Wie Alexander der Große groß wurde – und sein Verfall

In nur neun Jahren eroberte Alexander der Große den Großteil der damals bekannten Welt. Seinem steilen Aufstieg folgte jedoch ein noch steilerer Fall – und bereits fünf Jahre später zerfiel sein Reich. Was war passiert?
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Brüderlichkeit, gute Sitten und Glaube – als Alexander diese Tugenden verletzte, verlor er alles und zum Schluss sogar sein Leben.Foto: PanosKarapanagiotis/iStock
Von 3. Oktober 2021

Die Aufzeichnungen von Diodorus Siculus (90 – 30 v. Chr.) – der frühesten überlieferten historischen Quelle über Alexander den Großen – verdeutlichen die entscheidenden Merkmale, die Alexander im Laufe des Großteils seines kurzen Lebens groß machten. Diese waren Brüderlichkeit, gute Sitten und Glaube. Nun werden wir sehen, wie sich diese Merkmale in den letzten Abschnitten des außergewöhnlichen Lebens dieses Helden entwickelten. 

Arroganz und Extravaganz

Alexander starb im Alter von nur 32 Jahren, als er sich auf dem Rückweg von seinen Eroberungen befand. Sein frühes Ableben ist von großer Bedeutung: Es war, als wäre er zum Zweck dieser Eroberungen auf die Erde geschickt worden. Er erfüllte seine Mission und starb im gleichen Alter wie Jesus Christus, der auch etwa 32 oder 33 Jahre alt wurde. 

Vor allem starb Alexander genau dann, als er alle seiner drei edlen Tugenden verletzte: Brüderlichkeit, gute Sitten und Glaube. Nachdem er den persischen Kaiser Dareios III. besiegt und das Perserreich erobert hatte, veränderte sich Alexanders Charakter allmählich zum Schlechten. Alexander hatte sein ganzes Leben lang nur auf dieses eine Ziel hingearbeitet. Als dieses Ziel schließlich erreicht war, sah er keinen Grund mehr, sich nicht zu entspannen und zu vergnügen – das einzige Problem war jedoch, dass er zunehmend keinen unmittelbaren Grund mehr zu haben schien, mit dem Spaß aufzuhören.

Er verletzte die Brüderlichkeit zwischen ihm und seinen makedonischen und griechischen Mitstreitern, als er beschloss, seinen Eroberungszug nach Indien fortzusetzen, um dem Perserreich, das er nun regierte, zu mehr Ruhm zu verhelfen und dabei seine Männer weiter von ihrer Heimat wegzubringen.

Außerdem warb Alexander für seinen neuen Titel „Sohn des Ammon“, was „Sohn Gottes“ bedeutet. Das war jedoch nur wichtig für die Perser, nicht für seine Männer.

Diodorus erklärt: „Die Makedonier meuterten nicht nur, als sie den Befehl erhielten, den Ganges zu überqueren, sondern wurden auch häufig ungehorsam, wenn man sie zu einer Versammlung rief, und machten sich über Alexanders Heuchelei lustig, Ammon sei sein Vater.“ 

Die Situation war so schlimm, dass Alexander ein Heer von 30.000 Persern aufstellte, um es im Fall der Fälle gegen seine eigenen Makedonier einzusetzen.

Auch hier sehen wir, wie Alexander es mit den guten Sitten übertrieb, um seiner nun schwärmerischen persischen Öffentlichkeit zu gefallen. Das war die Verzerrung seines Charakters und glich praktisch dem übermäßigen Wachstum von Zellen wie bei Krebs oder dem Wachstum von Schimmelpilzen – mit anderen Worten: Es war eine negative Entwicklung. 

Er war außerdem dazu übergegangen, die persischen Sitten nicht nur zu respektieren, sondern sie sich auch zu eigen zu machen, und die griechischen Sitten, die ihn die meiste Zeit seines Lebens genährt hatten, über Bord zu werfen.

Diodorus macht die Veränderungen deutlich: So trug Alexander schließlich persische Kleidung, bevorzugte Perser gegenüber den Griechen und nahm sich sogar 360 Konkubinen.

