Reaktionen auf Uniper-Verstaatlichung: Finnland gegen zwei Boxer

Wirtschaftsminister Habeck deutet an, die Verstaatlichung von Uniper könnte nicht die letzte gewesen sein. Der jüngste Schritt wird nicht überall begrüßt.
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Das Logo von Uniper bei einer Bilanzpressekonferenz in der Düsseldorfer Konzernzentrale.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa
Von 22. September 2022

Die Verstaatlichung des Energieversorgers Uniper könnte nicht der letzte Schritt dieser Art gewesen sein. Dies deutete der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch (21.9.) in einer Pressekonferenz an.

„Der Staat wird alles Notwendige tun, um die Unternehmen immer am Markt zu halten“, äußerte er der „Welt“ zufolge auf die Frage, ob noch andere Gasimporteure betroffen sein könnten. Konkret geht es dabei vor allem um die Unternehmen VNG und SEFE – ehemals Gazprom Germania. VNG ist allerdings bereits ein Tochterunternehmen des baden-württembergischen Versorgers EnBW. Dessen Anteile halten das Land Baden-Württemberg und Kommunen.

Am Mittwoch hatte Habeck die Entscheidung der Bundesregierung verkündet, den Versorger durch eine Übernahme zu retten. Uniper drohte nach dem Ende der russischen Gaslieferungen seine Liefer- und Zahlungsverbindlichkeiten nicht mehr erfüllen zu können.

Der deutsche Staat beteiligt sich fortan mit 8 Milliarden Euro an Uniper auf dem Wege einer Kapitalerhöhung zu 1,70 Euro pro Aktie. Zudem kauft der Bund den 78-prozentigen Anteil des – selbst teilstaatlichen – finnischen Unternehmens Fortum für rund 480 Millionen Euro auf.

Fortum und Uniper an der Börse abgestraft

In weiterer Folge soll Uniper bestehende Darlehen und Garantien in Höhe von jeweils 4 Milliarden Euro an Fortum zurückzahlen. Die deutsche Regierung segnet einstweilen die Finanzierung von Uniper bis zur Durchführung der Kapitalerhöhung ab.

Jedenfalls bis zum Abschluss der Transaktion, die für Ende des Jahres erwartet wird, will Habeck auch an der Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent je Kilowattstunde festhalten. Diese soll alle Verbraucher treffen. Uniper behält seine schwedischen Wasserkraft- und Kernkraftwerke und räumt Fortum ein Vorkaufsrecht bis Ende 2026 ein, sollten diese zum Verkauf angeboten werden.

Die Börse reagierte verschnupft auf den Vorgang. Die Aktien von Fortum gaben bis zum frühen Nachmittag um neun Prozent nach, nachdem das Unternehmen dem Verkauf seines 56-prozentigen Anteils an Uniper zugestimmt hatte. Die Uniper-Aktie selbst büßte an der Börse in Frankfurt am Main mehr als 34 Prozent ein.

Milde Bewertung des Schrittes durch Journalisten

Deutsche Kommentatoren bewerteten den von Minister Habeck angekündigten Schritt milde. Die Chefredakteurin von „Welt am Sonntag“, Dagmar Rosenfeld, erklärte in der ARD-Sendung „Maischberger“, Uniper sei als großer Gasimporteur „too big to fail“. Das bedeute: „Wenn es zusammenbrechen würden, würde alles zusammenbrechen.“ Allerdings sei das Festhalten an der Gasumlage angesichts des neuen Status quo „nicht mehr vermittelbar“.

Henrike Roßbach, die stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der „Süddeutschen Zeitung“, nahm in derselben Sendung Habeck ebenfalls in Schutz. „Spaß gemacht hat ihm die Gasumlage bisher noch nicht so richtig“, äußerte die Journalistin. Der Minister hatte zudem selbst eingeräumt, dass es „verfassungsrechtliche Bedenken“ bezüglich des Vorgangs gebe.

Aus den Parteien kamen uneinheitliche Reaktionen. Die Linkspartei forderte nach der Verstaatlichung eine rasche „Umkehrung der Preisgestaltung zugunsten der Verbraucher“, da diese den Konzern mit ihren Steuermilliarden retteten.

CSU: „Verstaatlichung kam zu spät“

Die FDP-Fraktion im Bundestag unterstützt nach Angaben ihres stellvertretenden Vorsitzenden, Lukas Köhler, die geplante Verstaatlichung von Uniper „für den Moment“. Sie sei insbesondere für Liberale eine bittere Pille, die es in der aktuellen Krisensituation jedoch zu schlucken gelte, so Köhler. „Denn eine sichere Gasversorgung so weit wie möglich zu gewährleisten, ist momentan eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung.“

Es müsse klar sein, dass daraus kein Dauerzustand werden dürfe, so Köhler weiter. „Wie bei allen anderen krisenbedingten Beteiligungen muss sich der Staat so schnell wie möglich wieder aus dem Unternehmen zurückziehen“, betonte er. Sobald es die Situation zulasse, müsse Uniper privatisiert werden.

