Gunnar Kaiser: Krebs als Chance zur Selbsterkenntnis

Für viele ist die Diagnose Krebs eine Schockerfahrung. Nicht so für Gunnar Kaiser. Für den Philosophen war es vor allen Dingen ein Anstoß, um zu sich selbst zu finden.
Von 29. November 2022

Erwartungen münden nicht selten in Enttäuschungen. Erleben muss das Gunnar Kaiser nun am eigenen Leib. Der 46-jährige Schriftsteller und Philosoph konnte die gesellschaftlichen Gegebenheiten der letzten zweieinhalb Jahre nicht verdauen. Der Pflicht, für eine offene Gesellschaft zu plädieren und „zu merken, wo Menschen ausgegrenzt, wo Meinungen verboten, wo Menschen mundtot gemacht werden“, seien die Intellektuellen nicht nachgekommen, so Kaiser. Sein Bild des Intellektuellen wurde erschüttert. Er war bestürzt. Anfang des Jahres 2022 folgte die Diagnose „Speiseröhrenkrebs“.

Doch er fragt sich: „Was hat das alles mit mir selbst zu tun? Wieso konnte der Krebs entstehen?“ Es begann der Weg zur Selbstfindung. Ein Prozess, in dem Innenschau, Zweifel, Vertrauen und ein eiserner Wille Hand in Hand gehen.

Seine Gedanken und Erlebnisse teilt Kaiser mit der Epoch Times in einem sehr offenen Gespräch.

Epoch Times: Herr Kaiser, wie geht es Ihnen? Die Diagnose ist fast schon ein Jahr her.

Kaiser: Es geht mir schlechter. Nach der Diagnose hatte ich mit einer Chemotherapie begonnen, nach der es mir besser ging. Die Symptome, die das Schlucken und Essen betrafen, waren nahezu verschwunden. Seit anderthalb Monaten sind die Symptome wieder da, wie zu Beginn. Das und nicht zu wissen, was gerade in meinem Körper vorgeht, macht mir natürlich Sorgen.

ET: Wie haben Sie sich damals gefühlt, als Sie mit der Diagnose konfrontiert wurden? 

Kaiser: Die Diagnose war für mich kein merkbarer Schock. Die Symptome waren sehr lange zuvor schon da. Ich bin das Gegenteil eines Hypochonders. Ich denke: „Es ist von allein gekommen, es geht auch von allein wieder weg.“ Mein Leidensdruck war ab einem gewissen Zeitpunkt aber dann doch so groß, dass ich die Entscheidung traf, das mal untersuchen zu lassen. Ich hatte zehn Kilo innerhalb kürzester Zeit abgenommen und begriff, dass ich irgendwann verschwinde würde, wenn es so weiterging.

Ich war dankbar, dass ich in dieser Zeit von den Ärzten und der Schulmedizin aufgefangen wurde. Wobei „aufgefangen“ fast schon übertrieben ist. Es wurde gesagt „Wir machen viermal Chemotherapie, operieren, dann noch mal viermal Chemotherapie.“ Alternative Wege wurden gar nicht besprochen oder vorgeschlagen. Natürlich wird einem schon selbst die Entscheidung überlassen. Erst später, als es mir wieder besser ging, habe ich mich nach alternativen Lösungen umgesehen und mich dann umentschieden.

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ET: Sehen Sie einen tieferen Sinn hinter dem Ganzen?

Kaiser: Auf jeden Fall. Ich glaube, es wäre eine vertane Chance, wenn man Krisen nicht so sehen würde. Man kann in die Vergangenheit schauen und reflektieren: „Wie habe ich bisher gelebt? Wie habe ich gedacht und gefühlt, dass sich die Krankheit entwickeln konnte?“ Zum anderen kann man in die Zukunft blicken und sich fragen: „Was kann ich ändern? Was kann ich daraus für die Zukunft lernen? Wie möchte ich jetzt leben?“

Auch wenn man nicht auf die Ursache kommt, kann die Beschäftigung mit bestimmten Themen dennoch das Leben verbessern. Sich gewisse Konflikte, die man im Leben hatte, genauer anzusehen und aufzulösen, kann nie schaden.

ET: Hat Angst eine Rolle in Ihrem Leben gespielt?

