Bringen Klimaschutzmaßnahmen den Golfstrom zum Erliegen?

Der Golfstrom gilt als Heizung Europas. Ihn zu schützen, ist eines der erklärten Ziele der Klimamaßnahmen, die jedoch immer mehr Unternehmen zur Verlagerung ihrer Produktion bewegen. Eine neue Studie besagt nun, dass dem Golfstrom damit nicht geholfen sei – im Gegenteil.
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Die Meere umfassen ein komplexes, weltweites Strömungssystem. Klimaschutzmaßnahmen könnten dieses schwächen.Foto: iStock
Von 16. April 2024

Seit die atlantische meridionale Umwälzzirkulation, kurz AMOC, im Jahr 2004 zum ersten Mal beobachtet wurde, stand sie im Mittelpunkt Tausender wissenschaftlicher Abhandlungen. Mit dem Hollywood-Blockbuster „The Day After Tomorrow“ aus demselben Jahr spülte die Strömung zudem weltweit mehr als 552 Millionen US-Dollar in die Kinokassen.

Die AMOC ist Teil der globalen Meeresströmungen und wird – fachlich unsauber – oft mit dem Golfstrom gleichgesetzt. Gemeinsam ist den beiden Strömungen jedoch, dass sie warmes Wasser nach Europa transportieren. Ein „Wasserpaket“ benötigt dabei etwa 1.000 Jahre, um die gesamte Länge der AMOC zurückzulegen.

Nun zeigen neue Forschungsergebnisse jedoch, dass die Strömung keineswegs „nur“ Amerika und Europa verbindet. Vielmehr reichen die Einflussfaktoren sprichwörtlich bis auf die andere Seite der Welt: Demnach beeinflusst Asien, genauer gesagt Aerosole über Asien, ebenfalls die AMOC, erklärte Jian Lu, Geowissenschaftler am Pacific Northwest National Laboratory des US-Energieministeriums.

In ihrer Anfang Januar in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten Arbeit beschreiben Lu und seine Kollegen diese Auswirkungen. Unterstützung erhielt er dabei unter anderem von einer Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg.

Golfstrom als Heizung Europas

Die AMOC ist weit komplexer als der Golfstrom. Letzterer ist vorwiegend für den Transport von karibisch-warmen Wassern nach Europa bekannt. Die AMOC hingegen umfasst auch die Rückströmung, die kaltes, nährstoffreiches Wasser aus dem Arktischen Ozean zurück in den Süden befördert.

Dieses kalte Wasser gelangt jedoch nicht direkt in den Kreislauf des Golfstroms zurück, sondern fließt in tiefen Schichten weiter bis nach Südamerika und von dort in die globale, zirkumpolare Strömung rings um die Antarktis.

Schematische Darstellung der globalen kalten (blau) und warmen (rot) Meeresströmungen, einschließlich AMOC und Golfstrom.

Schematische Darstellung der globalen kalten (blau) und warmen (rot) Meeresströmungen, einschließlich der AMOC und des Golfstroms. Foto: Sara Levine/Pacific Northwest National Laboratory

Studienautor Lu beschreibt die AMOC daher als eine lebende Zelle, die ihre warme Schicht ständig mit ihrer kalten Schicht austauscht und so das Klima der umliegenden Kontinente gemäßigt hält. Vorstellen müsse man sich dies wie das Belüftungssystem eines Hauses, bei dem die Heizung dafür sorgt, dass kalte Luft nach draußen und heiße Luft einströmt. Stelle man diese Heizung ab, könnte Europa empfindlich abkühlen.

Als entscheidende Komponente des Erdklimas versuchen viele Wissenschaftler herauszufinden, ob sich die AMOC verlangsamt oder ob sie möglicherweise kurz vor einem Zusammenbruch steht.

Auswirkungen anthropogener Aerosole

In der Vergangenheit konnten Wissenschaftler bereits einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung durch Aerosole über Nordamerika und Europa und der Verlangsamung der AMOC herausfinden. Beispiele für diese Aerosole sind die Verschmutzung durch den Verkehr, die Energiegewinnung und die Industrie.

Ein bisher unberücksichtigter Einfluss sind indes auch die Aerosole Asiens. Insbesondere angesichts sinkender Emissionen in westlichen Ländern scheint dieser nicht einfach vernachlässigbar. Wie Lu und Kollegen nun anhand Modellierungen zeigen konnten, schirmen – wenig verwunderlich – auch Aerosole aus Asien die Sonnenerwärmung ab.

Während diese Abschirmung das Erdklima abkühlt, verringere sie jedoch auch die Bewegungen der AMOC. „Das war etwas, das wir vorher nicht wussten“, beschreibt Lu seine Überraschung. Weiter sagte der Geowissenschaftler:

„Die Erkenntnis, dass sich die asiatischen Aerosole 12.000 Meilen [circa 19.300 Kilometer] stromabwärts auswirken können, machte diese Forschung zu einem Novum“, so Lu.

Obgleich fast 20.000 Kilometer entfernt, beeinflusst die Luftverschmutzung über Asien die „europäische Heizung“, den Golfstrom.

Obgleich fast 20.000 Kilometer entfernt, beeinflusst die Luftverschmutzung über Asien die „europäische Heizung“, den Golfstrom. Foto: Sara Levine/Pacific Northwest National Laboratory

Ergebnisse stellen Klimaschutzmaßnahmen infrage

Das Ergebnis der Studie, so die Autoren, ist, dass eine Verringerung der Emissionen von anthropogenen Aerosolen in Asien nicht nur die lokale Luftverschmutzung verringern, sondern auch zur Stabilisierung der AMOC beitragen wird. Es stellt jedoch gleichzeitig auch globale Klimaschutzbemühungen infrage, die durch das Ausbringen von Aerosolen die Sonne dimmen wollen.

Nach Lus Ergebnissen ist dabei nicht auszuschließen, dass derartige Maßnahmen den gegenteiligen Effekt erreichen und die Umweltbedingungen weiter destabilisieren, denn mehr Aerosole haben offenbar ebenfalls einen schlechten Einfluss auf die Dynamik der Erde.

Somit könnte sich wiederholen, was bereits jetzt passiert: Immer mehr Vorschriften in Europa sollen das Klima, die AMOC und den Golfstrom schützen, führen jedoch auch zur Deindustrialisierung und Abwanderung der Industrie, oft nach Asien, wo sie dann wiederum Klima, AMOC und Golfstrom beeinflussen.



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