Faeser in Erklärungsnot: Mitarbeiter fordert Anti-AfD-Strategie

Während eines hochrangigen Treffens im Bundesinnenministerium plädierte ein leitender Mitarbeiter für eine gezielte Strategie zur Bekämpfung der AfD. Trotz der Distanzierung von Ministerin Nancy Faeser bleibt der Vorfall brisant und wirft Fragen über politische Neutralität auf.
Titelbild
Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 25. Oktober 2023 in Berlin.Foto: Michele Tantussi/AFP via Getty Images
Von 21. Februar 2024

Gerade erst fragt der frühere Kultus- und Finanzminister Mathias Brodkorb in einer Kolumne im “Cicero” (hinter einer Bezahlschranke): “Was macht man eigentlich, wenn die Regierung Programme zur Rettung der Demokratie verkündet, dabei aber selbst die Axt an deren Fundament legt?” In seinem Meinungsbeitrag führt der frühere SPD-Politiker mehrere Beispiele auf, die er als Beleg dafür sieht, “wie Regierungsvertreter den Kampf gegen die Menschenwürde gerade mit dem moralischen Einsatz für die Menschenwürde rechtfertigen und dabei die Balken in den eigenen Augen nicht bemerken”.

Ein weiteres Beispiel ist nun wieder dazugekommen. Die “Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) berichtete darüber. So hätten sich die Abteilungsleiter des Bundesinnenministeriums am 23. Januar mit Ministerin Nancy Faeser (SPD) getroffen. Gefragt nach den Zielen des Hauses für 2024, notiert einer der leitenden Mitarbeiter handschriftlich: Er wünsche sich, dass eine “konkrete Strategie zur Bekämpfung der AfD” entwickelt werde.

Ministerium in Erklärungsnot

Aufgeklebt wurde dieser Wunsch dann auf eine Schautafel mit der Aufschrift “Der BMI-Wunschbaum”. Das entsprechende Foto hat die NZZ in ihrem Artikel veröffentlicht. Die dort formulierten Forderungen wurden dann offenbar im Anschluss auch an die Ministerin herangetragen. Der geäußerte Wunsch, eine “konkrete Strategie zur Bekämpfung der AfD zu entwickeln”, bringt Faeser nun in Erklärungsnot.

Auf NZZ-Anfrage bestätigte eine Ministeriumssprecherin, dass Faeser am 23. Januar eine ganztägige Leitungsklausur ihres Ministeriums in Berlin geleitet habe. Auf die Frage, welche Themen in dieser Klausur behandelt wurden, weicht die Sprecherin aus: Man äußere sich nicht zu internen Gesprächen. 

Auch wolle man sich nicht dazu äußern, ob es einen Wunschbaum gegeben habe. Erst als die NZZ noch einmal beim Bundesinnenministerium nachhakt und das konkrete Zitat am Wunschbaum benennt, wird die Sprecherin auskunftsfreudiger: “Diese Einzelmeinung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters bei einem offenen Meinungsaustausch im Rahmen der Klausurtagung ist weder die Auffassung des Ministeriums noch der Ministerin.”

“Bei Rechtsextremisten jeden Stein umdrehen”

Das Statement der Ministeriumssprecherin macht deutlich, dass der AfD-Wunsch eines ihrer leitenden Mitarbeiter im Beisein der Ministerin geäußert wurde. Schaut man sich die Äußerungen von Nancy Faeser aus der Vergangenheit an, dann ist klar, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter mit diesem Wunsch durchaus einen Nerv der Ministerin getroffen haben könnte. Mehrmals hatte sich Faeser in letzter Zeit zum Thema Rechtsextremismus geäußert. Trennscharf hat sie dabei nie klar gezogen, wie die im politischen Wettbewerb erlaubte rechte Positionierung aussehen kann. Die Schwammigkeit lässt daher Interpretationsspielräume.

Als sie vor Kurzem ihren “Aktionsplan gegen Rechtsextremismus” vorstellte, kündigte sie an, wer den Staat verhöhne, bekomme es “mit einem starken Staat zu tun”. Neben der Polizei nahm sie dabei auch die Gaststätten- und Gewerbeaufsicht in die Pflicht, “bei Rechtsextremisten jeden Stein umzudrehen – das muss der Ansatz sein”, so Faeser.

Faeser sprach sich auch lobend zu den faktisch gegen die AfD gerichteten Demonstrationen aus. “Dass im Moment so viele Menschen Gesicht zeigen gegen den Hass und für die Demokratie, das ist Ermutigung und Auftrag zugleich. Es geht darum, unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen”, so die Bundesinnenministerin bei der Vorstellung ihrer Maßnahmen gegen Rechtsextremismus.

Regierungsamtliche Strategie schließt sich aus

Auch wenn Faeser die AfD in ihrem Statement nicht explizit erwähnt, bewegt sie sich hier an eine Grenze: Ministerien dürfen nicht in den politischen Meinungskampf eingreifen. Die Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, Diana von Hohenlohe, schrieb schon 2021 im “Verfassungsblog”: „Die chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes erfordert, dass die Staatsorgane im Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren.“

Von Hohenlohe zitiert dabei aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2014, das sich auch mit dieser Frage befasst. Im Urteil heißt es dazu:

“Die Mitglieder der Bundesregierung, die mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses stünden und Mittel zur Verfügung hätten, die es ermöglichten, durch ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken, hätten bei der Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen die Pflicht zur strikten Neutralität. Das Neutralitätsgebot gelte, soweit sich ein Mitglied der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität seines Amtes oder der damit verbundenen Ressourcen äußere.”

Auf Anfrage der NZZ möchte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, Überlegungen des Bundesinnenministeriums, in den politischen Meinungskampf einzugreifen, weder direkt noch indirekt bestätigen. 

Laut Papier müssten Amtsträger aber generell die “Chancengleichheit der politischen Parteien im Hinblick auf die Mitwirkung an der politischen Willensbildung” achten. Deshalb obliege ihnen “eine Neutralitätspflicht, die eine regierungsamtliche Strategie zur Bekämpfung einer – nicht verbotenen – Partei zweifellos ausschließen würde”.

Empörung über Ministerin bei der AfD

Die AfD ist über den Vorgang empört. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, sagt gegenüber der NZZ, hier würden “auf Führungsebene des Ministeriums – gemeinsam mit der SPD-Ministerin Faeser – Ziele und Aufgaben besprochen, die laut Verfassung niemals Ziele und Aufgaben des Innenministeriums sein dürfen”, nämlich “die Bekämpfung des parteipolitischen Gegners, die Bekämpfung der AfD”.

Dass sich die Ministerin nun, nachdem “alles aufgeflogen” ist, im Nachgang offiziell distanziert, ist laut Vermutung Baumanns auf Anraten der Hausjuristen zurückzuführen.



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