Neue Details aus den geheimen Corona-Protokollen – Kanzleramt schlägt Deal vor

Am Montag will der Arzt Christian Haffner vor dem Verwaltungsgericht Berlin weiter um die Herausgabe noch detailreicherer Protokolle des Corona-Expertenrats klagen. Auf einen Deal mit dem Bundeskanzleramt – Klagerückzug gegen Übernahme der Verfahrenskosten – will er sich nicht einlassen.
Virologe Christian Drosten (l.), Mitglied des Expertenrates der Bundesregierung, und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Das Archivbild zeigt den Virologen Christian Drosten (l.), Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, und Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD).Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 10. Mai 2024

Dem Frankfurter Allgemeinmediziner Christian Haffner ist es gelungen, eine noch transparentere Fassung aller 33 Protokolle des Corona-Expertenrates der Bundesregierung vom Bundeskanzleramt zu erstreiten. Nach Angaben von Haffner hatte das Amt die Unterlagen den eigenen Worten nach „neu bewertet“ und auch eine ausführlichere Version an ihn geliefert. Im Gegenzug habe das Bundeskanzleramt ihn gebeten, seine Klage auf Herausgabe noch weniger geschwärzter Papiere fallen zu lassen.

Das Bundeskanzleramt hatte das Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit Post vom 7. Mai 2024 über das Angebot in Kenntnis gesetzt. Demnach gehe das Amt davon aus, „dass sich durch die weitgehende Entschwärzung der Protokolle die Klage vollumfänglich erledigt“ habe. „Der zu erwartenden Erledigterklärung des Klägers [Haffner] schließt sich die Beklagte [Bundesrepublik Deutschland] bereits jetzt an“, hieß es in vorauseilendem Optimismus vonseiten des Bundeskanzleramts.

Haffner will nicht aufgeben

Doch Haffner denkt offenbar nicht daran: Auf seinem X-Kanal kündigte er an, am kommenden Montag, 13. Mai, weiter „für eine komplette Entschwärzung aller Protokolle“ vor dem VG zu klagen (Az: VG 2 K 19/23). Noch immer sind ihm zu viele Stellen unkenntlich gemacht. Haffner gab sich auf X siegessicher:

Ich denke, sie [das Bundeskanzleramt] werden versuchen abzuwenden, dass sie verlieren werden, weil sie dem Gericht sagen wollen, wir haben doch ganz viel aufgehoben, der Rest ist Personenschutz. Sie werden damit aber nicht durchkommen, weil das einfach nicht stimmt und wir das nachweisen können.“

Er werde den „Köder“ jedenfalls nicht schlucken, im Tausch für seine Unterschrift auf einer „Erledigterklärung“ von den Verfahrenskosten freigestellt zu werden, so Haffner. Eine freiwillige Unterstützung steht laut X jedermann offen.

Das Kanzleramt hatte seine noch immer vorhandenen „punktuellen“ und „minimalen“ Schwärzungen mit „zwingenden Erwägungen“ begründet: Es gehe um den „Schutz der öffentlichen Sicherheit“, um den „Schutz fiskalischer Interessen“ und um den „Schutz der bilateralen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik China“. Zur Begründung bezog sich das Amt auf die Absätze Nr. 2, Nr. 6 und Nr. 1a aus Paragraf 3 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Das Bundeskanzleramt habe zudem noch keine „Drittbeteiligungsverfahren“ durchgeführt, die aber „zwingend erforderlich“ seien, um Namen von Beteiligten offenlegen zu dürfen.

Haffner stellte die Protokolle bereits zum Download für jedermann ins Netz – und zwar in der neuen und in den alten, weniger aussagekräftigen Version:

Haffner selbst hatte am Abend des 8. Mai mitgeteilt, dass „einige Leute und ich“ dabei seien, die neuen Dokumente noch einmal zu analysieren.

