Spahn verteidigt mögliche Zusammenarbeit mit Meloni: „Brandmauer in Europa verläuft rechts von ihr“

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn hat in einem Interview eine mögliche Mitte-Rechts-Zusammenarbeit nach den EU-Wahlen verteidigt. Die „Brandmauer“ gegen rechts verlaufe auf europäischer Ebene rechts von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. In diesem Kontext könnte auch Le Pens Trennung von der AfD gesehen werden.
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Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom, 6. November 2023.Foto: TIZIANA FABI/AFP via Getty Images
Von 22. Mai 2024

Im EU-Parlament könnte es nach den bevorstehenden Wahlen am 9. Juni erstmals zu einer Mitte-Rechts-Kooperation zwischen der konservativen EVP und weiter rechts angesiedelten Parteien kommen. Darauf deuten jüngste Entwicklungen innerhalb bestehender rechtsgerichteter Fraktionen im Europaparlament ebenso hin wie Äußerungen einflussreicher konservativer Politiker.

Führende Persönlichkeiten der Union umgarnen Meloni

In einem Gespräch mit „Euractiv“ verteidigte der Unions-Fraktionsvize im Bundestag, Jens Spahn, eine mögliche Zusammenarbeit mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. Die sogenannte Brandmauer gegen rechts verlaufe rechts von Meloni, machte er deutlich.

Bereits zuvor wollten EVP-Fraktionschef Manfred Weber und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine engere Kooperation mit Meloni nach den Wahlen nicht ausschließen. CSU-Chef Markus Söder besuchte Meloni Anfang des Monats in Rom.

Die „Fratelli d’Italia“, Melonis Regierungspartei, steht formal in der Kontinuität des neofaschistischen „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Dieser wurde von früheren Funktionären der „Republik von Salò“ gegründet, die von 1943 bis 1945 bestanden hatte. In den 1990er-Jahren wandelte deren Parteichef Gianfranco Fini den MSI in die rechtskonservative „Alleanza Nazionale“ (AN) um und ging auf Distanz zu deren faschistischen Wurzeln. Die „Fratelli“ wiederum stellen eine Nachfolgepartei der AN dar.

Ausrichtung muss „pro-europäisch, pro-NATO, pro-Rechtsstaat und pro-Ukraine“ sein

Gegenüber „Euractiv“ wies Spahn darauf hin, dass die Ministerpräsidentin bereits seit ihrem Amtsantritt im Herbst 2022 mit allen anderen 26 EU-Regierungschefs reibungslos zusammenarbeite. Er habe dabei „noch niemanden gehört, der gesagt hat, dass man mit ihr aus ideologischen Gründen nicht zusammenarbeitet“.

Europa sei zudem „insgesamt so mitte-rechts wie lange nicht“. Es stelle sich daher die Frage, warum man „also nur mit linken und grünen Parteien zusammenarbeiten“ solle. Die Koordinaten der sogenannten Brandmauer würden durch eine Ausrichtung markiert, die „pro-europäisch, pro-NATO, pro-Rechtsstaat und pro-Ukraine“ sei.

In gleicher Weise hatte sich zuvor auch Weber geäußert. Die „Fratelli d’Italia“ sind zurzeit Teil der Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR), die vor dem Brexit von den britischen Konservativen gegründet wurden.

Darin sind sie nach der früheren polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und vor der spanischen „Vox“ die zweitstärkste nationale Partei. Neben rechtskonservativen Formationen befinden sich allerdings auch als extrem geltende Parteien wie die bulgarische IMRO oder die französische „Reconquête“ mit im Boot.

