Hauchdünne Halbleiterfasern machen Textilien zu tragbarer Elektronik

Elektronik und Wasser verträgt sich nicht? Dies scheinen Forscher aus Singapur mit ihren in Textilien eingewebten Halbleiterfasern umgegangen zu haben. Mütze, Hemd und Armband konnten sich in einem ersten Praxistest bereits bewähren.
Hauchdünne Halbleiterfasern machen Textilien zu tragbarer Elektronik
Die Textilien sollen trotz ihrer Halbleiterfasern waschbar sein.Foto: iStock
Von 29. März 2024

Wissenschaftler der Nanyang Technological University (kurz NTU) in Singapur haben ultradünne Halbleiterfasern entwickelt, die in Stoffe eingewebt werden können. Ziel ist es, damit intelligente tragbare Elektronik herzustellen, die bestimmten Personengruppen im Alltag helfen können.

Um zuverlässig funktionierende Halbleiterfasern herzustellen, müssen diese eine stabile Signalübertragung gewährleisten, dafür wiederum müssen die Fasern flexibel und ohne Defekte sein. Die derzeitigen Herstellungsverfahren verursachen jedoch Spannungen und Instabilitäten, die zu Rissen und Verformungen in den Halbleiterkernen führen. Dies wirkt sich negativ auf ihre Leistung aus und schränkt ihre Entwicklung ein.

Um dies zu umgehen, sei eine sorgfältige Materialauswahl und eine Reihe spezifischer Schritte während der Faserproduktion wichtig, so die Forscher. Also entwickelten sie im nächsten Schritt ein mechanisches Design, mit dem erfolgreich haardünne, fehlerfreie Fasern mit einer Länge von 100 Metern hergestellt werden können. Diese Fasern können schließlich mit bestehenden Methoden zu Stoffen verwoben werden.

Eine Mütze für Sehbehinderte

Die ersten Prototypen, die die NTU-Forscher entwickelten, können in den unterschiedlichsten alltäglichen Situationen benutzt werden. So hilft eine intelligente Mütze einem sehbehinderten Menschen, die Straße sicher zu überqueren, indem sie ihn über eine Smartphone-App benachrichtigt.

Weiterhin entwickelten die Techniker ein Hemd, das Informationen empfängt und über einen Ohrhörer weiterleitet – wie ein Audioguide in einem Museum. Das dritte Textil ist das Stoffarmband einer Smartwatch, das als flexibler Sensor fungiert und sich dem Handgelenk des Benutzers anpasst, um die Herzfrequenz zu messen.

Das Team ist davon überzeugt, dass die Innovation einen grundlegenden Durchbruch bei der Entwicklung von Halbleiterfasern darstellt. Ihre Fasern sind nicht nur sehr lang und haltbar, sondern auch kostengünstig – ohne ihre Leistung zu beeinträchtigen.

„Die Herstellung von Halbleiterfasern ist ein hochkomplexer Prozess, der das Know-how von Experten aus den Bereichen Materialwissenschaft, Maschinenbau und Elektrotechnik erfordert“, erklärt Wei Lei, Professor der NTU und leitender Forscher der Studie.

Entwicklung von Halbleiterfasern

Für die Entwicklung ihrer defektfreien Fasern wählten die Forscher zwei verschiedene Paare aus gängigen Halbleitermaterialien und Kunststoffen aus. Ein Paar bestand aus einem Halbleiterkern aus Silizium, ummantelt mit einem Rohr aus Quarzglas, während das andere Paar einen Germaniumkern mit Ummantelung aus Aluminosilikatglas umfasste.

Die Wissenschaftler wählten die Materialien aufgrund ihrer sich ergänzenden Eigenschaften aus. Dazu gehörten thermische Stabilität, elektrische Leitfähigkeit und die Fähigkeit, elektrischen Strom durchzulassen (Widerstand).

Silizium wurde ausgewählt, weil es unter extremen Bedingungen eingesetzt werden kann – wie etwa als Sensoren an der Schutzkleidung von Feuerwehrleuten. Germanium hingegen ist für eine Anwendung in tragbaren oder stoffbasierten Sensoren geeignet, die mit drahtlosen optischen Netzwerken in Innenräumen kompatibel sind.

„Es bedurfte umfangreicher Analysen, bis wir die richtige Kombination von Materialien und Verfahren für die Entwicklung unserer Fasern gefunden hatten. Indem wir die unterschiedlichen Schmelzpunkte und thermischen Ausdehnungsraten der von uns gewählten Materialien ausnutzten, konnten wir die Halbleitermaterialien erfolgreich in lange Fäden ziehen“, sagt Dr. Wang Zhixun, Erstautor der Studie.

Ohne große Einschränkungen konnten die Halbleiterfasern bei Empfindlichkeitstests den gesamten Bereich des sichtbaren Lichts – von Ultraviolett bis Infrarot – erfassen. Außerdem konnten sie Signale mit einer Bandbreite von bis zu 350 Kilohertz robust übertragen, was sie zu den Spitzenreitern ihrer Art macht. Hinzu kommt, dass die Fasern 30-mal widerstandsfähiger als herkömmliche Fasern waren.

In der Praxis nutzbar

Auch das Waschen der Kleidung machte den Halbleiterfasern wenig aus. Das Testobjekt, ein gewebtes Tuch, konnte zehnmal in der Waschmaschine gereinigt werden, ohne dass die Leistung der Fasern signifikant abnahm.

Als Nächstes planen die Forscher, die Art der für die Fasern verwendeten Materialien zu erweitern und Halbleiter mit verschiedenen Hohlkernen zu entwickeln, um ihr Anwendungsfeld zu erweitern.

„Unsere Faserherstellungsmethode ist vielseitig und kann von der Industrie leicht übernommen werden. Die Faser ist auch mit den derzeitigen Textilmaschinen kompatibel, sodass sie das Potenzial für eine groß angelegte Produktion hat. Indem wir die Verwendung der Fasern in alltäglichen Kleidungsstücken wie einer Mütze und einer Uhr demonstrieren, beweisen wir, dass unsere Forschungsergebnisse als Leitfaden für die Herstellung funktioneller Halbleiterfasern in der Zukunft dienen können“, so Mitautor Dr. Li Dong abschließend.

Die Studie erschien am 31. Januar 2024 im Fachblatt „Nature“.



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