergeben worden. Bereits sechs Tage nach der Vergabe an das Unternehmen hatte der SPD-Haushaltsexperte Schwarz neun bohrende Fragen an das Verteidigungsministerium gestellt. Es gebe bis zu 200 verschiedene Modelle, wo erst einmal klar sein müsse, wie und an welcher Stelle das Gerät eingebaut werden kann. „Und wie wird die Montage bei mindestens 13.000 Fahrzeugen organisiert?“, fragt Schwarz. Bei den 13.000 Fahrzeugen bezieht sich der SPD-Mann auf die 10. Panzerdivision, die sogenannte „Kanzler-Division“. Diese soll ab Ende des kommenden Jahres der NATO als einsatzfähiger Großverband zur Verfügung stehen. Das hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der NATO nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges versprochen, daher auch der Name des Verbandes. Der Einbau der Funkgeräte spielt für die Einsatzfähigkeit des Verbandes für die NATO eine wichtige Rolle.

Immer wieder holpert es bei der Bundeswehr

Die neueste Posse um teure hochmoderne und digitale Funkgeräte, die nicht in die vorgesehenen Fahrzeuge passen, ist nicht die einzige Panne bei der Bundeswehr in den vergangenen Jahren. Funkgeräte, Gewehre oder Drohnen – immer wieder läuft es bei der Armee holprig. So war es 2015 beim damaligen Bundeswehr-Standardgewehr G36, das sich damals zum Problemfall entwickelte. Feuert ein Soldat längere Zeit, erhitzt sich der Lauf so, dass die Waffe nicht mehr sicher trifft. Vor allem in klimatisch heißen Räumen wie damals Afghanistan war dieses Problem deutlich geworden. Das Gewehr wurde nach jahrelanger Nutzung von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgemustert. Kurz zuvor, im Jahr 2013, hatte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit dem ehrgeizigen Drohnenprojekt „Euro Hawk“ eine Bruchlandung hingelegt. Jahrelang hatte die Bundeswehr an einem unbemannten Flieger tüfteln lassen, rund 600 Millionen Euro Steuergeld flossen, um die Truppe mit einem eigenen fliegenden Auge auszustatten. Die ständigen Kostensteigerungen bei der Entwicklung sah sich de Maizière ziemlich lange an. Dann der Schlag ins Gesicht: Die hochmoderne Aufklärungsdrohne Euro Hawk, fast so groß wie ein Passagierjet, würde wohl nie fliegen, de Maizière entschied: besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. 500 Millionen Euro waren bis dahin in das Projekt investiert worden. Die lange Latte der Beschaffungsdesaster der Bundeswehr ließe sich fortsetzen. Bedenken hat daher auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht zum Wirtschaftsplan für das „Sondervermögen Bundeswehr“ an den Haushaltsausschuss des Bundestags geäußert.

Rechnungshof mahnt „vernünftige Bedarfsplanung“ an

Es geht um das 100-Milliarden-Sondervermögen, das auf Beschluss des Bundestages in die Bundeswehr investiert werden soll. Der Rechnungshof mahnt deshalb einen verantwortungsvollen Umgang mit den Geldern an. Schon im vergangenen Jahr hatte der Präsident des Rechnungshofs Kay Scheller auf einer Pressekonferenz seine Bauchschmerzen formuliert. Wie das „Handelsblatt“ damals berichtete, sagt er vor der Presse: Die Bundesregierung müsse „bei jedem Verteidigungseuro gut überlegen, gut planen und dann investieren.“

Um die zusätzlichen Milliardensummen effektiv nutzen zu können, komme es mehr denn je auf eine vernünftige Bedarfsplanung an, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofs damals. Außerdem müsse die Priorität auf Maßnahmen gelegt werden, die auch tatsächlich die Einsatzbereitschaft verbesserten. Als Beispiel nannte Scheller damals die Anschaffung völlig überteuerter Tankschiffe für die Marine. Statt kostengünstiger Tanker auf dem Markt zu kaufen, habe die Bundeswehr Kriegsschiffe bestellt, die als Tanker genutzt werden sollen. Es sei damals um „Standortpolitik“ gegangen, so der Präsident. Die Schuld für solche Geldverschwendungen sah Scheller damals nicht beim Beschaffungsamt in Koblenz. Dieses sei „nicht so schlecht ist, wie es oft gemacht wird“. Aber durch politische Einflussnahme, personelle Wechsel auf Ebene der Inspekteure oder übertriebene Forderungen würden Rüstungsprojekte zu oft überfrachtet. Dass die obersten Rechnungsprüfer nur weitere Geldverschwendungen bei der Bundeswehr befürchten, liegt mit dem Blick auf die Vergangenheit nahe. Wie soll es in Zukunft mit teuren Anschaffungen funktionieren, wenn sich regelmäßig schon verhältnismäßig kleinere Anschaffungen zu einem Desaster entwickeln? Fragen, die sich sicherlich nicht nur der Bundesrechnungshof stellt.



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