Kanzleramt muss Corona-Protokolle weiter entschwärzen – China-Detail bleibt tabu

Das Bundeskanzleramt hat sich vor dem Verwaltungsgericht Berlin nicht ganz durchsetzen können: Das Amt muss wenigstens die Passagen zur Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe entschwärzen. Der Kläger, ein Frankfurter Arzt, erwägt, weiter für die vollständige Offenlegung zu streiten.
Titelbild
Der Berliner Verwaltungsrichter Dr. James Bews sieht keinen überzeugenden Grund, bestimmte Textstellen über die Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen aus Expertenratsprotokollen zu verbergen.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 23. Mai 2024

Das Bundeskanzleramt muss weitere Passagen der 33 teilweise geschwärzten Protokolle des Corona-Expertenrats offenlegen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin am 22. Mai 2024 bekannt gegeben. Geklagt hatte der Frankfurter Allgemeinmediziner Dr. Christian Haffner auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Verwaltungsrichter Dr. James Bews ordnete an, jene Textstellen, in denen von der „Wirksamkeit bestimmter Impfstoffe und Medikamente“ die Rede sei, zugänglich zu machen. Er folgte damit nicht der Auffassung des Kanzleramts, „dass die Offenlegung dieser Passagen den fairen Wettbewerb des Staates als Teilnehmer am Privatrechtsverkehr und am Wirtschaftsleben beeinträchtigen“ könne.

Bews hält es auch für „fernliegend“, dass eine Offenlegung der entsprechenden Passagen „die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei einer zukünftigen zentralen Impfstoff- und Medikamentenbeschaffung [durch die Bundesregierung, Anmerkung der Epoch Times] beeinträchtigen und ihre Verhandlungsposition […] schwächen“ könnte (Aktenzeichen: VG 2 K 19/23).

Wie viel Zeit das Gericht dem Kanzleramt für die Offenlegung gewährt, geht aus dem Urteil (PDF) nicht hervor. Ein Sprecher des VG teilte der Epoch Times auf Anfrage mit, dass das Urteil „noch nicht zugestellt“ sei. Bevor jedoch „kein Zustellnachweis beider Beteiligten bei Gericht“ vorliege, könne das Gericht sich nicht näher zu dem Fall äußern.

China-Passagen tabu, Entschwärzung von Namen bisher nicht entschieden

Weiterhin dürfen nach dem Urteil des Gerichts dagegen Passagen mit Bezug auf China verborgen bleiben. „Zum Schutz der internationalen Beziehungen“, wie es in der schriftlichen Urteilsbegründung im Einklang mit der Position des Kanzleramts heißt. Richter Bews hält die diesbezüglichen Argumente des Amts für „plausibel und nachvollziehbar“.

Eine Entscheidung zur Frage, ob auch die Namen der Sitzungsteilnehmer des Expertenrats der Bundesregierung entschwärzt werden sollen, wurde noch nicht abschließend gefällt. Nach Angaben der „Schwäbischen“ soll das Bundeskanzleramt nun zunächst jeden einzelnen Teilnehmer fragen, wie er zur Offenlegung seines Namens steht. Dieses „Drittbeteiligungsverfahren“ war bislang noch nicht erfolgt, obwohl sich Haffner seit Sommer 2022 um die Freigabe bemüht hatte.

Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass die Betroffenen ihre Einwilligung zur Entschwärzung ihrer Namen geben werden. Richter Bews räumte bereits ein, dass die „ExpertInnen und Gäste […] ein vom Regelfall des § 5 Abs. 3 IFG abweichendes, gesteigertes Interesse an der Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten“ hätten. Ihre „Äußerungen im ExpertInnenrat“ seien „unter den außergewöhnlichen Umständen der pandemischen Notlage und in Erwartung ihrer vertraulichen Behandlung“ erfolgt. Insofern existiere „eine besondere Schutzbedürftigkeit“.

Kritik könne auch „in der Öffentlichkeit oder gegenüber allen Mitgliedern des ExpertInnenrats“ geäußert werden, so Bews. Eine Protokollaussage einem bestimmten Namen zuordnen zu können, sei dafür nicht nötig.