Lauterbach wollte Genesenenstatus nicht gelten lassen

Erneut geht daraus hervor, dass Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) als regelmäßiger Teilnehmer der Ratssitzungen immer wieder versucht hatte, Einfluss zu nehmen. So enthüllt das Protokoll vom 28. Dezember 2021 Lauterbachs Plan, FFP2-Masken in allen Innenräumen anzuordnen. In der bislang vorliegenden Version war der Passus geschwärzt.

Die „Berliner Zeitung“ betont, dass Lauterbach während dieser vierten Ratssitzung noch schärfere Einschränkungen für Menschen vorgeschlagen hatte, die sich nicht hatten „boostern“ lassen: Menschen, die weniger als drei Spritzen im Arm hatten, sollte der Zugang zu Gastronomie und Handel – mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften – auch dann verwehrt werden, wenn sie einen Genesenenstatus nachweisen konnten (1G). Die Idee sei „kontrovers diskutiert“ worden. In der Sitzung vom 4. Januar 2022 akzeptierte Lauterbach schließlich 2G-Plus für die Gastronomie.

Wie die „Berliner Zeitung“ weiter berichtet, hatte das Robert Koch-Institut (RKI) im Januar 2022 den Genesenenstatus allerdings überraschend von sechs auf nur noch drei Monate herabstufen lassen. Was sich wenig später nach Ansicht mehrerer Gerichte als nicht zulässig herausstellte.

Booster nur mit 46-prozentigem Schutz vor Omikron

Neu einzusehen ist auch die Feststellung vom 4. Januar 2022, nach der „eine neue Haushaltskontaktstudie aus DNK“ gezeigt habe, „dass die mRNA-Booster-Impfung einen 46%igen Schutz vor Infektionen mit Omikron biete, die zweifache Impfung jedoch nicht.“

Am 18. Januar 2022 warb ein geschwärzter Akteur dafür, „keine Unterscheidung bei der stat. Aufnahme zwischen Aufnahmen ‚mit‘ und ‚wegen‘ COVID-19 zu machen, da eine abschließende Unterscheidung oft kaum möglich sein [sic]“. Auch diese Passage war bisher geschwärzt.

Bislang unkenntlich war auch ein Eintrag zum Thema „Kommunikation zu Impfpflicht“ vom 9. Februar 2022:

Zusätzlich muss man sich auch mit der Gruppe von Ärzten auseinandersetzen, die eine Impfung ablehnen, da Empfehlungen von Ärzten im Allgemeinen sehr deutlich wirken.“

Wie könnte das anders zu verstehen sein, als den Druck auf Ärzte erhöhen zu wollen – ungeachtet deren persönlicher medizinischer Expertise? Offensichtlich genügte es dem Gremium auch nicht, nur die weit gefährdeteren Senioren einer Impfpflicht unterwerfen zu wollen. Denn an gleicher Stelle hieß es: „Eine Impfpflicht nur für ältere Menschen wird kritisch gesehen, da es ein falsches Signal für alle anderen Altersgruppe [sic] sein könnte (als wenn diese keine Impfung mehr bräuchten).“

So weit ein erster Blick in die aktuelle Fassung der Expertenratsprotokolle.

Bundeskanzleramt etablierte Corona-Expertenrat

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hatte zwischen dem 14. Dezember 2021 und dem 4. April 2023 auf Wunsch des Bundeskanzleramts unter strenger Geheimhaltung getagt. Zum Gremium gehörten prominente Akteuren der Corona-Zeit wie die Virologen Prof. Christian Drosten und Prof. Hendrik Streeck, der Veterinärmediziner und RKI-Chef Prof. Lothar Wieler und die damalige Ethikratschefin Prof. Alena Buyx. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) war einmal dabei.

Wie schon länger bekannt ist, hatte Lauterbach noch am 29. August 2022 gegenüber dem Rat für einen „Furchtappell“ an junge Leute plädiert, um diese für die „Folgen einer Long COVID Infektion“ zu sensibilisieren. Auch das hatte der Expertenrat „kritisiert“. Dennoch präsentierte der Minister Mitte Oktober 2022 unter dem Titel „Ich schütze mich“ seine neue Impfkampagne, die primär auf Impfung Nummer vier abzielte.