Der Staat darf keinesfalls dauerhaft zu einem entscheidenden Akteur auf dem Energiemarkt werden.“

Für die CSU kommt die Uniper-Verstaatlichung zu spät. Die Verstaatlichung sei „längst überfällig“ und hätte viel Verunsicherung im Markt ersparen können, wenn man diese Entscheidung bereits im Juli getroffen hätte, kritisierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Bundesregierung müsse nun auch Transparenz herstellen, welche Kosten auf den deutschen Staat insgesamt zukämen – etwa auch durch jeden Tag weiterhin anfallende Defizite bei dem Unternehmen.

Dobrindt forderte zudem erneut: „Die Gasumlage ist dringend zu stoppen.“ Es sei „vollkommen respektlos“, dass Verbraucher bereits Mitteilungen zur Zahlung geschickt bekämen und offensichtlich Teile der Bundesregierung der Meinung seien, dass die Umlage so nicht haltbar sei.

Unmut in Finnland über behauptete Übervorteilung

In Finnland selbst war der Schritt schon im Vorfeld des Deals umstritten. Finnland werde die Verstaatlichung des deutschen Energieunternehmens Uniper ohne Entschädigung nicht akzeptieren. Dies erklärte laut „Euractiv“ die Ministerin für europäische Angelegenheiten und Eigentumsfragen, Tytti Tuppurainen, bereits am Mittwoch der Vorwoche.

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei „Nationale Koalition“ (NKP), Kai Mykkänen, warf Deutschland vor, den Preis drücken zu wollen. Sobald der Tiefpunkt erreicht sei, werde das Unternehmen verstaatlicht, und die finnischen Steuerzahler hätten de facto die deutschen Gasrechnungen bezahlt, so Mykkänen.

Mykkänen warf Deutschland vor, gegen den EU-Energiechartavertrag (ECT) und dessen Wettbewerbsregeln zu verstoßen, da es nicht erlaubt sei, die höheren Gaspreise früher an die Kunden weiterzugeben.

Martin Paasi – Ökonom bei der Nordnet Bank – erklärte am Samstag in der Zeitung „Uusi Suomi“, dass Finnland gegen „zwei Boxer auf einmal zu kämpfen“ habe, nämlich Uniper und den deutschen Staat. Seiner Meinung nach hätten Fortum und der finnische Staat erkennen müssen, dass sie sich in einem „feindlichen“ Umfeld bewegen. Deutschland habe in jeder Phase „die Karten für sich selbst gespielt“. Im Nachhinein würden das Management von Fortum und Finnland „so aussehen, als hätten sie von nichts eine Ahnung“, äußerte Paasi.

Uniper begrüßt Entscheidung der Bundesregierung

Bei „Bloomberg“ geht man von der zeitnahen Verstaatlichung weiterer großer Gasimporteure aus. Deutschland, so heißt es dort, zahle nun den Preis für seine starke Abhängigkeit von Russland.

Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach selbst äußerte sich zufrieden mit dem Schritt der Bundesregierung. „Die heutige Einigung schafft Klarheit über die Eigentümerstruktur, ermöglicht uns die Fortführung unseres Geschäfts und die Erfüllung unserer Rolle als systemkritischer Energieversorger“, sagte Maubach am Mittwoch. „Damit ist die Energieversorgung von Unternehmen, Stadtwerken und Verbrauchern gesichert.“

Was die von Habeck angesprochenen „finanzverfassungsrechtlichen“ Bedenken anbelangt, ist Bundesfinanzminister Christian Lindner für deren Prüfung verantwortlich. Neben der Gasumlage gäbe es im Wesentlichen zwei denkbare Vorgehensweisen, um die Mehrbelastung der Energieversorger auszugleichen.

Die eine wäre, die Beschaffungskosten nur an Gaskunden weiterzureichen, deren Versorger auf russisches Gas gesetzt hätten. In der Bundesregierung betrachtet man diesen Schritt jedoch als zu heikel. Der andere wäre ein Ausgleich der Verluste mit Steuergeld. Die dadurch entstehenden Belastungen würden jedoch die Schuldenbremse infrage stellen und Steuererhöhungen unausweichlich machen, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

(Mit Material von dpa)



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