Organtourismus nach China nicht empfehlenswert

Gespräch im österreichische Gesundheitsministerium zum Thema Organtransplantation
Titelbild
Beim Interview, Prof. Dr. Robert Schlögl, der leitende Ansprechpartner für Organtransplantationen im Gesundheitsministerium in Österreich. (Foto: Alexander M. Hamrle/DNE)
Von 9. Juli 2006

Mehr als 95 Prozent der gespendeten Organe sollen laut Auskunft des chinesischen Gesundheitsministeriums von unfreiwilligen Spendern wie exekutierten Häftlingen kommen. Doch für die 2005 in China durchgeführten Transplantationen bräuchte man potentiell rund 200.000 Organspender. Laut Amnesty International werden nur 3.400 Exekutionen im Jahr durchgeführt, wobei die Dunkelziffer bis zu 8.000 Exekutionen reichen dürfte.

Eine Antwort, wie sich das mit den Angaben des chinesischen Gesundheitsministeriums vereinbaren läßt, lieferte die Aussagen von drei unabhängigen Zeugen im März diesen Jahres: Sie sprachen von der Existenz von geheimen Lagern in China, wo die Inhaftierten wie Ware zum Organspenden bereitstünden.

Die Neue Epoche hat das österreichische Gesundheitsministerium zum Thema Organtransplantation in Österreich und Organraub in China befragt. Der Interviewte, Prof. Dr. Robert Schlögel, ist Bereichsleiter für medizinische und pharmazeutische Angelegenheiten. Er ist der leitende Ansprechpartner des Gesundheitsministeriums für Organtransplantationen in Österreich.

Beim Interview, Prof. Dr. Robert Schlögl, der leitende Ansprechpartner für Organtransplantationen im Gesundheitsministerium in Österreich. (Beim Interview, Prof. Dr. Robert Schlögl, der leitende Ansprechpartner für Organtransplantationen im Gesundheitsministerium in Österreich. (Foto: Alexander M. Hamrle/DNE)

DNE: Von welchen Ländern ist eigentlich Organraub bekannt?

Dr. Schlögl: Also offiziell sind wir mit dem Problem nicht befasst. In den europäischen Ländern ist das praktisch wegen des engmaschigen Netzes von Eurotransplant unmöglich. Hinzu kommt, dass die Organtransplantation nur ein Teil ist, das Schwierige ist ja nicht die chirurgische Transplantation sondern die Nachbehandlung. Denn jedes Organ, das transplantiert wurde, egal welches, beginnt sich mit dem Tag der Transplantation abzustoßen. Es ist also eine Kunst der Nachbehandlung, der Immunsuppression, einen Weg zu finden, dass einerseits die Immunlage nicht zu stark unterdrückt wird und andererseits sie aber doch so stark zu unterdrücken, dass es zu keiner spontanen Abstoßungsreaktion des transplantierten Organs kommt. Das hängt also von der Ausgangslage vor der Transplantation ab und kann nur als Paket beurteilt werden. Die Nachbehandlung ist von der Transplantation de facto untrennbar. Also ich kann mir nicht irgendwo ein Organ transplantieren und die Nachbehandlung woanders machen lassen.

DNE: Was würden Sie den Leuten raten, die hier in Österreich dringend auf ein Organ warten, aber keines bekommen? Ist es sinnvoll in so ein Land wie China wegen Organtransplantationen zu fahren?

Dr. Schlögl: Ich kann jetzt nicht beurteilen, inwieweit die Qualitätsstandards in China gegeben sind, gleich wie in Österreich, ich nehme es aber an, zumindest in den Spezialkliniken und Kompetenzzentren. Es ist natürlich schon so, dass es besser ist, man läßt sich in Österreich behandeln, es geht ja wie gesagt auch um die Nachbehandlung. Außer man lebt in China. Aber einem Österreicher, der hier lebt, würde ich nicht empfehlen nach China zu gehen, allein schon wegen der Nachbehandlung und wegen der hohen Qualitätsstandards, die in Österreich existieren, sowie wegen der Qualitätssicherheit, die er hier hat. Hier ist das Risiko minimiert.

DNE: Es sind letztens in den Medien Berichte über geheime Konzentrationslager in China aufgetaucht, wo die Leute auf Abruf zum Organspenden gehalten werden. Es gibt in China auch keine Wartelisten, dafür aber Garantien in sehr kurzer Zeit jedenfalls zu einem passenden Organ zu kommen. Dies wurde auch durch Aufzeichnungen belegt. Wie denken Sie darüber?