Berufung? Haffner will sich noch beraten

Obwohl der Kläger Dr. Christian Haffner mit dem Urteil einen Teilerfolg erreicht habe, wolle er nach Angaben der „Schwäbischen“ „voraussichtlich“ in der nächsten Instanz weiter für die vollständige Entschwärzung der Papiere kämpfen. Die Zeitung zitiert ihn mit den Worten:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin ist weitgehend unseren Forderung nach Aufhebung der Schwärzungen in den Protokollen des Corona-Expertenrates gefolgt. Dennoch werde ich mich damit nicht zufrieden geben, da aus meiner Sicht auch wichtig ist, wer die Gäste waren, die gehört wurden und auch die Passage über den Ursprung des Coronavirus und über die Einschätzung zu China sind von öffentlichem Interesse.“

Auf seinem X-Kanal klang das schon anders: In den frühen Morgenstunden des 23. Mai twitterte Haffner, dass er die Frage noch nicht beantworten könne, ob er tatsächlich „weiter gegen die restlichen Schwärzungen vorgehen“ werde: „Das beraten wir gerade“.

Ob das Bundeskanzleramt Rechtsmittel zur Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) einlegen wird, um sich gegen das aktuelle Urteil des VG Berlin zu wehren, steht noch nicht fest. Beide Seiten haben dafür einen Monat Zeit. Eine Stellungnahme aus dem Kanzleramt liegt auch nach Anfrage der Epoch Times bislang nicht vor.

Das Gericht verteilte die Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln auf das Bundeskanzleramt. Ein Viertel muss Kläger Haffner tragen. Das Urteil stützt sich auf eine mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2024.

Neuste Protokollversion vom 7. Mai 2024

Haffner hatte die bis dahin erstrittenen Protokolle mit ihren relativ umfangreicheren Schwärzungen bereits vor der Verhandlung zum Download für jedermann im Netz bereitgestellt – und zwar in mehreren Versionen:

Die jüngste Version vom 7. Mai 2024 hatte erneut Details insbesondere über das Verhalten des Bundesgesundheitsministers Prof. Karl Lauterbach (SPD) ans Tageslicht gebracht.

Lauterbach wollte beispielsweise im Dezember 2021 FFP2-Masken in allen Innenräumen anordnen. Außerdem plädierte er zur gleichen Zeit für eine 1G-Regelung: Menschen, die sich nicht „boostern“ lassen wollten, sollte nach Lauterbachs Vorstellungen der Zugang zu Gastronomie und Handel mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften verwehrt werden, auch wenn sie einen Genesenenstatus nachweisen konnten.

Bundeskanzleramt etablierte Corona-Expertenrat

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hatte zwischen dem 14. Dezember 2021 und dem 4. April 2023 auf Wunsch des Bundeskanzleramts unter strenger Geheimhaltung getagt.

Zum Gremium gehörten prominente Akteuren der Corona-Zeit wie die Virologen Prof. Christian Drosten und Prof. Hendrik Streeck, der Veterinärmediziner und Ex-RKI-Chef Prof. Lothar Wieler und die damalige Ethikratschefin Prof. Alena Buyx. Bundesgesundheitsminister Lauterbach war Dauergast, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) war einmal dabei. Der Expertenrat sollte den internen Meinungsbildungsprozess der Ampelkoalition zu einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht begleiten.

Nachfolgegremium: „Gesundheit und Resilienz“

Mitte März 2024 hatten Lauterbach und Kanzler Olaf Scholz (SPD) die 29-köpfige Expertengruppe „Gesundheit und Resilienz“ als Nachfolgegremium des Corona-Expertenrats ins Leben gerufen. Den Vorsitz übernahm der Pharmakologe, Hochschulmanager und Vorstandsvorsitzende der Charité, Prof. Dr. Heyo Kroemer. Erneut gehören Christian Drosten, Hendrik Streeck und die jüngst turnusgemäß aus dem Deutschen Ethikrat ausgeschiedene Alena Buyx dem Gremium an.

Der Rat soll nun auf „wissenschaftlicher Basis“ Wege finden, wie Gesundheitswesen und Gesellschaft künftigen Gesundheitskrisen „bestmöglich begegnen können“, ließ Scholz damals via Pressemitteilung erklären.

Warten auf detailreichere RKI-Files

Nicht zu verwechseln sind die 33 Protokolle des Corona-Expertenrats mit jenen mehrere hundert Seiten umfassenden Papieren, die seit zwei Monaten unter dem Begriff „RKI-Files“ kursieren. Letztere betreffen die Diskussionsergebnisse des RKI-Krisenstabs, der schon im Januar 2020 beim Robert Koch-Institut eingerichtet worden war. Das RKI will eine auf Anweisung von Lauterbach „weitestgehend entschwärzte“ Fassung noch im Mai 2024 vorlegen.



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