Saint-Saëns „Samson und Dalila“ sahnte wenig Applaus ab

Bei der letzten Spielzeitpremiere an der Deutschen Oper Berlin sprang der Funke nicht recht über.
Titelbild
Foto: Barbara Aumüller/Deutsche Oper Berlin
Von 16. Mai 2011

Große Solisten, berauschende Kleider, pastellfarbene Bilder: Die letzte Spielzeitpremiere der Deutschen Oper Berlin hatte alle Voraussetzungen für einen spannenden Opernabend, doch irgendetwas fehlte. Während Saint-Saëns Musik ein Spannungsfeld zwischen Spiritualität und Erotik entwirft, erzählte Regisseur Patrick Kinmonth ein ganz und gar irdisches Drama über die Einsamkeit des Menschen und den Kampf ums Leben oder Überleben.

Das künstlerische Multitalent aus Großbritannien hatte – mit Darko Petrovic als Co-Ausstatter – Bühne und Kostüme zu einem Mikrokosmos von bemerkenswerter ästhetischer Dichte gestaltet.

Oper im und über den Krieg

Camille Saint-Saëns Oper „Samson und Dalila“ entstand zwischen 1868 und 1877.

Eine Zeit voller Konflikte,  selbst der Komponist musste im deutsch-französischen Krieg mitkämpfen. Der deutsch-französischen Freundschaft von Liszt und Saint-Saëns war es jedoch zu verdanken, dass die Oper fertiggestellt und die Uraufführung in Weimar ein großer Erfolg wurde. In Frankreich kam die Oper erst 1890 auf die Bühne, denn für biblische Themen konnte man sich damals nicht erwärmen.

Eigentlich wollte Saint-Saëns die Geschichte aus dem Buch der Richter zum Oratorium verarbeiten, dann wurde eine Oper daraus: Samson, ein Auserwählter mit übernatürlichen Kräften, der das Volk Israels im Kampf gegen die Philister anführt, wird durch Dalila verführt und zu Fall gebracht. Am Ende erhält der reuige Sünder für einen Moment seine Kraft zurück und reißt seine Feinde in den Tod, indem ihren Tempel zum Einsturz bringt.

„Samson und Dalila“ schildert eigentlich keine Liebesgeschichte, sondern einen Kampf von Gut und Böse. Regisseur Patrick Kinmonth interessierte besonders der komplexe Enstehungshintergrund und so verlegte er das Stück vollständig ins Jahr 1871 – mit einer Menge Anspielungen von Politik bis Psychoanalyse.

Die Welt des Fin de Siècle

Dalila, in verführerisch imposanten Taftroben, wird zur Edelhure, Samson zu einem Revolutionär der Pariser Kommune. Philister und Juden treten in deutschen und französischen Militäruniformen auf. Bahngleise und Waggons als Symbol der Geschichte und ihrer Entwicklungen spielen in jeder Szene mit.

Poetischstes Element: Ein weißer Prospekt, den Lichtdesigner Manfred Voss als Himmel behandelte, schwebte als leere Fläche über der Landschaft, die im schwarzen Nirgendwo endete. So wurde das Bühnenbild aufgebrochen und alle Kitschgefahr gebannt.

Zum schönsten Bild wurde der zweite Akt: Die spröde Sommeridylle einer impressionistischen Mohnblumenwiese, dazu Dalila als Dame in Cremeweiß. Das passte wunderbar zu den flirrenden Farben des Orchesters, wie überhaupt die stilgerechte Personenführung mit der Musik harmonierte.

Die Schöne gibt das Biest

Star-Mezzosopran Vesselina Kassarova gab ihr Rollendebut als Dalila. Sehr dunkel timbriert, mit der Schönheit und Eleganz einer tödlichen Schlange spielte sie eine rachsüchtige und kalkulierende Frau. Sie schaffte es, ihre Verführungsarie „Mon coeur s’ouvre à ta voix “ von erotischer Schwülstigkeit zu entschlacken, was dem oft gehörten Stück etwas Frisches gab. Nur in wenigen dramatischen Momenten ging sie an die Grenzen ihrer stimmlichen Möglichkeiten, diese gingen unter die Haut.

Da die Geschichte nicht über den Geschlechterkampf im Stil „weiblicher Psychoterror gegen männliche Dominanz“ hinauskam, wurde sie relativ absehbar. Der zweite Akt schloss mit stilisiertem Sex und einer Ohrfeige für einen Kinderstatisten. Dies wurde vom Publikum mit Buhs und Zwischenrufen bis weit in die Umbaupause quittiert. „Es gibt Schlimmeres“ rief ein Herr, der, wie viele andere, die Schwächen der Inszenierung mit Humor betrachtete.

Starker Samson

José Cura, der Samson etwas pauschal feurig und leidenschaftlich anging, hatte seinen größten Moment am Beginn des dritten Aktes. Als gebrochener Held, geblendet und von Gott verlassen, schilderte er Samsons Reue packend und nuancenreich. Der Chor aus dem Off unterstützte ihn dabei fantastisch. Überhaupt trugen die Damen und Herren des Chores (Einstudierung William Spaulding) enorm zur musikalischen Tiefe und Qualität des Abends bei.

Solide Vertreter des Bösen waren Jörn Schümann als Tyrann Abimélech und Laurent Naouri als Oberpriester des Dagon. Die Nebenrollen der Philister waren mit Peter Maus, Clemens Bieber und Sergio Vitale souverän besetzt. Mit sonorer Wärme beeindruckte Bassist Ante Jercunica, der als alter Hebräer Samson vor der Verführerin warnt.

Schwacher Schluss

Größte Enttäuschung: der Schluss. Passend zu seinem Konzept, das Assoziationen zur Geschichte knüpfte, nahm Kinmonth Samsons Schlussworte: „Ich werde sie alle vernichten!“ wörtlich.

Während der letzten Takte ließ er den ganzen Chor, eben noch eine Ballgesellschaft, sich bis auf die Unterkleider entkleiden und die KZ-Züge des Holocausts anrollen.

Das Publikum reagierte hörbar verärgert. Sobald sich jedoch der Portalprospekt herabsenkte und Cura und Kasarova vom Rest des Bühnenbildes abschnitt (sie waren auf dem Souffleurkasten zusammengesunken), schlug der Unmut zum Bravosturm um.

Ungetrübte Freude hatten Dirigent Alain Altinoglu und das Orchester verbreitet. Elegant und sehr französisch raffiniert hatte Altinoglu dirigiert. Die atmosphärischen Verführungsszenen gestaltete er faszinierend sinnlich, doch ohne dickes Schwelgen. Akustisch sorgte er für klare Fronten zwischen Gut und Böse und den nötigen religiösen Glanz. Das Orchester begeisterte mit einem weichen Schmelzklang, aus dem makellose Solostimmen hervortraten.

Fazit: Fantastisch für Ohren und Augen. Vielleicht gewinnt die Inszenierung nach ein paar Vorstellungen noch an Intensität.

Foto: Barbara Aumüller/Deutsche Oper Berlin


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion