Nie wieder Krieg: Dokumentarfilm „Töchter ohne Väter“ läuft an

„Töchter ohne Väter“. Ein Dokumentarfilm von Andreas Fischer über kriegsbedingt vaterlos aufgewachsene Frauen. Am Sonntag 24. 4. um 11 Uhr in den Kant Kinos Berlin.
Titelbild
Von 23. April 2016

Am 24. April stellt der Filmregisseur Andreas Fischer in Berlin in den Kant Kinos seinen Dokumentarfilm „Töchter ohne Väter“ vor. Um 11:00 Uhr können die Zuschauerinnen und Zuschauern in einer Matinee Vorstellung einen Eindruck gewinnen, wie es sich für die Kriegskindergeneration angefühlt haben muss, ohne einen Vater aufzuwachsen.

Andreas Fischer interviewte neun Frauen, die sich ihm in teilweise sehr emotionalen Gesprächen öffneten und von ihren Erfahrungen aus dem Krieg und der Zeit danach berichten. Bei den meisten der neun Frauen starb der Vater im Krieg, als die Tochter noch nicht alt genug war, sich außerhalb des Elternhauses frei zu bewegen.

Nicht umsonst wird gesagt, dass ab dem siebten Lebensjahr der Vater derjenige ist, der das Kind aus der häuslichen geschützten Umgebung in die Welt hinaus führt. Dieses In-die-Welt-Hinaustreten kann ein schmerzhafter Prozess werden, wenn die schützende Hand des Vaters fehlt. Was genau dieser Umstand mit ihnen als junge Frau, später als eigene Mutter und heute als reife Frau macht und heute noch mit sich bringt, wird in sehr unterschiedlicher Weise erzählt. Und dennoch eint sie das Gefühl, dass sie immer anders waren als die Kinder, die einen Vater hatten.

Töchter ohne Väter ist der zweite Teil seines Porträts deutscher Kriegskinder, die alle ohne Vater aufwachsen mussten. Schon in seinem ersten Film „Söhne ohne Väter“ von 2007 konnte Andreas Fischer eindrucksvoll zeigen, wie emotional, aufwühlend und erschreckend lange die Narben, vor allen Dingen die seelischen Narben dieser Zeit des Krieges bis heute schmerzen.

Wie wichtig wäre der Vater für ihren Lebensprozess gewesen? Was macht diese fehlende Vaterliebe aber mit dem Kind, dem Heranwachsenden und später den älteren Menschen, der auf sein Leben zurückblickt? Welche Spuren hinterlässt diese Lücke, wenn ein Elternteil, hier insbesondere der Vater, nie wirklich präsent ist?

Diese neun Frauen stehen stellvertretend für zigtausende Menschen die ihren Vater im Krieg verloren haben. Man sagt, dass ungefähr 1/3 aller Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Vater aufwuchsen. Die Folgen des Verlustes wurden lange Zeit nicht wahrgenommen, man sprach nicht darüber, aber, was hat es mit den Menschen gemacht? In berührender und eindrucksvoller Weise erzählen, berichten und beweinen diese neun Frauen, wie dieser Vaterverlust über Jahrzehnte ihr Leben geprägt hat und auch welche psychische Folge dieser Vatermangel für sie als Töchter dargestellt hat. Und plötzlich werden alle diese Frauen die zwischen 70 und 80 Jahre alt sind zu kleinen Mädchen, die sehr schutzbedürftig wirken.

Denn genau diese fehlende Position des Vaters hat über Generationen hinweg bei vielen Menschen seelische Wunden hinterlassen und nicht selten ein schwieriges Leben ausgelöst. Denn auch die Vaterliebe ist etwas Unverwechselbares und kann nicht ersetzt werden, weder durch die Mutterliebe noch durch die Liebe eines Partners oder einer Partnerin. Der Verlust dieser Liebe prägt und beeinflusst den Menschen in all seinem Handeln und Tun. Und obwohl sich die neun Frau nicht und kannten, bestätigten doch alle genau dieses Phänomen.

Am Anfang war Vater, Mutter und Kind

Die Natur lässt das Kind als vollkommene Synthese von Mutter und Vater entstehen. Und nicht selten, wenn der Vater verloren geht, wie in diesem Fall durch den Krieg, versucht das Kind immer wieder, diesen Teil nicht nur in sich sondern auch außerhalb seines Selbst zu suchen. Für jedes Kind gibt es das natürliche Bedürfnis, Mutter und Vater zusammen zu erleben. Auch die Töchter, die sich überhaupt nicht mehr an ihren Vater erinnern konnten, bestätigen, dass dieser Vater der vertraute Unbekannte bleibt.