Dr. Schlögl: Wenn es so ist, ist es auch in China eine kriminelle Handlung. Das hat ja auch der chinesische Gesundheitsminister festgestellt, dass wenn es so ist, kriminell ist und in China verfolgt wird. Ob es das gibt oder nicht, kann man nicht sagen. Ausschließen kann man jedoch nie etwas. Ich kenne auch nicht die Sicherheitssysteme im chinesischen Transplantationswesen, es werden wahrscheinlich nicht die sein, wie hier in Österreich. In Österreich wäre so etwas undenkbar.

DNE: Wie würden Sie es erklären, dass man in China mancherorts weniger als eine Woche braucht um zu passenden Organen zu kommen?

Dr. Schlögl: Man darf natürlich nicht vergessen, in China leben wesentlich mehr Menschen als in Europa, es ist dort also grundsätzlich leichter einen geeigneten Spender zu finden als hier in Europa. Rein vom Spenderaufkommen. Welche anderen Faktoren eine Rolle spielen, kann ich nicht beurteilen. Wir haben auch keinerlei Erfahrung und seitens des Gesundheitsministeriums keine Schnittstellen zu China. Es ist uns kein Patient bekannt, der sich in China ein Organ transplantieren ließ, umgekehrt haben wir hier keinen Chinesen.

DNE: Das chinesische Fernsehen hat kürzlich berichtet, dass in Nordchina zwei Personen auf ein Organ warten und ihnen schon einen Monat im Voraus ein exakter Termin für die Transplantation bekanntgegeben wird. Es handelt sich dabei um eine Niere und um eine Leber, das heißt also, dass der Spender tot sein muß. Wie denken Sie darüber, dies widerspricht sich ja.

Dr. Schlögl: Auch in Österreich beträgt die Wartezeit für eine Leber nur vier Monate. Das Spenderaufkommen ist in China sicher höher. Es kann natürlich auch sein, dass die Kriterien, also die Kompatibilität von Spender und Empfänger vielleicht dort großzügiger bemessen wird als bei uns. Um das zu beurteilen, müsste man sich vor Ort ein Bild machen.

DNE: Hat das Gesundheitsministerium Möglichkeiten über internationale Agenturen Fragen betreffend des Organhandels in China zu stellen, oder eine Untersuchung zu fordern?

Dr. Schlögl: Das liegt nicht in unserer Kompetenz sondern ist eine Sache des Justizministeriums und des Außenministeriums, weil wir mit dem Organhandel nicht befasst sind. Wir bekommen die Organe nur aus Europa, über dieses gesicherte Netzwerk, wir haben keine Schnittstellen nach China.

DNE: Was kann man aus Sicht des Gesundheitsministerium gegen Organraub machen, gibt es da eine Handhabe?

Dr. Schlögl: Also gegen Organraub gibt es eigentlich nur die Möglichkeit solche Sicherheitsnetze einzuführen, wie das hier in Österreich der Fall ist. Wo also jeder Spender und jeder Empfänger registriert ist, wo man von jedem Organ weiß woher es kommt und wer es gespendet hat, welche Institution es explantiert hat, oder aber wer der Implanteur ist. Nur durch derartig hundertprozentig kontrollierbare und transparente Systeme läßt sich ein Sicherheitsnetz einziehen, wo eine entsprechende Qualität gegeben ist.

Wir danken für das Interview

Vielen Dank

Das Interview führte Alexander M. Hamrle

15, 5 Monate beträgt in Österreich derzeit die Wartezeit auf eine Niere, vier Monate auf eine Leber, vier bis fünf Monate auf eine Lunge und rund sieben Monate auf eine Bauchspeicheldrüse. Im Zeitraum von 1. 1. 1998 bis 31. 12. 2003 warteten 2.900 Personen auf eine Nierentransplantation, 1243 auf eine Leber, 690 auf ein Herz, 546 auf eine Lunge und 362 Patienten auf eine Bauchspeicheldrüse. Rund 700 bis 800 Transplantationen werden insgesamt in den vier medizinischen Zentren Wien, Innsbruck, Graz und Linz jährlich durchgeführt. Im europäischen Vergleich liegt Österreich mit 24,2 Spendern pro Million Einwohner an zweiter Stelle hinter Spanien mit 33 Spendern pro Million. Die Schweiz hat im Vergleich dazu nur 10 Spender auf eine Million Einwohner. Die Lebensdauer eines implantierten Organs beträgt im günstigsten Fall fünf bis zehn Jahre, danach muß getauscht werden.

Anders als in Deutschland mit der „Zustimmungsregelung“ gibt es in Österreich die „Widerspruchsregelung“. Das heißt man muß sich schriftlich bei ÖBIG Transplant in das Widerspruchsregister eintragen lassen, sonst gilt man ab dem klinischen Hirntod als potentieller Organspender. Dies gilt nicht nur Österreicher, sondern auch für Ausländer. Bisher ließen sich rund 10.000 Personen in das Widerspruchsregister eintragen.



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