Der Pilgrim – Von Friedrich von Schiller

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Abend ward's und wurde Morgen, nimmer, nimmer stand ich still; aber immer blieb's verborgen, was ich suche, was ich will.Foto: iStock

Der Pilgrim

Noch in meines Lebens Lenze

War ich, und ich wandert‘ aus,
Und der Jugend frohe Tänze
Ließ ich in des Vaters Haus.

All mein Erbteil, meine Habe
Warf ich fröhlich glaubend hin,
Und am leichten Pilgerstabe
Zog ich fort mit Kindersinn.

Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
Und ein dunkles Glaubenswort,
Wandle, rief’s, der Weg ist offen,
Immer nach dem Aufgang fort.

Bis zu einer goldnen Pforten
Du gelangst, da gehst du ein,
Denn das Irdische wird dorten
Himmlisch, unvergänglich sein.

Abend ward’s und wurde Morgen,
Nimmer, nimmer stand ich still;
Aber immer blieb’s verborgen,
Was ich suche, was ich will.

Berge lagen mir im Wege,
Ströme hemmten meinen Fuß,
Über Schlünde baut‘ ich Stege,
Brücken durch den wilden Fluß.

Und zu eines Stroms Gestaden
Kam ich, der nach Morgen floss
Froh vertrauen seinem Faden,
Werf‘ ich mich in seinen Schoß.

Hin zu einem großen Meere
Trieb mich seiner Wellen Spiel;
Vor mir liegt’s in weiter Leere,
Näher bin ich nicht dem Ziel.

Ach, kein Steg will dahin führen,
Ach, der Himmel über mir
Will die Erde nicht berühren,
Und das Dort ist niemals hier!

Friedrich von Schiller (1759 – 1805



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