Sarasates „Carmen-Fantasie“: Eine brillante Darbietung voll Virtuosität

Alles an der „Carmen-Fantasie“ (1882) zeugt von Virtuosität. Sei es der faszinierende Ursprung des Stücks – die Oper Carmen – oder die hinreißende Partitur, alle Elemente machen sie zu einem ultimativen Vorzeigestück für die Violine.
Titelbild
Kate Aldrich als Carmen in der Oper „Carmen“ des Komponisten Georges Bizet am 5. Juli 2015 in der südfranzösischen Stadt Orange im Rahmen der Choregies d'Orange, einem Festival für Oper, lyrische Kunst und Sinfoniekonzerte.Foto: Boris Horvat/AFP via Getty Images
Von 5. September 2023

Das 19. Jahrhundert war ideal für Musiker, die über eine außergewöhnliche Technik verfügten und ihr Können bis zur Perfektion vollendet hatten.

Neue Möglichkeiten des Reisens mit der Bahn oder dem Schiff durch die Erfindung der Dampfmaschine, die reichhaltige Fülle an klassischen Werken, technisch verbesserte Instrumente sowie der Zeitgeist der Romantik schufen die besten Voraussetzungen für den Aufstieg begnadeter Solisten.

Der spanische Virtuose Sarasate

Einer dieser Musiker war Pablo de Sarasate (1844–1908), ein spanischer Geiger und Komponist – ein ehemaliges Wunderkind. Wie viele seiner Altersgenossen komponierte er zahlreiche Stücke für die Violine und verbrachte die meiste Zeit auf Tournee, um sein technisches Können unter Beweis zu stellen.

Der Geigenvirtuose Pablo de Sarasate komponierte die „Carmen-Fantasie“ op. 25. Sie gilt als Vorzeigestück für die Violine. Foto: Public Domain, lizenzfrei

Die „Carmen-Fantasie“ op. 25 für Violine und Orchester ist eines der bekanntesten Werke von Sarasate. Die im Jahre 1882 komponierte Konzertfantasie ist inspiriert von Georges Bizets Oper „Carmen“ von 1875. Zu dieser Zeit war es üblich, dass Musiker Stücke zu Themen populärer Opern komponierten.

Technische Brillanz

Die zwölfminütige „Carmen-Fantasie“ besteht aus mehreren Variationen, die thematisch an die fünf bekanntesten Arien aus Bizets Oper, darunter der fesselnden „Habanera“, angelehnt sind.

Eine Variation beschreibt eine Kompositionstechnik, bei der ein Stück melodisch, harmonisch, rhythmisch oder dynamisch verändert wird. Verändert werden können unter anderem Tempo, Dynamik, Artikulation, Tonart, Melodie, Rhythmus, Harmonik und Klangfarbe.

Nach einer schwungvollen Einleitung geht die „Carmen-Fantasie“ über in die Variation „Aragonaise“ (Tanz von Aragon) aus dem vierten Akt, dann in die „Habanera“ aus dem ersten Akt als kurzes Zwischenspiel, gefolgt von der beliebten „Seguidilla“ aus dem ersten Akt und schließlich über in die Variation „Zigeunertanz“ aus dem zweiten Akt.

Carmen singt die „Habanera“ im ersten Akt aus Bizets Oper, Samuel Holland Rous, 1919. Foto: Public Domain, lizenzfrei

Die Solovioline wird von zwei Klarinetten, zwei Fagotten, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Trompeten, Pauken, vier Hörnern und Streichern begleitet. Es gibt auch eine Version für Violine und Klavier.

In der „Habanera“-Variation setzt der Komponist neben den Kompositionstechniken auf umfangreiche Verzierungen. Wenn die Violine einsetzt, erweitert sich der Tonumfang des Registers auf zwei Oktaven, wodurch eine andere Klangfarbe als die ursprüngliche Mezzosopranstimme von Carmen entsteht.

Sarasates Variationsfähigkeit zeigt sich zudem in der Strichart Ricochet, eine Geigenbogentechnik, bei welcher der Bogen einige Male hintereinander in derselben Strichrichtung auf die Saite geworfen wird, dem Pizzicato (Zupfen der Saiten) der linken Hand, den Doppelgriffen und rhythmischen Veränderungen.

Die „Seguidilla“ dient als Überleitung, in der Spannung aufgebaut wird. Sie zeigt weiterhin das Talent des Geigers. Hier kommen virtuose Techniken mit durchgehenden Trillern, Flageoletts, Registerwechseln, aufeinanderfolgenden Oktaven, Pizzicato und chromatischen Glissandi zum Einsatz.

Der letzte Satz ist der schwierigste der fünf Sätze. Er enthält schnelle Arpeggien, schnelle Terzen, einen Umfang von vier Oktaven sowie eine virtuose Tempobeschleunigung zum Ende hin.

Versteckte Hauptmelodien

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass sich die Hauptmelodien in dem ausgeklügelten Stück verstecken, was es für einen Interpreten schwierig macht, die melodischen Linien zu spielen.

Sarasate arrangierte die Originalmelodien von „Carmen“ neu und setzte virtuose Techniken ein, um einen einzigartigen, vielschichtigen Klang zu schaffen, ohne die emotionale Intensität der Oper zu beeinträchtigen.

Der Komponist hat bewusst die Tempi der Original-Arien (allegro moderato, moderato, lento assai, allegro moderato, moderato) geändert, um sein Können als Komponist und Geiger unter Beweis zu stellen und gleichzeitig die feurige Leidenschaft der Oper zu erhalten.

Lithographie des ersten Aktes der Uraufführung von „Carmen“ von Pierre-Auguste Lamy, 1875. (Public Domain, lizenzfrei)

Ein deutliches Beispiel dafür ist der Wechsel zum „lento assai“ (sehr langsam) im ersten Akt, wenn Carmen Zuniga verspottet. Mit der plötzlichen, dynamischen Veränderung unterstreicht der Komponist Carmens kühnen Charakter und ihr launisches Temperament.

Das Violinenspiel ist virtuos. Die große Bandbreite der verwendeten Register von der tiefen G-Saite bis zur hohen E-Saite schafft Dramatik. Der Interpret muss sich auf die Intensität der Oper einlassen und gleichzeitig eine Balance zwischen flüssiger Technik und Präzision finden, um eine brillante Leistung zu erbringen.

Sarasates „Carmen-Fantasie“ ist eine virtuose Darbietung in puncto Komposition und Kunstfertigkeit. Sie kann aber nur von hoch qualifizierten Musikern, die sowohl hervorragende technische als auch interpretatorische Fähigkeiten besitzen, aufgeführt werden.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: Sarasate’s ‘Carmen Fantasy’: A Brilliant Display of Virtuosity. (deutsche Bearbeitung nh)



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