Unmut über Asylkompromiss: Ypsilantis Parteiaustritt könnte Faeser-Wahlkampf gefährden

Die frühere Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti hat die SPD verlassen. Wenige Monate vor der Wahl in Hessen kommt der Austritt für Ministerin Faeser ungelegen.
Titelbild
Andrea Ypsilanti (SPD) im Hessischen Landtag im Jahr 2018 (Archivbild).Foto: Bildschirmfoto, YouTube-Kanal HESSISCHER LANDTAG
Von 13. Juni 2023

Im Oktober möchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zurück in die Landespolitik wechseln – als Ministerpräsidentin der ersten SPD-geführten Landesregierung in Hessen seit 1999. Einen Strich durch die Rechnung könnte ihr ausgerechnet eine Parteigenossin machen, die dieses Ziel bereits 2008 unmittelbar vor Augen hatte. Wie am Montag, 12. Juni, bekannt wurde, ist die langjährige Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti aus der Partei ausgetreten.

Ypsilanti wirft der Bundesregierung „Kotau vor Rechtsextremisten“ vor

Der „Bild“ zufolge hat ein Sprecher des hessischen Landesverbandes den Schritt bestätigt. Ypsilanti selbst hat mittlerweile auf Twitter ihren Austrittsbrief veröffentlicht. Neben der „Zeitenwende“ weg von der Entspannungspolitik kritisiert die hessische SPD-Landesvorsitzende der Jahre 2003 bis 2009 vor allem die jüngste Asyleinigung in der EU.

In dem Schreiben ist die Rede von einem „Asylkompromiss, der mich ohnmächtig und sprachlos zurücklässt“. Menschen, die unter Lebensgefahr über das Mittelmeer flüchteten, würden künftig „verhaftet und in Lager gesperrt“.

Der EU-Kompromiss sei ein „Kotau vor den Rechtsextremisten und Populisten, auf Kosten des Rechtsstaats und entgegen der europäischen Aufklärung“. Vor allem gehe er aber „wider die Menschlichkeit“ und dies wolle Ypsilanti nicht mittragen.

Unmut über Asylkompromiss auch bei den Grünen

Im Vorfeld des Austritts hatte es bereits eine Kontroverse zwischen Ypsilanti und Faeser auf Twitter gegeben. Die Bundesinnenministerin hatte den Asylkompromiss gelobt. Sie sprach von einem „historischen Erfolg – für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten“. Ypsilanti reagierte darauf mit dem Kommentar „Nicht dein Ernst“ – und einem „wütend“-Emoji.

Das EU-Ratstreffen in der Vorwoche hatte eine deutliche Verschärfung der europäischen Asylpolitik zur Folge. Unter anderem soll künftig eine Unterbringung von Asylsuchenden in sogenannten Ankerzentren möglich werden. Diese soll bis zu 18 Monate andauern können.

Die deutsche Bundesregierung trug die Verschärfungen mit, obwohl sie nicht einmal die von ihr angestrebten Ausnahmen für Familien mit Kindern durchsetzen konnte. Zudem soll es erstmals Asylverfahren an den EU-Außengrenzen geben. Mitgliedstaaten der EU sind aufgefordert, sich um Rückführungsabkommen mit Drittstaaten zu bemühen. Die Vereinbarung hatte zuvor bereits in den Reihen der Grünen für massiven Unmut gesorgt.

Von Ypsilanti angestrebtes „Magdeburger Modell“ scheiterte an eigenen Abgeordneten

Ypsilanti war im Jahr 2009 als Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD in Hessen zurückgetreten. Seither leitet sie die Denkfabrik „Institut solidarische Moderne“. Ihr landespolitischer Einfluss ist seither gesunken. Dennoch bringt ihr Austritt Unruhe in den Landesverband und senkt somit die Wahlchancen Faesers im Oktober möglicherweise noch weiter.

Faeser hatte Anfang Februar angekündigt, als Spitzenkandidatin der SPD in den Landtagswahlkampf in Hessen zu gehen. In die Landespolitik wechseln wolle sie jedoch nur im Fall eines Wahlsieges. Derzeit sehen Umfragen die dortigen Sozialdemokraten bei 23,5 Prozent. Das wäre zwar ein Plus gegenüber den desaströsen 19,8 Prozent von 2018. Die CDU unter Ministerpräsident Boris Rhein liegt mit 29 Prozent jedoch weiterhin deutlich vorne.

Andrea Ypsilanti hatte 2008 versucht, eine rot-grüne Regierung unter Duldung der Linkspartei zu bilden. Nancy Faeser war darin als Justizministerin vorgesehen. In Westdeutschland galten Regierungsabsprachen mit der Linkspartei damals noch als Tabubruch – auch in weiten Teilen der SPD. Einen Tag vor der beabsichtigten Wahl kündigten vier SPD-Abgeordnete an, Ypsilanti ihre Stimme nicht geben zu wollen.

Diese trat nicht mehr zur Wahl an und stand als Spitzenkandidatin für die kurz darauf beschlossenen Neuwahlen nicht mehr zur Verfügung.



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