Die Aufgabe des Corona-Expertenrats bestand auch darin, die Kultusministerkonferenz (KMK) in Sachen Schulschließungen zu beraten. Im Corona-Jahr 2021 unterstand die KMK turnusgemäß der Leitung der damaligen brandenburgischen Bildungsministerin Britta Ernst, der Gattin von Kanzler Olaf Scholz (beide SPD).

Außerdem sollte der Expertenrat den internen Meinungsbildungsprozess der Ampelkoalition zu einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht begleiten. Schon die erste Version der von Haffner freigeklagten Protokolle hatte im Sommer 2023 gezeigt, dass der Expertenrat sowohl die allgemeine Impfpflicht als auch die Fortführung von Maßnahmen im Herbst 2022 empfahl. Dabei war dem Rat bewusst, dass die Impfung nicht unbedingt vor Übertragung schützt und die Bevölkerung bereits ermüdet war. Am 7. April 2022 wurde eine Impfpflicht für Menschen über 60 Jahren im Bundestag abgelehnt.

„Die brisanten Dokumente geben einen erschütternden Einblick in das geschlossene Weltbild von ‚Experten‘, die bereit sind, ihre wissenschaftliche Ideologie über das Wohlergehen der Bürger zu stellen“, bewertete die Journalistin Aya Velázquez den Sachverhalt schon damals.

Warten auf detailreichere RKI-Files

Nicht zu verwechseln sind die 33 Protokolle des Corona-Expertenrats mit jenen mehrere hundert Seiten umfassenden Papieren, die seit einigen Wochen unter dem Begriff „RKI-Files“ kursieren. Letztere betreffen die Diskussionsergebnisse des RKI-Krisenstabs, der schon im Januar 2020 beim Robert Koch-Institut eingerichtet worden war.

Die RKI-Dokumente aus der Zeit von Januar 2020 bis April 2021 waren vom „Multipolar“-Magazin ebenfalls unter Berufung auf das IFG freigeklagt und am 20. März 2024 publiziert worden. Seitdem liegt der Öffentlichkeit nur eine in großen Teilen geschwärzte Fassung vor. Sie war im Auftrag des RKI von der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Raue für eine unbekannte Summe Geld erstellt worden.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte Ende März 2024 allerdings versprochen, ähnlich wie nun das Bundeskanzleramt eine „weitestgehend ungeschwärzte“ Originalversion öffentlich machen zu lassen. Laut RKI soll „dies nach Abschluss der derzeit geführten Drittbeteiligungsverfahren im Laufe des Mai möglich sein“. Lauterbach weigert sich allerdings, auch die RKI-Protokolle aus der Zeit nach April 2021 zu veröffentlichen. Er selbst hatte sein Amt am 8. Dezember 2021 angetreten – eine Woche vor Etablierung des Expertenrats. Zuvor hatte Jens Spahn (CDU) das Amt innegehabt.

Nachfolgegremium: „Gesundheit und Resilienz“

Mitte März 2024 hatten Lauterbach und Scholz die 29-köpfige Expertengruppe „Gesundheit und Resilienz“ als Nachfolgegremium des Corona-Expertenrats ins Leben gerufen. Den Vorsitz übernahm der Pharmakologe, Hochschulmanager und Vorstandsvorsitzende der Charité, Prof. Dr. Heyo Kroemer. Erneut gehören Christian Drosten, Hendrik Streeck und die jüngst turnusgemäß aus dem Deutschen Ethikrat ausgeschiedene Alena Buyx dem Gremium an.

Der Rat soll nun auf „wissenschaftlicher Basis“ Wege finden, wie Gesundheitswesen und Gesellschaft künftigen Gesundheitskrisen „bestmöglich begegnen können“, ließ Scholz damals via Pressemitteilung erklären.



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