Und einige dieser Töchter ohne Väter beschreiben ihre Witwenmütter als nicht sehr liebevoll, sie wurden nicht selten in aller Härte erzogen. Dieser Frauenkosmos der durch den Verlust des Vaters entstand, ließ so mancher Tochter keine Möglichkeit, sich ihr eigenes Leben aufzubauen.

Nicht nur das Kind hätte den Vater gebraucht, sondern auch so manche Mutter sehnte sich nach einem Mann an ihrer Seite. Diese Sehnsucht wird in so manchen Gesprächen erfahrbar gemacht. Und diejenigen, die bis an ihr Lebensende den Hochzeitsschwur ernst nahmen – ewige Treue – ließen sich auf keinen weiteren Partner ein. Das löste auch Schuldgefühle bei den Töchtern aus. In so manchem Interview kommt auch heraus, dass die Töchter in irgendeiner Art und Weise diese Position ersetzen mussten.

So erzählt eine der Frauen, wie sie Jahrzehnte bei ihrer Mutter blieb um zu helfen. Kein Urlaubsbild ohne die Mutter an der Seite. Und nie gab es einen Ort, über den Verlust des Vaters zu trauern. Erst als sie merkte, dass ihr eigenes Leben drohte gänzlich im Sande zu versieben, konnte und musste sie sich von der Mutter trennen.

Wieviel Nazi steckte in meinem Vater?

Bei fast allen Frauen war natürlich immer wieder die bohrende Frage, wie viel Schuld trug mein Vater an diesem System? Im Gegensatz zu den Söhnen, setzten sich alle Frauen genau mit dieser Frage auseinader. Besonders bei einer Interviewpartnerin wurde diese quälende Frage  sehr explizit deutlich. Auf allen Fotos ist der Vater in der schwarzen SS Uniform zu erkennen. Mit ziemlicher Sicherheit ein überzeugter Vertretet dieser Zeit. Bei den meisten anderen beruhigten sich die Frauen mit dem Gedanken, dass der Vater ein Gefangener dieses Systems war. Vielleicht wollte oder konnte auch nicht mehr zugelassen werden. Denn jede der Frauen hätte den Vater, wenn er in dem Moment zur Tür reingekommen wäre, nur als das gesehen, was er zeit ihres Lebens in Erinnerung geblieben war. Der geliebte und schmerzlich vermisste Vater.

Filmästhetik

Andreas Fischer gelingt es mit sparsamen Mitteln, einen einzig dichten Moment zu erzeugen, da er sich voll und ganz auf die Gespräche verlässt. Der gesamte Film kommt komplett ohne zusätzliche atmosphärische Tricks und von außen gelenkte Emotionseffekte aus. Es gibt keine Musikuntermalungen, keine Licht- und Schattenspiele, die Protagonistinnen sitzen privat vor der Kamera und erzählen. Auch nervt keine Stimme aus dem off und für die Fragen die gestellt werden, nutzt der Regisseur ein simples und zugleich geniales Mittel aus der Stummfilmästhetik.  Hier werden Texttafeln eingeblendet und in diese Ruhe hinein ist der Zuschauer in der Lage, sich eigenen Erinnerungen und Antworten zu überlassen. Diese Schlichtheit besitzt hat eine ungeheuerliche Wirkung, denn für einen Moment herrscht absolute Stille.  

Die Kriegsenkelgeneration sucht nach eigenen Antworten

Natürlich stellt sich die Frage, warum die Kriegsenkelgeneration, zu der auch Andreas Fischer gehört, sich mit der Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern beschäftigt. Ihm geht es darum, das Erlebte zu hinterfragen, zu verstehen um dieses dunkle Kapitel Deutschlands nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Besonders jetzt, wo die rechte Szene wieder sehr aktiv ist, ist es mehr als notwendig aufzuzeigen, was Krieg, Flucht und Vertreibung mit Menschen macht und zwar über Jahrzehnte.

Nach all diesen Interviews, auch bei denen, die bei „Söhne ohne Väter“ stattgefunden haben, bekommt man das Gefühl, dass alle ihre persönlichen Antworten auf Fragen bekommen haben, die jeder seit Jahren mit sich trug.

Töchter ohne Väter

Ein Dokumentarfilm von Andreas Fischer

Über kriegsbedingt vaterlos aufgewachsene Frauen

Am Sonntag 24. 4. um 11 Uhr in den Kant Kinos Berlin

Kantstrasse 54 / 10627 Berlin

Moraki Kultur Produkte

Die Produktion des Films wurde gefördert von der Gerda Henkel Stiftung



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