Kaiser: Ja. Vor dem Tod habe ich eigentlich keine Angst. Ich weiß aber nicht, wie es wäre, wenn man mir sagen würde, dass ich nur noch sechs Monate zu leben hätte. Als Philosoph sollte man sich auch mit der eigenen Endlichkeit auseinandergesetzt haben. Bei Epikur heißt es: „Philosophieren lernen heißt sterben lernen.“ Ich habe relativ viel erreicht in meinem Leben, habe zwei erwachsene Töchter, die gut geraten sind. Was will man mehr? Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, eher noch vor Schmerzen.

Das heißt aber nicht, dass ich diese innere Angst vor dem Bedeutungsverlust nicht hätte. Die hat natürlich auch mit dem Tod zu tun und ist mit meiner jetzigen Situation verbunden. Ich muss mich nun damit auseinandersetzen, was passiert, wenn ich nicht mehr so weitermachen kann wie bisher. Meine Öffentlichkeitsarbeit, der Kontakt zu den Menschen, die mir zuhören und denen ich zuhöre.

Wenn das nicht mehr so ist, wer bin ich denn dann noch? Mein Glaube: Wenn ich nichts leiste, bei anderen Menschen nichts bewirke, wenn sie mich nicht sehen, dann bin ich auch nicht da und habe keine Bedeutung. Das ist noch schlimmer als der physische Tod. Daran muss ich noch viel arbeiten.

Ich glaube, die berühmtesten und berüchtigtsten Menschen der Weltgeschichte verdanken wir einer Hybris, diesem übersteigerten Anspruch und dieser Bedürftigkeit. Einem fast narzisstischen Willen, von den anderen gesehen zu werden. Dann bekommen wir eben so jemanden wie Nero, wie Napoleon und Hitler. Jetzt habe ich mich in eine tolle Reihe gestellt.

Aber nicht nur berüchtigte, auch berühmte Menschen, wie etwa große Künstler der Vergangenheit. Diesem charakterlichen Mangel verdanken wir sehr viel an Kunst, auch an Wissenschaft. Ich weiß manchmal nicht, ob das nicht sogar ein Opfer ist, das einzelne Individuen ruhig mal bringen können – ein Dostojewski, ein Kafka, ein Rembrandt – damit wir jetzt ihre tollen Werke sehen können. Jetzt habe ich mich in die andere Reihe gestellt. Das ist ja sehr anmaßend von mir.

ET: Sie haben Ihre Erkrankung öffentlich gemacht. Verspürt man da einen zusätzlichen Druck? Oder hilft Ihnen der öffentliche Austausch in gewisser Weise sogar?

Kaiser: Diesen Schritt bin ich sehr bewusst gegangen, habe mir zwei Monate Gedanken darüber gemacht. Letztlich sind mir durch die Chemotherapie die Haare ausgefallen. Ich hätte meine visuelle Arbeit vollkommen einstellen und mich zurückziehen müssen. Vielleicht kann die Art und Weise, mit meiner Schwäche in die Öffentlichkeit zu treten, auch Menschen inspirieren. Zu sehen, da ist einer, der sich nicht unterkriegen lässt.

Überwältigt hat mich die Flut an Zuspruch und Dankbarkeit, die ich erhalten habe. Auch konkrete Hilfe und Ratschläge. Zum einen, weil ich gar nicht das Gefühl hatte, ich könnte dem gerecht werden, im Sinne von „Danke“ sagen. Auf der anderen Seite haben mich die vielen unterschiedlichen Tipps überfordert. Da sind die einen, die sagen: „Das ist alles auf einer feinstofflichen Ebene aufzulösen.“ Oder: „Du musst diese und jene Nahrungsergänzungsmittel nehmen.“ Andere haben gesagt: „Chemotherapie ist doch ganz gut, es gibt auch eine andere Form von Chemotherapie“ und so weiter.

Ich wollte das alles auf mich wirken lassen und dennoch meinen Weg gehen. Irgendwann hatte ich die Kraft, zu handeln. Das Zweifeln an allem bringt mich auch nicht weiter. Das war der stärkste Punkt in meiner Selbstfindungsphase. Als Philosoph ist Zweifeln dein Beruf. Man betrachtet erst mal alles skeptisch und hinterfragt alles.

Das hat mich an der Riege der Berufsphilosophen und Intellektuellen so konsterniert. Dass sie das vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren nicht in diesem Maße gemacht haben, sondern einer Agenda aufgesessen sind, die sie nicht hinterfragt haben. Diese Intellektuellen haben ihren eigenen Zweifel über Bord geworfen.

Wenn es darum geht zu handeln, muss man irgendwann sagen: „Jetzt brauche ich diese Sicherheit.“ Und wo finde ich die? Nur in mir. Der eine ist eine Autoritätsfigur, der andere ist auch eine Autoritätsfigur. Der eine sagt „ich bin Experte“, der andere sagt „ich bin Experte, die anderen sind alle gekauft“ oder „das sind alles Schwurbler und Verschwörungstheoretiker“ oder „Spinner und Esoteriker“. Die anderen sagen, „Das ist alles nur Pharmaindustrie.“ Ich als Laie komme so nicht weiter. Ich muss dann in mich gehen und einen intuitiven Zugang dazu entwickeln.

ET: Was ist eine Krankheit in Ihren Augen? Und was sagt sie an der Oberfläche über uns aus?

Kaiser: Ich betrachte das als etwas sehr Individuelles. Jeder Mensch bekommt durch Krankheit eine Möglichkeit, sein Leben zu ändern. Sich auch Themen zu stellen, die er vielleicht bisher ausgeblendet hat. Ob das unbedingt zur Genesung beiträgt, weiß ich nicht. Es gibt Menschen, die sagen: „Schau dir diese Themen und Konflikte an, dann wirst du gesund werden.“ Man weiß nicht, ob der Körper tatsächlich immer so direkt reagiert. Es kann auch überfordern beziehungsweise Schuldgefühle verursachen, wenn man merkt, man ist immer noch krank.

Dass ich jetzt gerade Unwohlsein verspüre, heißt, ich habe es nicht richtig gemacht, ich schaue noch nicht richtig hin. Was mache ich denn falsch? Das erzeugt viel Druck. Mein Thema ist eigentlich, es mir gut gehen zu lassen. Es in ein richtiges Verhältnis von Selbstliebe und Selbstakzeptanz zu setzen.

Ich war in meinem Handeln immer abhängig vom Zuspruch der anderen. Darin habe ich einen Sinn gesehen, was mir wiederum Stress gemacht hat. Ich möchte mich da jetzt ein wenig rausnehmen. In den Wald gehen, meditieren. Das ist ein Weg zu mir. Ein gesunder Weg, der mich zur Selbstliebe bringt. Auch wenn dadurch meine körperlichen Leiden vielleicht noch nicht geheilt sind, ist es doch ein viel besserer Weg, damit umzugehen.

Ich bin trotzdem guter Dinge. Es gibt Menschen, die zwar körperlich leiden, aber guter Dinge sind. Sie machen sich oder anderen nichts vor. Sie haben einfach diese innere Resilienz. Dann gibt es auch andere, die eigentlich gar nichts Großes haben und dennoch nur klagen und schlecht gelaunt sind.

ET: Inwieweit spielen Gedanken oder die Psyche eine Rolle bei der Heilung?

Kaiser: Ich denke, sie spielen die Hauptrolle. Letztlich beeinflussen sie das Materielle. Allein über die Art und Weise, wie wir uns ernähren, wie wir uns bewegen, wie wir auf Menschen zugehen – unsere Gedanken haben Einfluss auf unseren ganzen Biorhythmus und auf das Feld, das uns umgibt.

Ich denke, es lässt sich sehr viel dadurch erreichen und neu erlernen. Es gibt zahlreiche Geschichten von Menschen, die die ärgsten Diagnosen und Krankheiten mit einer Art Willen und Geisteskraft besiegt haben, wo sich die Schulmedizin nur die Augen reibt. Das kann man nicht alles als reinen Zufall abstempeln.

Der Placeboeffekt zeigt, dass eben diese geistige Komponente eine große Rolle spielt. Das ist auch etwas, das ich weiterhin erobern möchte. Leider komme ich mir da durch mein philosophisches und materialistisch-reduktionistisch ausgerichtetes Denken selber ein bisschen in die Quere. Ich möchte nicht einfach nur etwas gesagt bekommen, wie esoterische Floskeln. Ich möchte schon wissen, was dahintersteckt. Ob es Evidenz gibt und ob ich das vielleicht sogar wiederholen kann. Ob es sich sogar wissenschaftlich formulieren lässt, sodass ich es in einem Feldversuch darstellen kann. Bei allem anderen können mir viele Leute viel erzählen. Und mit diesem Anspruch, den ich auch sehr gut finde, sabotiere ich mich ein bisschen selbst.

Ich möchte aber trotzdem bei mir einfach mal versuchen, es wirklich ernst zu nehmen. Weil ich dann den Zweifel völlig fallen lassen muss. Ich muss dann sagen: „Okay, ich gehe jetzt mal in mich und gehe in diese Geisteskraft. Mein Körper – die Materie – folgt dem Geist und ich bin davon überzeugt.“ Und diese Überzeugung zu finden, ist bei mir noch ein längerer Weg.

ET: Spielt Spiritualität bei Ihnen eine Rolle?

Kaiser: Diese Rolle ist auf jeden Fall schon größer geworden. Ich lerne viele spirituelle Menschen kennen oder Menschen, die sich spirituell nennen. Wahrscheinlich, weil sie den Eindruck bei mir haben, dass ich dafür offen bin, was auch stimmt. Gerade spirituelle Menschen stoßen in der Mehrheitsgesellschaft oft auf Skepsis und Ablehnung.

Es gibt dort viele, von denen ich den Eindruck gewinne, dass sie sich oder mir etwas vormachen. Oder sie haben sich ganz viele Themen noch nicht angesehen oder aufgelöst, die sie einfach umgehen wollen. Dieses sogenannte „Spiritual Bypassing“ [Anm. d. Red.: das Unterdrücken von unangenehmen psychischen Prozessen mithilfe von spirituellen Praktiken oder Inhalten], in dem sie sagen „Es ist alles Licht und Liebe“ oder „Ich habe das längst verstanden, ich bin auf dieser materiellen Ebene gar nicht mehr so richtig inkarniert.“

Da steckt so viel Ego drin. Davor möchte ich mich selber hüten. Darum sage ich von mir nicht, dass ich spirituell sei. Ich habe vielleicht ein gewisses Gefühl und auch eine gewisse spirituelle Erfahrung, die ich machen kann. Aber das ist im Moment meine subjektive Erfahrung. Ich kann nicht sagen, das ist für euch alle so.

Ich habe für mich Wege gefunden, dieses Spirituelle auch in mein Leben einzuladen. Ich mache es mittlerweile mit einem gewissen „Verve“, einem gewissen Willen zu sagen: „Wenn das so ist, dann zeige dich mir. Wenn du, Jesus, existierst – und das glaube ich –, dann zeige dich mir jetzt.“ Und ich muss sagen, er war nicht unerfolgreich, dieser Ruf.

ET: Gibt es etwas, das Sie in den letzten zweieinhalb Jahren nur schwer oder gar nicht „verdauen“ konnten?

Kaiser: Eine Menge. Diese persönlichen Enttäuschungen haben mich aber doch am meisten beschäftigt. Ich habe darüber länger – auch öffentlich – nachgedacht, was das mit mir selbst zu tun hat. Diese Enttäuschung ist offensichtlich die Wirkung einer Täuschung oder einer Erwartung, die ich von anderen hatte. Abstrakt gesagt, war es die Rolle der Intellektuellen, die mich frappiert hat. Dass es dort eben keine deutlichen Stellungnahmen gegen das Narrativ gab. Nicht nur gegen das Narrativ, sondern gegen die Verengung der Debattenräume.

Als Intellektueller muss man nicht unbedingt auf der anderen Seite sein. Es würde aber schon helfen, weil die andere Seite der Macht meistens unabhängig ist und einen besseren und klareren Zugang zur Wahrheit hat. Aber das muss ja nicht automatisch so sein. Es ist doch die Pflicht des Intellektuellen, für eine offene Gesellschaft zu plädieren. Zu merken, wo Menschen ausgegrenzt werden, wo Meinungen verboten, wo Menschen mundtot gemacht werden. Das haben wir nicht nur in den letzten zweieinhalb Jahren gesehen.

Dass das überhaupt nicht passiert ist, hat mich wirklich bestürzt. Ich habe mich gefragt, ob ich eine vollkommen falsche Sicht auf die Intellektuellen hatte.

Ich habe mir gedacht: Im Notfall werden sich diese Menschen bestimmt nicht vor den Karren spannen lassen beziehungsweise höchstens vor den Karren der Freiheit. Sie werden diese Sichtweise in den Fokus rücken, die bewusst ausgeblendet wird. Oder nur aus Versehen ausgeblendet wird, vielleicht aus einem Systemfehler heraus. Hatte ich da die falsche Sicht auf den intellektuellen Diskurs und auf die Rolle des Intellektuellen?