Bedenken der Sozialdemokraten laut Spahn nur „Schreckgespenst“

Spahn weist die vor allem aus den Reihen der europäischen Sozialdemokraten vorgebrachten Vorwürfe eines „Tabubruchs“ zurück. Diese, so der Unionspolitiker, seien die Konsequenz der Nervosität innerhalb der S&D-Fraktion. Sowohl die deutsche Spitzenkandidatin Katarina Barley als auch der EU-Spitzenkandidat Nicolas Schmit seien „absolut unbekannt“. Dies mache einen Erfolg unwahrscheinlich:

„Uns eine drohende Zusammenarbeit mit Rechtsextremen zu unterstellen, ist das letzte Schreckgespenst, woran sich die linken Parteien in ihrer Not noch klammern.“

Für Spahn sollen inhaltliche Übereinstimmungen bei Mehrheitsbildungen im EU-Parlament den Ausschlag geben. So solle künftig ein „Growth Deal“ an die Stelle des „Green Deals“ treten. Zudem wolle er stärker gegen den „reaktionären islamistischen Fundamentalismus“ vorgehen. Dieser stelle „in manchen europäischen Städten mittlerweile eine immer größere Bedrohung für Freiheit und Bürgerrechte dar“.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen solle sich im EU-Parlament nicht auf die Grünen stützen. Am besten seien Absprachen mit Sozialdemokraten oder Liberalen. Auf die Grünen solle man jedoch nicht zugehen, da diese im Europaparlament „sehr dogmatisch und ideologisch unterwegs“ seien.

Tauwetter zwischen Meloni und Le Pen

Derzeit spricht zudem vieles dafür, dass sich in der bisherigen Zusammensetzung der bestehenden Fraktionen im EU-Parlament einiges ändern wird. Dies betrifft nicht zuletzt die Fraktionen der Rechten.

Wie „Euractiv“ weiter berichtet, soll es auch zu einer Annäherung zwischen Meloni und der Chefin des französischen „Rassemblement National“ (RN), Marine Le Pen, gekommen sein. Am Montag, 20.5., habe Meloni demnach in einem TV-Interview erklärt, die „unnatürliche“ Allianz zwischen Konservativen und Mitte-Links auf EU-Ebene müsse enden. Sie wolle stattdessen „Parteien vereinen, die in ihrer Vision kompatibel sind, obwohl sie völlig unterschiedliche Nuancen haben“.

Dieser Wink mit dem Zaunpfahl war auch an die derzeitige ID-Fraktion gerichtet. Dort stellen Italiens Lega und der französische RN die größten nationalen Kontingente. Am Sonntag hatte Le Pen erklärt, es gebe „gemeinsame Punkte mit Meloni“. Zudem gehe es „nicht um Einzelpersonen, sondern um die Freiheit“. Diese liege sowohl Meloni als auch Salvini am Herzen. Es bestehe „kein Zweifel, dass es Übereinstimmungen für die Freiheit der in Europa lebenden Menschen gibt“.

Bruch zwischen RN und AfD in Etappen

Einen Beitrag zur Begradigung der „Brandmauer“ hat Marine Le Pen dabei offenbar am Dienstag gesetzt. In Reaktion auf eine Äußerung von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah gegenüber „La Repubblica“, die als apologetisch gegenüber der Waffen-SS wahrgenommen wurde, hat der RN die Brücken zur bisherigen Partnerpartei abgebrochen.

Bereits zuvor galt das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen in der ID-Fraktion als angespannt. Marine Le Pen hatte an der Verwendung des Begriffs der „Remigration“ Anstoß genommen. Dieser war unter anderem im Kontext des Treffens von Potsdam vom November 2023 gefallen, über das im Januar die Plattform „Correctiv“ berichtet hatte.

Weitere Unstimmigkeiten hatte es auch bereits gegeben, als die Bundestags-AfD in einer Anfrage über „deutsche Doppelstandards“ das französische Départment Mayotte ins Spiel gebracht hatte. Die UNO hatte Frankreich aufgefordert, diese an die Union der Komoren zurückzugeben, obwohl die Bewohner sich für einen Verbleib bei Frankreich ausgesprochen hatten. Im Unterschied zur Krim, so der Tenor der AfD-Anfrage, respektiere Deutschland hier eine international nicht anerkannte Abstimmung.



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