Frische Brise: Folkpop für Frühlingsgefühle

Berlin (dpa) - Das schier unerschöpfliche Genre Folkpop hat in diesem Frühjahr echte Highlights zu bieten: Vorhang auf also für frische Alben von Josh Rouse, Stornoway, Villagers, Husky, The Late Call und Lord Huron. Zartbittere…
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Entspannt aus dem Tal zurück: Josh Rouse.Foto: York Wilson/dpa
Epoch Times10. April 2015
Das schier unerschöpfliche Genre Folkpop hat in diesem Frühjahr echte Highlights zu bieten: Vorhang auf also für frische Alben von Josh Rouse, Stornoway, Villagers, Husky, The Late Call und Lord Huron.

Zartbittere Romantik: Josh Rouse (USA) 

Mit wohligen Streicher-Brisen beginnt eines der schönsten Alben dieses Frühjahrs, und es passt zur Jahreszeit wie kaum ein zweites: „The Embers Of Time“ (Yep Roc/Cargo) stammt vom Singer/Songwriter JOSH ROUSE, der im US-Bundesstaat Nebraska geboren wurde und jetzt mit seiner Familie in Valencia lebt. In zehn herrlich entspannten, mit Country- und Latin-Einflüssen angereicherten Liedern vereint Rouse das Beste aus beiden Welten.

Songs wie der romantische Opener „Someday I’m Golden All Night“ oder die Soul-Ballade „Pheasant Feather“ balancieren geschickt auf der schmalen Grenze zwischen Fröhlichkeit und Melancholie. Denn die Entstehung dieser Lieder fiel in eine schwierige Phase im Leben von Rouse, der mit der 70er-Jahre-Hommage „1972“ (2003) und dem Folkpop-Meilenstein „Nashville“ (2005) den Durchbruch schaffte, zuletzt aber einige arg leichtgewichtige Platten herausbrachte. „Während ich die Songs für das neue Album schrieb, hatte ich wohl eine Art Midlife-Crisis“, sagt Rouse.

In einer Therapie ging er in die Kindheit zurück, in „ein Aufwachsen mit ständigen Umzügen und ohne wirkliche Vaterfigur. All diese Dinge flossen in die Lieder ein.“ Dass ein Stück wie „Ex-Pat Blues“ über das Leben in der Fremde nie wehleidig klingt, macht die große Kunst dieses oft unterschätzten Songwriters aus. Produziert wurde „The Embers Of Time“ wieder von Brad Jones, dem  Rouse seine stärksten Werke verdankt und der ihm auch diesmal ein Klangbild voller Wärme auf den Leib schneiderte.

Euphorischer Küsten-Folk: Stornoway (Großbritannien)

Während „The Embers Of Time“ im beachtlichen Gesamtwerk von Josh Rouse zu seinen besseren Platten gehört, liefert die britische Folkpop-Band STORNOWAY mit Album Nummer drei eindeutig ihr Meisterstück ab. „Bonxie“ (Cooking Vinyl/Indigo) ist nach dem englischen Spitznamen der als aggressiv geltenden nordatlantischen Raubmöwe betitelt, aber aggressiv klingt die Musik der jungen Truppe aus Oxford nie. Sondern euphorisch, harmonietrunken, verträumt – und selbstbewusst, denn dieses Konzeptalbum verbirgt seine Schauwerte nun wirklich nicht.

Vielfältige Keyboardeffekte, immer wieder Streicher und Bläser im krönenden Schlusspunkt „Love Song Of The Beta Male“ polstern den ohnehin üppigen Gitarren-Sound von „Bonxie“ aus. Obendrauf setzen Stornoway die jungenhafte Stimme von Singer/Songwriter Brian Briggs und prächtige Satzharmonien aller Bandmitglieder. Das klingt mitreißend wie schon im Opener „Between The Saltmarsh And The Sea“, in „Man On Wire“ oder „Sing With Our Senses“, und es berührt in wunderschönen Balladen wie „The Road You Didn’t Take“, „We Were Giants“ oder „Heart Of The Great Alone“.

Benannt hat sich das Quartett nach einer kleinen Stadt auf den Äußeren Hebriden im Norden Schottlands – eben Stornoway. Nach zwei in Großbritannien schon sehr erfolgreichen Indiefolk-Alben – „Beachcomber’s Windowsill“ von 2010 und „Tales From Terra Firma“ von 2013 – setzen die Jungs nun ganz auf Küstenstimmung und Vogelkunde, denn Briggs ist studierter Ornithologe. Jede Menge Meeres- und Hafengeräusche sowie 20 verschiedene Seevögelstimmen sind zwischen und in den wunderbar melodischen Songs zu hören. Eine ganz viel Lust auf Frühling versprühende, erhebende Platte.

Conor O’Briens Seelen-Striptease: Villagers (Irland)

Kaum weniger eindrucksvoll klingt die dritte Platte des Iren Conor O’Brien, der seit fünf Jahren unter dem Bandnamen VILLAGERS veröffentlicht, für „Darling Arithmetic“ (Domino) jedoch alle Songs schrieb und alle Instrumente einspielte. Nach dem selbstbewussten Quasi-Solo-Debüt „Becoming A Jackal“ (2010) und dem noch vielschichtigeren Band-Album „Awayland“ (2013) – beide auf Platz eins der irischen Charts – tritt O’Brien einen Schritt zurück und liefert ein sehr persönliches, reduziertes Album ab.