Ich möchte noch nicht ganz Abschied davon nehmen, zu sagen, „ach der Intellektuelle war eh immer nur eine Witzfigur der Geschichte, die sich angemaßt hat, besser über das Leben der Menschen Bescheid zu wissen, als sie selber.“ Das war tatsächlich sehr oft der Fall. Ich halte immer noch dieses Ideal hoch. Meine Enttäuschung ging dann dazu über, zu fordern: Wir brauchen einfach bessere und unabhängige Intellektuelle, deren natürlicher Wohnraum nicht der Enddarm der Regierung ist.

Damit wäre schon viel gewonnen. Was mein persönliches und privates Umfeld angeht, habe ich sehr viel Glück gehabt. Es gab aber doch einige Erlebnisse, die auch mit meiner Erwartung zu tun hatten, und zwar „ältere weiße Männer“.

Es waren Figuren in meinem Leben, an denen ich mich als junger Mensch orientiert und zu denen ich aufgeschaut habe. Ich wollte so werden wie sie. Sie haben sich in dieser Zeit mir gegenüber illoyal verhalten, indem sie die Zusammenarbeit mit mir aufgekündigt haben. Auf eine sehr ehrliche Art: Sie haben gesagt „Ich möchte meinen Ruf nicht beschmutzen“. Ich hatte immer den Eindruck, dass diese Männer nicht abhängig sind von Ruhm und Karriere und diesem Streben im Außen, so wie ich das noch ein wenig habe.

Zu merken, mit 80 oder 85 Jahren sind diese Männer immer noch so abhängig davon, sind dadurch lenkbar und zu Illoyalität verführbar … das hat mich persönlich sehr getroffen. Es war aber auch eine reinigende Erfahrung. Denn jetzt weiß ich: So möchte ich nicht werden.

Ich stehe zu meinem Gewissen. Was meine innere Stimme mir sagt, ist meine Aufgabe hier auf der Welt. Mein Ruf und meine Karriere sind mir vollkommen egal. Ich sehe das alles „Sub specie aeternitatis“ („unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit“). Das muss doch der Anspruch eines Menschen sein, der es ernst mit seiner Existenz meint. Mit einer philosophischen und intellektuellen Existenz insbesondere.

ET: Man gewinnt den Eindruck, dass Sie eine sehr positive Geisteshaltung haben und das Ganze relativ leicht nehmen. Wie machen Sie das, dass Sie die Freude während des Prozesses nicht verlieren?

Kaiser: Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht. Vielleicht ist es auch ganz gut, dass man kein Rezept dafür hat, wie: „Da muss ich noch mehr dran arbeiten, ich muss noch mehr Lebensfreude haben“. Ich mache das auf keinen Fall bewusst im Sinne von: „Jetzt geht es um eine positive Einstellung, jetzt atmest du mal das weiße Licht in dich ein.“ Wenn ich dazu komme, dann mache ich das schon und ich finde das auch toll. Es ist eher so eine innere Einstellung, vielleicht kommt es auch aus meinem rheinischen Gemüt. Im Rheinland sagt man „Et kütt wie et kütt“ – „Es kommt, wie es kommt.“

Zum anderen ist es die Vogel-Strauß-Taktik, die ich mir angeeignet habe: Wenn ich da nicht hinschaue und nur die Sonnenseiten betrachte, ist es auch irgendwie schöner. Ich habe keine Lust, mich mit den negativen Seiten zu beschäftigen. Vielleicht ist es aber auch eine gewisse philosophische Einstellung wie: Worauf kommt es denn wirklich an? Kommt es darauf an, jetzt hier so verbissen durch ein Jammertal zu gehen?

Dass wir alle in diesem Leben Hürden und negative Seiten erleben, ist klar. Wir können nicht alle immer nur durch den Sonnenschein und über den Regenbogen spazieren. Es gibt auch harte Zeiten. Dann kommt es darauf an, wie wir sie nutzen, um über uns hinauszuwachsen.

Es macht mir Spaß zu sagen: „Wow, das ist eine Herausforderung.“ Und: „Ich kann die meistern, indem ich meine Einstellung meistere.“

ET: Herzlichen Dank für das sehr offene und persönliche Gespräch.

Kaiser: Ich danke Ihnen.

 

Zur Veröffentlichung gekürzt.



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