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Realschullehrer zum Bildungsgipfel: Keine weitere Nivellierung nach unten, keine Zentralisierung

Endlich handeln und Bildung für die Zukunft aufstellen – das fordert der Verband der Realschullehrer vom heutigen Bildungsgipfel mit Kanzlerin Merkel. Die Lehrer verlangen, die Corona-Krise nicht für erneute Bestrebungen zur Zentralisierung und Vereinheitlichung der differenzierten Bildungsangebote zu benutzen.

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Schule der Zukunft?

Foto: iStock

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„Die IT-Strukturen an den Schulen und im Bildungswesen haben weit mehr als nur mit Bildungshoheit zu tun!“, kommentiert Jürgen Böhm, Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer den Bildungsgipfel, zu dem Angela Merkel am Montag alle Kultusminister der Länder ins Kanzleramt bestellt.
Bei der Umsetzung einer erfolgreichen Digitalisierung gehe es um wesentlich mehr als um die Forderung nach Ausstattung, die schon längst hätte stattfinden müssen. „Es geht hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die bester Rahmenbedingungen und transparenter Finanzierung bedarf“, erläutert Böhm.
Die Digitalisierung in der Bildung müsse endlich zuverlässig und nachhaltig sichergestellt werden. Es könne nicht sein, dass Bundesmittel nicht abgerufen würden, weil Bürokratie und Pseudo-Konzepte die Schulen vor Ort ausbremsen oder weil die Sachaufwandsträger Angst vor den Folgekosten haben.
„Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, schnell und unbürokratisch handeln zu können. Sonntagsreden und ideologiebeladene Strukturdiskussionen dürfen den Weg nicht länger versperren. Die Corona-Krise darf nicht dafür herhalten, Bestrebungen zur Zentralisierung und Vereinheitlichung differenzierter Bildungsangebote den Steigbügel zu halten!“, so Böhm weiter.

Hintergrund: Einige plädieren für bundesdeutsche Einheitsschule

Im Hintergrund der Diskussionen lauert das Kooperationsverbot der Bundesländer in der Bildung. Einige politische Kreise versuchen seit Jahren, es zu kippen. Denn das Kooperationsverbot hat eine oftmals unbeachtete Auswirkung auf die Politik: Es macht Bildung vergleichbar und setzt Politiker einem Wettbewerb aus.
Dezentrale Bildungspolitik erlaubt, Bildung an die regionalen und lokal unterschiedlichen Bedingungen anzupassen. Eltern in Berlin könnten beobachten, wie schlecht ihre Schulen im Vergleich mit Bayern sind – und mit diesem Wissen ihre Politiker unter Druck setzen.
Länder schneiden in internationalen Bildungsvergleichen mit zunehmender Dezentralisierung des Bildungssystems besser ab, wie eine OECD-Studie nachwies (Fredriksen; 2013). Zentralisierung in der Bildung hätte ähnliche Auswirkungen wie Zentralisierung in der Landwirtschaft: industrielle Produktion statt kleine Höfe.
„Zentralismus aus Berlin schwächt die Vielfalt unseres Bildungssystems“, erklärte Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, im Jahr 2018. „Wir wollen weder kurz- noch mittel- oder langfristig eine bundesweite Einheitsschule.“
Nach Ansicht der Fachleute an den Schulen sollte die wirkliche Qualität der einzelnen Schulabschlüsse untersucht werden und die Vielfalt der Bildungswege garantiert werden. Gerade der Bildungsföderalismus sei eine Stärke Deutschlands.
„Es gibt ja bereits bundesweite Vergleichsaufgaben und Aufgabenpools, die in Abschlussprüfungen für eine messbare Vergleichbarkeit sorgen sollen. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren gerade hier das größte Problem in der praktischen und politischen Umsetzung gezeigt. Quote ist nicht immer Qualität“, betont Jürgen Böhm vom Verband der Realschullehrer.
Schwächere deutsche Länder dürften sich gern an der Qualität der bildungsstarken Länder orientieren, erklärt der Dachverband. Eine Nivellierung nach unten – wie es eine Zentralisierung hervorrufen würde – sei nicht zweckdienlich.

Digitalisierung realistisch und pädagogisch sinnvoll einsetzen

Bei aller Brisanz in der Herstellung der Rahmenbedingungen müsse immer die Bildungsqualität im Mittelpunkt stehen. „Digitalisierung muss man realistisch und zukunftsgerecht durchführen. Sie muss pädagogisch sinnvoll um- und eingesetzt werden und beim Schüler ankommen“, fordert der Bundesvorsitzende.
„Zentralistische Bildungsstrukturen mit einem wie auch immer nicht legitimierten Bildungsrat an oberster Stelle wären ein Rückschritt in der Bildungspolitik, eine Nivellierung nach unten und eine klare Absage an den Bildungsföderalismus, den das Grundgesetz zu Recht schützt und garantiert. Ein rein universitär dominierter Bildungsrat, der nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen soll, kann in keiner Weise unser Land und unsere Bildung nach vorn bringen oder weiterentwickeln.“
Die auch durch „Corona medial angeheizte Diskussion nach Gleichmacherei und Vereinheitlichung wird nicht zu einem Anstieg in der Qualität und Leistung unseres Bildungssystems führen, sondern sich ganz im Gegenteil am untersten Niveau und an falschen Normen orientieren.“

Bildung ist Sache der Bundesländer

Im Grundgesetz ist festgelegt, dass der Bund in Deutschland nicht in die förderale Bildungspolitik eingreifen darf, Bildung ist Sache der Bundesländer. Das Kooperationsverbot wurde nach dem 2. Weltkrieg beschlossen und basiert auf den Erfahrungen mit der Zentralisierung der Bildung in Deutschland bis 1945. Der Bund nimmt jedoch über finanzielle Mittel bereits Einfluss auf die Bildungspolitik.
Der Verband der Realschullehrer vertritt auf Bundesebene die Interessen der Lehrkräfte an Realschulen und Sekundarschulen. Er setzt sich ein für den Erhalt und Ausbau des mehrgliedrigen Schulsystems in öffentlicher und privater Trägerschaft mit den Realschulen als tragender mittlerer Säule. Dem Lehrerverband, zu dem er ebenfalls gehört, gehören rund 160.000 Lehrkräfte an.
Kathrin Sumpf schreibt für Epoch Times seit über zehn Jahren über aktuelle Themen, darunter Politik und Ausland. Sie hat einen facettenreichen Hintergrund in der Erwachsenenbildung und als Supervisorin.

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