Nach Taurus-Schlappe der Union: SPD könnte Friedenspolitik als Erfolgsthema wiederentdecken

Am Donnerstag endete bereits der zweite Versuch der Union, FDP und Grüne für eine Taurus-Lieferung an die Ukraine aus der Koalitionsdisziplin zu holen, mit einem Fiasko. Unterdessen nimmt die SPD ihren Fraktionschef Mützenich gegen Angriffe von Eskalationspolitikern in Schutz.
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen.
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen.Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa
Von 18. März 2024

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Nach der erneuten Schlappe der Union bei der Abstimmung im Bundestag über sofortige Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist mit einem weiteren Anlauf vorerst nicht zu rechnen.

Nur 190 Abgeordnete hatten am Donnerstag, 14. März, für die entsprechende Forderung von CDU und CSU gestimmt – und damit weniger, als die Union Sitze im Bundestag hat. In der Debatte hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Begriff des „Einfrierens“ des Krieges verwendet – und damit in ein Wespennest gestochen.

CDU/CSU: Nur zwei Ampelabgeordnete gewonnen – sechs stimmten nicht für Parteilinie

Am Ende war es der Union lediglich gelungen, zwei Abgeordnete aus der Koalitionsdisziplin herauszubrechen. Wie bereits vor einigen Wochen bei einem ersten entsprechenden Versuch hatte die selbsternannte „Oma Courage“ der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, mit CDU und CSU gestimmt. Wie bereits im Vorfeld angekündigt, hatte diesmal auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki für die Taurus-Lieferungen votiert.

Im Gegenzug stimmten jedoch drei Unionsabgeordnete gegen den Antrag und drei weitere enthielten sich. Während die CSU-Politikerin Emmi Zeulner gegenüber „table.media“ erklärte, „aus Versehen“ gegen die Lieferung votiert zu haben, standen die CDU-Abgeordneten Jens Koeppen und Mario Czaja zu ihrer abweichenden Position.

Koeppen sprach von einer „Eskalationsgefahr“, Czaja erklärte in einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“, er habe in seiner Fraktion schon zuvor seine Position deutlich gemacht. Er halte es für unverantwortlich,

der Ukraine eine Angriffswaffe zu liefern, die den Krieg weiter eskalieren lassen könnte und die mit bis zu 500 Kilometer Reichweite dazu geeignet ist, auf russischem Boden zivile Opfer zu verursachen.“

SPD-Fraktionschef Mützenich wird zum Buhmann

Die Union hätte, um eine Zustimmung zu ihrem Vorstoß zu erreichen, die gesamte Fraktion der Grünen und mehr als die Hälfte der FDP-Abgeordneten aus der Koalitionsdisziplin herausbrechen müssen. Das wäre einem Ende der Ampel gleichgekommen.

Stattdessen stimmten 495 Abgeordnete gegen die Lieferung, fünf enthielten sich. In den Reihen der Grünen und der FDP kostete es vielen Parlamentariern Überwindung, nicht mit der Union mitzugehen. Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sprach von einem „Schaufensterantrag“. Gleichzeitig mahnte sie jedoch auch Bundeskanzler Olaf Scholz:

Auch Zögern und Zaudern kann am Ende zur Eskalation beitragen.“

Aus den Reihen der Lieferungsbefürworter reagierten in weiterer Folge einige ihren Frust an SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ab. Dieser hatte in der Debatte zwar auf die umfangreiche Unterstützung der Ukraine durch Deutschland hingewiesen und diese ausdrücklich gutgeheißen.

Westliche Position nicht die einzig legitime Sichtweise?

Allerdings hat er auch aus Sicht seiner Kritiker einen Tabubruch begangen, indem er von einem möglichen „Einfrieren“ des Krieges sprach. Diesen Begriff hatte zuvor auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verwendet.

Klingbeil hatte in seinem Debattenbeitrag darauf hingewiesen, dass „viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg“ hätten. Deshalb müsse man die Frage stellen, wie man auch diese davon überzeugen könne, zu einem Ende des Krieges beizutragen.

Wörtlich warf der SPD-Fraktionschef die Frage auf: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“

FDP-Vize bemüht Verschwörungserzählung über „Geheimplan“ zum Aushungern Kiews

In der „Rheinischen Post“ erklärte Mützenich später zwar, dass „Russland diesen Krieg nicht gewinnen“ dürfe. Auch wolle er keinesfalls von einer „Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim“  reden. Dennoch rege er an, „nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“.

Er wies auf eine Vielzahl an „eingefrorenen“ Konflikten in der Welt hin – von Zypern über Südossetien und Transnistrien bis hin zu Korea. FDP-Fraktionsvize Georg Link warf Mützenich daraufhin vor, mit der Verwendung des „Unwortes“ vom Einfrieren des Konflikts zusammen mit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz eine „außenpolitische Zäsur“ zu verkörpern.

Im „Tagesspiegel“ äußerte er zudem, Scholz und Mützenich würden „immer nur gerade so viel helfen, dass sie momentan nicht untergeht“. Damit greift Link eine im November des Vorjahres von „Bild“ verbreitete Verschwörungserzählung auf. Dieser zufolge gibt es einen „Geheimplan“, an dem Scholz und US-Präsident Joe Biden beteiligt seien.

Diese wollten die Ukraine immer nur so weit mit Waffen unterstützen, dass sie die Front halten könne. Auf diese Weise wolle man erreichen, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj früher oder später von sich aus Verhandlungen mit Russland beginne. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wies diese Darstellung energisch zurück.

Will die SPD sich mit Friedenspolitik und Besonnenheit aus dem Umfragetief kämpfen?

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach mit Blick auf Mützenichs Äußerung über das „Einfrieren“ des Konflikts von einem „unglaublichen Vorschlag“. Grünen-Bundessprecherin Ricarda Lang warnte vor einem „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“.

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, schrieb auf X über Mützenich: „Habe immer gesagt: Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und ewig.“

Die SPD kann unterdessen entspannt auf die Entrüstung blicken. Jüngsten Umfragen zufolge sind 61 Prozent der Deutschen gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Bis auf die Anhänger der Grünen und der FDP spricht sich in allen Parteien eine Mehrheit gegen dieses Vorhaben aus – selbst in der Union.

Eine noch stärkere Unterstützung der Ukraine mit immer gefährlicheren Waffen scheint entsprechend kein Gewinnerthema bei Wahlen zu sein. Je offensiver die Union dafür wirbt, umso mehr droht sie sich damit selbst zu schaden.

Vor allem in Ostdeutschland ist die Ablehnung noch deutlicher. Dort wird im Herbst in drei Bundesländern der Landtag gewählt. Die SPD, die in Sachsen und Thüringen katastrophale Umfragewerte erzielt und auch im Bund bei 16 Prozent dümpelt, hat nicht mehr viel zu verlieren.

Im Jahr 2002 hat es jedoch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder geschafft, als Friedenspolitiker eine unerwartete Aufholjagd hinzulegen und sich damit die Wiederwahl zu sichern. Möglich, dass neben Bundeskanzler Scholz künftig noch weitere Sozialdemokraten hier ein Potenzial sehen.

Im EU-Parlament spricht man, was Taurus anbelangt, allerdings noch mit gespaltener Zunge. Dort hatte eine Mehrheit der SPD-Parlamentarier für eine Resolution gestimmt, in der uneingeschränkte Waffenlieferungen an die Ukraine, darunter Taurus-Marschflugkörper, für legitim erachtet wurden.



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