Nur mit Akustikgitarre, Piano, Uralt-Keyboards und dezenten Drums polstert der 32-Jährige neun Songs aus, die um tiefe Gefühle und Verletzungen kreisen. „It took a little time to be honest/it took a little time to be me“, bekennt der inzwischen vollbärtige, aber immer noch sehr jungenhaft wirkende Sänger im Opener „Courage“. Es ist auch danach oft beklemmend, O’Briens Seelen-Striptease zuzuhören. Doch der Ire kleidet seine schmerzhaft ehrlichen Texte stets in so exquisite Melodien, dass man bis zum Schluss gebannt dranbleibt. So entwickelt sich „Darling Arithmetic“ zu einem Folk-Album mit Langzeitwirkung.

Gut geklaut bei den Eltern: Husky (Australien)

Viel sonniger als O’Brien anno 2015 klingt „Ruckers Hill“ (Embassy Of Music/Warner) von der aus Melbourne stammenden Band HUSKY, einem Quartett um Singer/Songwriter Husky Gawenda (ja, der Mann heißt wirklich so). Diese Band hat sich bei den Klassikern bedient: Simon & Garfunkel, Crosby Stills & Nash (also ohne die Ruppigkeiten eines Neil Young), Nick Drake, George Harrison und The Beach Boys standen Pate für die kunstvollen Harmonien von Folkpop-Juwelen wie „I’m Not Coming Back“ oder „Arrow“.

Übermäßig originell ist das zwar nicht, aber mit so viel Liebe zum Detail produziert und mit so tollen Gesängen ausgestattet, dass man Husky Gawenda und seinen Mitstreitern für ihr Epigonentum kaum böse sein kann. Wie einige ähnlich gestrickte US-Neofolk-Bands (von Fleet Foxes bis Band Of Horses) plündern diese auch live äußerst sympathischen Australier für ihre Inspirationen die elterliche Plattensammlung – und erreichen mit einem Jahrzehnte alten Sound die junge Generation.

Goldene Harmonien: The Late Call (Deutschland/Schweden)

Ein englisch singender Deutscher, der in Stockholm lebt und dort Musik schreibt: Johannes Mayer alias THE LATE CALL fällt ein wenig aus dem Rahmen der Folkpop-Klassenbesten des Frühlings. Aber „Golden“ (Tapete) hat es verdient, in einem Atemzug mit den kleinen und großen Meisterwerken dieses Jahres genannt zu werden. Nach drei reduzierten Folk-Kleinoden holt Mayer zur großen Geste aus und liefert – ähnlich wie Stornoway – ein opulentes Album ab, das den Hörer nicht nur saisonbedingt glücklich macht.

Ein Song wie „Come Alive“ braucht freilich kaum mehr als Klavier, Akustikgitarre und Mayers smarte Stimme, um Frühlingsgefühle zu wecken. Beim anschließenden „The Pact“ pinselt die Band ihre Melodie schon breiter aus. In „Pickpocket“ darf der Bass von Patric Thoman wummern, The Late Call geraten hier bei Gesang und Gitarrensound in Coldplay-Nähe. Im Westcoast-Folk von „The Inner“ und „Golden“ (passender Songtitel für eine Hommage an goldene Pop-Zeiten), im zarten „Change Of Scenery“, in der Nick-Drake-Huldigung „Opposite“, der an Prefab Sprout erinnernden Ballade „Leave No Trace“ oder im episch ausfransenden „Telling Stories“ erlaubt sich die Band aber nicht mehr den geringsten Fehltritt.

Selbstbewusstes Statement: Lord Huron (USA)

Der bei The Late Call angesprochene Westcoast-Sound ist auch Ben Schneider alias LORD HURON nicht fremd, lebt der Mann doch seit einiger Zeit in Los Angeles. Benannt hat er sein Bandprojekt nach dem Lake Huron im US-Bundesstaat Michigan, aus dem er auch stammt. „Strange Trails“ (Pias/Rough Trade), Nachfolger des von manchen Kritikern als Fleet-Foxes-Verschnitt bezeichneten Debüts „Lonesome Dreams“ (2013), ist nun das wesentlich eigenständigere, selbstbewusstere Statement eines gereiften Singer/Songwriter.

Man spürt, dass die Erweiterung von Lord Huron zur vierköpfigen Band Last von Schneiders Schultern genommen hat. Der Opener „Love Like Ghosts“ knüpft noch beim epigonalen Erstling an, aber schon „Until The Night Turns“ bietet mit dem Mix aus Paul-Simon-Folk und Rockabilly-Drive neue Klangfarben. Auch danach sind es Songs zwischen Americana und Indiepop auf durchweg hohem Niveau, für die sich Lord Huron teilweise einige „Boss“-Energie von Bruce Springsteen leihen (etwa in „Hurricane“).

Konzerte Villagers: 10.5. Heidelberg; 12.5. Hamburg; 13.5. Köln; 14.5. Berlin

Konzerte Husky: 16.5. Zürich; 23.5. Beverungen; 24.5. Mannheim; 26.5. Köln; 27.5. Hamburg; 29.5. Wien; 30.5. München; 31.5. Berlin

(dpa)


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