Cem Özdemir möchte Appetit auf Bio-Produkte weiter anregen

Bis 2030 sollen 30 Prozent der Landwirtschaftsfläche ökologisch bewirtschaftet werden. Die Nachfrage nach Öko-Lebensmitteln ging 2022 leicht zurück. Die Branche sieht eine Delle und fordert mehr Anreize.
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15,3 Milliarden Euro gaben Verbraucher 2022 für Bio-Lebensmittel aus.Foto: iStocks/kasto80
Von 15. Februar 2023

Der Appetit auf Bio-Lebensmittel ist den Menschen in Deutschland trotz steigender Lebenshaltungskosten nicht vergangen: Sie gaben im vergangenen Jahr zwar etwas weniger dafür aus, aber immer noch mehr als vor der Pandemie.

Bundesagrarminister Cem Özdemir möchte den Appetit auf Bio weiter anregen und die ganze Branche stärken: „Dabei geht es um Öko in der gesamten Wertschöpfungskette – auf den Feldern und in der Herstellung, in den Ladenregalen, aber natürlich auch an der Ladenkasse“, sagte der Grünen-Politiker laut der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa) zur Eröffnung der weltgrößten Naturkostmesse „Biofach“ in Nürnberg.

Wunsch nach Bio ist ungebrochen

15,3 Milliarden Euro gaben Verbraucherinnen und Verbraucher 2022 nach Angaben des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) für Bio-Lebensmittel aus. Das sind 3,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Doch im Vergleich zu 2019 stieg der Umsatz um 25 Prozent. 2020 und 2021 wuchs die Branche besonders kräftig, weil während der Corona-Krise mehr Menschen zu Hause kochten und dafür Bio-Lebensmittel kauften.

„Der Verbraucher-Wunsch nach Bio ist ungebrochen“, sagte die BÖLW-Vorsitzende Tina Andres. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten griffen aber viele Menschen verstärkt zu preiswerteren Produkten. Davon profitierten insbesondere die Discounter und günstigere Handelsmarken. Die Preise für Bio-Lebensmittel stiegen den Fachleuten zufolge im Vergleich zu konventionellen Produkten allerdings weniger stark.

Auf der „Biofach“ und der parallel veranstalteten Naturkosmetikmesse „Vivaness“ präsentieren bis Freitag, 17. Februar, mehr als 2700 Aussteller aus über 90 Ländern ihre Produkte. Zu den Trends gehören in diesem Jahr regionale Zutaten, neue Süßstoffe sowie ressourcenschonende und vegane Produkte.

Jeder siebte Hof wirtschaftet ökologisch

Bio sei eine entscheidende Antwort auf die Klima- und Biodiversitätskrise, betonte Özedmir. Am Mittwoch, 15. Februar, hat das Kabinett den Entwurf des Öko-Landbaugesetzes beschlossen. Die Bundesregierung und sein Ministerium planten unter anderem mehr Bio in Kantinen und Mensen, mehr Geld für die Öko-Forschung und eine Informationskampagne über Bio. Außerdem bekräftigte Özdemir das Ziel, dass 30 Prozent der Landwirtschaftsfläche bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden sollen. Die gesetzlichen Änderungen seien Voraussetzung für die geplante Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV). Diese werde derzeit finalisiert, heißt es in einer Mitteilung der Regierung. Die Verordnung normiere künftig die speziell auf die Belange der AHV zugeschnittenen nationalen Regelungen zur Bio-Kennzeichnung und zur Bio-Auszeichnung. Sie beinhalten auch die damit zusammenhängenden Kontrollen und Zertifizierungen.

Bündnis fordert 50 Prozent Bio in Kantinen

Zahlen nennt das Ministerium nicht. Konkreter wird hingegen die Initiative „AgrarBündnis“ in seinem „Kritischen Agrarbericht 2023“. Der Gruppierung, der nach eigenen Angaben 26 unabhängige Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Verbraucher- und Entwicklungspolitik angehören, stellt Forderungen unter dem Kapitel „Ökologischer Landbau“. Unter anderem müsse das Bio-Angebot in Kantinen, Mensen und Klinikküchen mindestens 50 Prozent betragen. Dazu solle der Bund die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen und die Küchen bei der Umstellung unterstützten.
Um 30 Prozent Bio zu erreichen, brauche es zudem eine staatliche Kampagne, die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Besonderheiten der Bioprodukte informiert und zeigt, wie Biolebensmittel helfen, unsere Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Mehr Weiterbildung im Ökolandbau

Das Bündnis fordert zudem einen Ausbau von Forschung, Aus- und Weiterbildung im Ökolandbau. Politische Ziele zur Erweiterung des Ökolandbaus ließen sich nur erreichen, wenn ausreichend qualifiziertes Fachpersonal auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette vorhanden sei. Dazu müssten praxistaugliche Lösungen im ökologischen Landbau erforscht werden.
Des Weiteren seien Ministerien in die „neue Bio-Strategie“ einzubinden. Dazu gehöre etwa das Wirtschaftsministerium mit „auf Nachhaltigkeit fokussierten Förderprogrammen und Bio-Gründungsfonds“. Das Finanzministerium sei für eine „ökologische Steuerreform“ zuständig.

Auch müsse die Wahlfreiheit für Essen ohne Gentechnik „durch ein starkes EU-Gentechnikrecht“ weiterhin abgesichert werden, formuliert die Gruppierung.

„Die Zeit ist knapp. Das Ziel ambitioniert“, sagte Andres. Demnach wirtschaftet inzwischen jeder siebte Hof in Deutschland ökologisch. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Höfe um 2,3 Prozent auf etwa 36.500. Die Anbaufläche nahm um 3,7 Prozent auf fast 1,87 Millionen Hektar zu. Das entspricht etwa elf Prozent der deutschen Agrarfläche.

Foodwatch: Bio bleibt Nische

Nach Ansicht der Verbraucherorganisation Foodwatch reichen die Ziele der Bundesregierung jedoch nicht. „Bio ist und bleibt Nische mit sieben Prozent Marktanteil“, kritisierte Geschäftsführer Chris Methmann. Statt diese Nische zu päppeln, müsse die Politik die gesamte Landwirtschaft umbauen, um die gewaltigen Herausforderungen zu bewältigen.

Eine Umfrage des Agrarministeriums hatte ergeben, dass 33 Prozent der Menschen häufig Bio kaufen. 49 Prozent greifen gelegentlich zu Bio-Artikeln. Damit Kunden noch kräftiger zugreifen, braucht es Andres zufolge weitere Anreize der Politik: Neben einer Mehrwertsteuersenkung für Bio fordert sie, dass sich die Umweltkosten auch in den Preisen der Waren widerspiegeln müssten. Solange es sich nicht lohne, Ressourcen zu sparen, lebe die Bio-Wirtschaft mit einer „eklatanten Wettbewerbsverzerrung“.

Andere Bio-Verbände fordern außerdem einen Schadensausgleich für die Branche: Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und der Bundesverband Naturkost Naturwaren schätzen, dass der Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft den Bio-Unternehmen mehr als 100 Millionen Euro an Folgekosten verursacht. Allein für die Rückstandsanalyse müsse die Branche hochgerechnet rund 23 Millionen Euro ausgeben.

 

 



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