Klimaschutzfalle: Pro Haushalt 222 Euro/m² Zuschuss benötigt
Die Klimaziele der Bundesregierung sind unsozial und nicht finanzierbar – jeder Haushalt benötige einen Investitionszuschuss von 222 Euro/m². Der Präsident des DV, Michael Groschek erklärt: "Ich halte es für eine Zumutung, solche Ziele zu formulieren, ohne zu überlegen, was es kostet, diese Ziele zu erreichen.“
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Ein Zimmermannsgeselle arbeitet bei der Sanierung eines Baudenkmals in Bamberg mit.
Mindestens 14 Milliarden Euro benötige die Immobilienwirtschaft vom Staat, um die energetische Gebäudesanierung weiter voranzutreiben. Das haben der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Deutsche Verband für Wohnungswesen Städtebau und Raumordnung (DV) gemeinsam berechnet.
Die Verbände haben sich zu einer einmaligen Initiative zusammengeschlossen, um Lösungsansätze für die künftigen nicht gedeckten Investitionskosten zu entwickeln. Insgesamt seien Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe zu erwarten. Grundlage ihrer Berechnungen waren die Studien „Integrierte Energiewende“ (dena) und „Klimapfade für Deutschland“ (BDI).
Bei den 14 Mrd. Euro handele es sich um sogenannte „unrentierliche Mehrinvestitionen“ – also um nicht gedeckte Kosten, auf denen Vermieter oder Mieter bzw. Eigentümer sitzen bleiben. Dabei wurde von den Investitionskosten Wartung und Instandhaltung abgezogen. Gegengerechnet wurde die Energiekostenersparnis. So heißt es in der Pressemitteilung und Berechnung des Förderbedarfs der Verbände.
Davon entfallen auf vermietete Wohnungen jährlich mindestens 6 Mrd. Euro. Und das sind noch die konservativsten Annahmen. Je nach Berechnung betragen die nicht gedeckten Kosten bis zu 25 Mrd. Euro bei Mietwohnungen und bis zu 37 Mrd. Euro bei allen Gebäuden – also bei Eigentum und Mietgebäuden. Und in die gesamte Berechnung seien noch nicht einmal steigende Baukosten eingerechnet. Auch Klimaneutraliät sei mit den Maßnahmen noch nicht erreicht.
Jeder Haushalt benötigt einen Investitionszuschuss von 222 Euro/m². Das ist der Betrag, auf dem entweder Mieter oder Vermieter bzw. Eigentümer je m² sitzen bleiben. Bei einer 70-m²-Wohnung kommt man auf satte 15.540 Euro (70 m² mal 222 Euro/m²). Die dena-Studie gehe dabei von folgenden Werten aus – so die Verbände in ihrer Sanierungskostenberechnung:
Kosten Baumaßnahme für energetische Modernisierung auf Neubauniveau (Effizienzhaus 100): 480 Euro/m²
Davon energetische Gebäudesanierung: 323 Euro/m²
Energiekosteneinsparung: rund 31 Prozent
Nicht gedeckte Kosten also: 222 EUR/m² (69 Prozent von 323 Euro).
Nach Verrechnung mit Energiekosteneinsparung beträgt die Erhöhung der Miete rund 17 Prozent.
Wenn aber die Maßnahme teurer oder die Energieeinsparung geringer ist, komme man zu deutlich höheren Werten. 30 bis 40 Prozent nennen die Verbände als Höchstwerte. Beträgt die Energiekosteneinsparung „nur“ 40 Prozent, vermindern sich die Energiekosten auf 80 Cent. Dann beträgt die Mieterhöhung 29 Prozent.
Klimaziele unter bisherigen Bedingungen unmöglich erreichbar und auch nicht bezahlbar
Präsident des DV, Michael Groschek, sagte gegenüber der „Welt“:
„Ich halte es für eine Zumutung, solche Ziele zu formulieren, ohne zu überlegen, was es kostet, diese Ziele zu erreichen.“
Nach dem Klimaschutzplan sollen die CO2-Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 um rund 40 Prozent auf 72 Mio. Tonnen minimiert werden. Dafür müsste der CO2-Ausstoß bei 80 Prozent aller Gebäude um die Hälfte reduziert werden. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen seien erheblich. Unter den bisherigen Bedingungen sei das unmöglich und unbezahlbar, schreiben die Verbände in ihrer Pressemitteilung.
Gefährdung des sozialen Friedens
Gedaschko, Präsident des GdW, sagt gegenüber der „Welt“, dass das schwächere Einkommensdrittel das nicht bezahlen könne. Daneben warnt der Präsident des DMB, Lukas Siebenkotten:
„Derartige Mietsteigerungen (sind) nicht bezahlbar, sie gefährden den sozialen Frieden in Deutschland. (…) Die Nöte der Mieter und Vermieter dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Selbst eine einfache energetische Gebäudesanierung sei nicht mal näherungsweise durch gesparte Energiekosten gedeckt. Diese führe mindestens zu einer Erhöhung von rund 2 Euro/m² (siehe Berechnung oben). Bereits jetzt betragen die durchschnittlichen Wohnkosten 29 Prozent. Einkommensschwächere Haushalte seien sogar mit 46 Prozent belastet.
Die Verbände fordern: „Massive Ausweitung öffentlicher Unterstützung“
Gedaschko weist zudem darauf hin, dass man sich „die Dimension vor Augen führen“ müsse. 2/3 aller Wohngebäude müssten in den kommenden zehn Jahren energetisch saniert werden – also vermietete und selbst bewohnte Gebäude. Die Bundesregierung müsse diese ambitionierten Ziele auch politisch absichern. Dazu müsse der Immobilienwirtschaft wesentlich mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Auch die Vertreter von DV und DMB sagen das klar und deutlich. Und zwar mindestens in Höhe der nicht gedeckten Investitionskosten, nämlich:
mindestens 14 Mrd. Euro insgesamt
davon mindestens 6 Mrd. Euro für Mietwohnungen
davon mindestens 222 Euro/m² je Haushalt.
Je nach Eigentümergruppe sollen Zuschüsse oder Steuererleichterungen gewährt werden. Die Klimaziele seien sonst weder wirtschaftlich noch sozial umzusetzen.
Ideen der Verbände
Groschek sagte gegenüber der „Welt“, dass man sich bei Gebäudesanierungen nicht nur auf Dämmen konzentrieren solle. In der Pressemitteilung spricht er sich für „technologieoffene Sanierungen“ und CO2-relevantere Investitionsmaßnahmen aus.
Zur Finanzierung könnte ein Fonds gegründet werden, dessen Mittel in den Gebäudesektor fließen, schreiben die Verbände in ihrem Klimapapier. Gegenüber der „Welt“ ergänzte Siebenkotten, woher das Geld kommen solle, wüsste er aber auch nicht.
Am Freitag wird die Bundesregierung wesentliche Entscheidungen zu den Klimazielen treffen. (bm)
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