Ötzi: Dunkle Haut, Glatze, anatolische Vorfahren

Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben das Genom von Ötzi in hoher Qualität analysiert. Sie erhielten ein genaueres Bild vom Aussehen und der Herkunft des Eismannes.
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Europäer und langes, dichtes Haar war gestern: Eine neue Genomanalyse zeigt, wie Ötzi wirklich aussah.Foto: Andrea Solero/AFP via Getty Images
Von 16. August 2023

Erneut nahmen Wissenschaftler die wohl berühmteste Gletschermumie Europas genauer unter die Lupe. Dabei erblickten sie neue Details zum Aussehen und der Herkunft von Ötzi. Bislang war bekannt, dass der vor über 5.300 Jahren in den heutigen Ötztaler Alpen (Südtirol) ermordete Eismann braune Augen hatte und am ganzen Körper zahlreiche Tätowierungen besaß.

Um herauszufinden, woher Ötzi stammt beziehungsweise wo seine Wurzeln lagen, entnahmen Forscher bereits vor knapp zehn Jahren der Mumie einige Proben und untersuchten diese genetisch. Das Ergebnis zeigte, dass der Mann aus dem Eis einen ähnlichen Genmix besitzt wie heutige Europäer. Dies galt als Beweis, dass Ötzi von einer uralten europäischen Steppenbevölkerung abstammte. Nun stellte sich jedoch heraus, dass diese Proben verunreinigt waren und die Annahme eines Europäers falsch ist.

Einsiedler aus der Ferne

Der Genmix heutiger europäischer Menschen ist hauptsächlich aus der Vermischung dreier Ahnengruppen entstanden. Als Grundlage und erste Ahnengruppe gelten die zur mittleren Steinzeit im heutigen Westeuropa lebenden Jäger und Sammler, welche sich vor etwa 8.000 Jahren mit den aus dem Nahen Osten einwandernden frühen Bauern (zweite Ahnengruppe) vermischten. Vor etwa 4.900 Jahren kam dann erneut ein genetischer Zuwachs durch Steppenhirten aus Osteuropa hinzu.

In Ötzis Genom konnten mit den neuesten Untersuchungen jedoch keinerlei Spuren dieses Genmixes mehr gefunden werden. Ein Vergleich mit weiteren zeitgleichen Genomen prähistorischer Europäer zeigte indes, dass der Gletschermann mit Abstand die meisten bäuerliche Ahnenanteile besaß. Das Forschungsteam um den Genetiker Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig schließt daraus, dass Ötzi aus einer relativ isolierten Bevölkerung mit wenig Kontakt zu anderen europäischen Gruppen stammte.

„Wir waren sehr überrascht, im neuen Ötzi-Genom keine Spuren der osteuropäischen Steppenhirten zu finden, auch der Anteil der Jäger-und-Sammler-Gene bei Ötzi ist sehr gering. Genetisch sieht er so aus, als seien seine Vorfahren direkt aus Anatolien gekommen“, erklärte Johannes Krause in einer Pressemitteilung.

Neues Aussehen für Ötzi

Diese Erkenntnis über die Wurzeln des Eismannes führt unweigerlich zu einer Überarbeitung der bisherigen Vorstellung über sein Äußeres. So war sein Hauttyp – schon in der ersten Genomanalyse als mediterran-europäisch bestimmt – wohl noch dunkler als bisher angenommen.

„Es ist der dunkelste Hautton, den man in europäischen Funden aus derselben Zeit nachgewiesen hat“, erklärte der Anthropologe Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung bei Eurac Research in Bozen. „Man dachte bisher, die Haut der Mumie sei während der Lagerung im Eis nachgedunkelt, aber vermutlich ist, was wir jetzt sehen, tatsächlich weitgehend Ötzis originale Hautfarbe. Dies zu wissen, ist natürlich auch wichtig für die Konservierung.“

Bisher nahmen Forscher an, dass die Haut der Mumie während der Lagerung im Eis nachgedunkelt sei. Foto: South Tyrol Museum of Archaeology/Eurac Research/Marion Lafogler

Auch das bisherige Bild von Ötzi stimmt in Bezug auf seine Haare nicht. So schlagen die Forscher vor, dass ein reifer Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr langes, dichtes Haupthaar hatte. Vielmehr gehe man davon aus, dass Ötzi höchstens noch einen schütteren Haarkranz besaß. Dieses Bild würden zudem seine Gene stützen, die eine Veranlagung zur Glatzenbildung zeigen.

„Das ist ein relativ eindeutiges Ergebnis und könnte auch erklären, warum bei der Mumie fast keine Haare gefunden wurden“, so Zink. Ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Diabetes-Typ-2 lag ebenfalls in Ötzis Erbanlagen, kam jedoch dank seines gesunden Lebensstils wahrscheinlich nicht zum Tragen.

Die Studie erschien am 16. August 2023 im Fachmagazin „Cell Genomics“.

Wer war der Mann aus dem Eis?

Name: unbekannt

Spitzname: Ötzi, Gletschermann, Mann vom Tisenjoch, Mann vom Hauslabjoch, Mann aus dem Eis, Mumie vom Similaun

Herkunft: Anatolien

Fundumstände: 1991 durch Bergsteiger auf 3.208 m Höhe im Tisenjoch, Ötztaler Alpen, gefunden

Alter: 40 bis 50 Jahre

Größe: 160 Zentimeter

Gewicht: 50 Kilogramm

Augenfarbe: Braun

Aussehen: über 60 einzelne Tätowierungen am gesamten Körper, therapeutische Funktion fraglich; Veranlagung zur Glatzenbildung

Kleidung: Jacke aus Schaf- und Ziegenfell; Beinlinge aus Fell, befestigt an Gürtel aus Kalbsleder; Lendenschurz aus Schaffell; Schuhe aus Rinderleder, Bärenfell, trockenes Süßgras und Lindenbast; Mütze aus Bärenfell; Umhang aus Grasmatte fraglich

Ausrüstung: Kupferbeil; 14 Pfeile mit Feuersteinspitzen; unfertiger Bogen aus Eibenholz; Dolch aus Eschenholz mit Feuersteinklinge; Rückentrage aus Haselholz; zwei Gefäße aus Birkenrinde zum Transport von Glut und Essen; Tasche mit Feuersteinwerkzeuge, Ahle, zwei Pilze als Heilmittel für Magenbeschwerden, Feuerschwamm und Pyrit zum Feuer entzünden

Lebensumstände: gesunde Ernährung; laktoseintolerant; Bandscheibenverschleiß der Lendenwirbelsäule durch schwere körperliche Arbeit

Krankheiten: Borreliose aufgrund von Zeckenbiss fraglich; Karies und fortgeschrittene Parodontitis; erhöhter Cholesterinspiegel aufgrund Arterienverkalkung;

Todesursache: Verbluten nach Pfeilverletzung im linken Schulterblatt und Durchtrennung von Arterien oder schweres Schädel-Hirn-Trauma (entweder durch Sturz oder fremde Gewalteinwirkung)

Todesumstände: im Frühjahr während einer Rast überraschend durch gezielten Pfeilschuss eines Angreifers von hinten tödlich verwundet; Tatmotiv unbekannt

Genom-Analyse zeigt: Ötzi hatte dunkle Haut, Glatze und anatolische Vorfahren

Das bisherige Bild von Ötzi muss umgearbeitet werden. Foto: Andrea Solero/AFP via Getty Images



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