Stadtrat in Weißwasser einstimmig gegen Abschiebung eines gut integrierten Flüchtlings

In Weißwasser gehen Bürger und der gesamte Stadtrat einschließlich der AfD gegen die drohende Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers auf die Barrikaden. Am 25. April läuft die Duldung für den als Fleischer arbeitenden Venezolaner Heberth Alvarado aus.
Mit einem glücklichen Grinsen und etwas Stolz in seinen Augen nimmt Armin Schuster seine Berufungsurkunde zum Innenminister entgegen. Er sitzt ab sofort im Landtag von Sachsen.
Sachsens Innenminister Armin Schuster.Foto: Robert Michael/dpa
Von 10. April 2024

In Weißwasser kämpft eine Stadt gegen eine Abschiebung. Im Oktober 2022 ist Heberth Alvarado aus Venezuela nach Deutschland gekommen – zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren sechsjähriger Tochter. Mittlerweile erwartet das Paar auch ein gemeinsames Kind.

Alvarado hat einen Asylantrag gestellt und darauf verwiesen, dass sein Vater in der von Armut und Kriminalität heimgesuchten kommunistischen Diktatur gegen Korruption kämpfe. Seine Familie sei deshalb bedroht worden. Obwohl es als gesichert gilt, dass sogenannte „Colectivos“ in Venezuela systematisch Jagd auf Regimegegner machen, sahen Asylbehörden einen individuellen Asylgrund nicht als nachgewiesen.

Alvarado pendelt von Weißwasser zur Arbeit nach Spremberg

Im April 2023 nahm Alvarado in der Fleischerei Kadach im nahe gelegenen Spremberg eine Arbeit an. Eine abgeschlossene Ausbildung hat er nicht, allerdings hatte er sich seit seinem 13. Lebensjahr weitreichende Kenntnisse in der Fleischerei seines Großvaters angeeignet. Dies hatte zur Folge, dass die Fleischerei Alvarado als wertvolle Stütze ihres Betriebes betrachtet und auch die Kunden mit seiner Arbeit zufrieden sind.

Rathaus Weißwasser

Rathaus von Weißwasser. Foto: Von I, Dergenaue, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2484294

Dennoch erreichte den Venezolaner im August des Vorjahres ein Abschiebebescheid. Obwohl die Härtefallkommission ein Bleiberecht empfahl, lehnte das Innenministerium in Dresden ein solches ab. Am 25. April endet die Duldung des 29-Jährigen und seiner Familie – und sie müssen damit rechnen, dass ihr Aufenthalt zwangsweise beendet wird.

Gegenüber der „Sächsischen Zeitung“ begründete das Innenministerium sein Vorgehen damit, dass die Härtefallregelung in Alvarados Fall nicht greife. Er sei erst kurze Zeit im Land und verfüge auch nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse. Zudem sei eine Beschäftigung in einer Branche mit Fachkräftebedarf kein hinreichender Grund für ein Bleiberecht – zumal er die formale Qualifikation nicht nachweisen könne.

„In Weißwasser froh über jede gut integrierte Familie“

Das Ministerium riet dem Betroffenen, mit der Ausländerbehörde Kontakt aufzunehmen, um mögliche Bleiberechtsperspektiven auszuloten. Der Beginn einer Ausbildung wäre eine solche Option. Sowohl die Fleischerei als auch Alvarado selbst sehen diese nur als allerletzten Ausweg – immerhin wäre mit dem Bezug einer bloßen Ausbildungsvergütung ein finanzieller Abstieg verbunden.

Aus der Politik kommen in ungewohnter Einheitlichkeit kritische Töne bezüglich des Vorgehens. Juliane Nagel von der Linkspartei wittert hinter dem Vorgehen des Ministeriums einen „Kotau vor der extremen Rechten“. Man wolle im Landtagswahljahr mit der Brechstange die Zahl der Abschiebungen erhöhen. Innenminister Armin Schuster erklärte demgegenüber, die Abschiebung Alvarados habe keine Priorität, weil zuerst straffällige Ausreisepflichtige außer Landes geschafft werden sollten.

Im Stadtrat von Weißwasser war man sich einig, alle Register ziehen zu wollen, um den venezolanischen Fleischer in Deutschland behalten zu können. Robert Seidel von der Liste „Klartext“ verwies auf den „Knochenjob in einer Branche mit enormem Fachkräftemangel“, den Alvarado mache.

Seine Familie habe sich gut eingelebt, die Tochter besuche in Weißwasser den Kindergarten. Eine Abschiebung hätte eine „katastrophale Außenwirkung“. Man müsse in einer „schrumpfenden und überalterten Stadt wie Weißwasser […] froh über jede gut integrierte Familie und Kinder“ sein. Von der Linken bis zur gemeinsamen Fraktion von CDU und SPD stößt er auf einhellige Zustimmung. Auch AfD-Fraktionschef Hermann Holdt machte mit Blick auf Alvarado deutlich: „Wir wollen, dass er bleibt“, und kritisierte die Ungewissheit für die Betroffenen.

OB Pötzsch bringt mögliche weitere Duldung ins Spiel

Am Ende wurde im Namen aller Stadträte einstimmig ein Antrag an OB Torsten Pötzsch (Klartext) gerichtet. Dieser wurde darin aufgefordert, sich beim sächsischen Innenminister für das Bleiberecht einzusetzen – und beim Landrat für eine entsprechende Unterstützung der Zukunftsperspektive.

Pötzsch machte deutlich, dass die Ablehnung des Härtefallantrages noch nicht gleichbedeutend mit einer Abschiebung sei. Es sei eine rechtliche Prüfung gewesen, die Empfehlung der Härtefallkommission bleibe dennoch aufrecht. Es bestehe die Option einer weiteren Duldung, wie die Familie sie bereits seit dem 26. Oktober 2023 in Anspruch nehmen könne. Seine eigene Position machte OB Pötzsch in der Ratssitzung ebenfalls deutlich:

„Ich bin der Auffassung, wenn jemand hier ist, selber arbeitet und nicht auf Kosten des Staates lebt, dann ist das der richtige Weg. Und das sollten wir unterstützen.“



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