„Alexander schien es, er habe sein Ziel erreicht und kein anderer könne ihm sein Reich streitig machen. Er begann, den persischen Luxus und die extravagante Zurschaustellung der Könige Asiens zu imitieren. Zuerst setzte er an seinem Hof Zeremonienmeister asiatischer Abstammung ein, und dann befahl er den hochrangigsten Personen, als seine Leibwachen zu dienen; unter ihnen war Dareios‘ Bruder Oxathres.“ 

„Dann legte er das persische Diadem an und kleidete sich in ein weißes Gewand und eine persische Schärpe… An seine Mitstreiter verteilte er Umhänge mit purpurroten Säumen und kleidete die Pferde in persisches Geschirr.“

„Außerdem fügte er seinem Hofstaat nach Art des Dareios Konkubinen hinzu, deren Zahl nicht geringer war als die Zahl der Tage im Jahr. Sie waren von beeindruckender Schönheit und aus allen Frauen Asiens ausgewählt worden. Jede Nacht stolzierten sie um die Liege des Königs, damit er sich aussuchen konnte, mit welcher er diese Nacht verbringen würde… Es ist wahr, dass viele ihn deswegen rügten, aber er brachte sie mit Geschenken zum Schweigen.“

Alexander versank in grenzenlose Muße und in etwas, das seinen Männern als Entartung erschienen sein muss. Verschwörungen und scharfe Kritik seitens seines inneren Kreises folgten. Einmal erdolchte Alexander in einem betrunkenen Wutanfall einen alten Soldaten namens Kleitos, der Alexander einst das Leben gerettet hatte. Kleitos hatte Alexander offen für seine jüngste Misswirtschaft kritisiert.

Zu guter Letzt wurden auch Alexanders Glauben und seine Frömmigkeit verzerrt und gingen schließlich ganz verloren. Am Ende seiner Reisen starb sein engster Freund Hephaistion und Alexander beschloss, ein unglaublich extravagantes Begräbnis abzuhalten. Dieses endete damit, dass er allen befahl, Hephaistion als einem Gott Opfer darzubringen. Dafür konnte er sich die Zustimmung eines örtlichen Priesters einholen: 

„Alexander ordnete schließlich an, dass alle Hephaistion als einem Hilfsgott Opfer darbringen sollten. Und genau zu diesem Zeitpunkt kam Philipp, ein Mitstreiter, mit einer Antwort von Ammon: Hephaistion sollte als ein Gott verehrt werden. Alexander war hocherfreut, dass der Gott seine Meinung gutgeheißen hatte, und führte selbst als erster das Opfer durch.“

Hier sei anzumerken, dass, als die positive Nachricht eintraf, Alexander bereits dabei war, seinen Freund zu einem Gott zu erklären, der angebetet werden sollte. Bei genauem Lesen wird deutlich, dass es ihm eigentlich egal war, ob die Verkündung gutgeheißen wurde oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Alexander fast jegliche Demut gegenüber den göttlichen Kräften, die er zuvor verehrt hatte, verworfen.

Der Tod Alexanders

Als Alexander sich am Ende seiner langen Reise der großen Stadt Babylon näherte, erklärten ihm die Chaldäer, sollte er die Stadt betreten, würde er in ihr sterben. Die Chaldäer waren für ihre Fähigkeit bekannt, Omen zu lesen. Alexander nahm dies ursprünglich sehr ernst. 

„Als Alexander also von Nearchos von der Prophezeiung der Chaldäer erfuhr, war er beunruhigt und wurde immer unruhiger, je mehr er über die Fähigkeiten und das hohe Ansehen dieses Volkes nachdachte. Nach einigem Zögern schickte er den Großteil seiner Mitstreiter nach Babylon, änderte aber seine eigene Route, um die Stadt zu umgehen, und schlug sein Hauptquartier in einem Lager in einer Entfernung von zweihundert Meilen auf.“ 

Schließlich wurde Alexander jedoch von griechischen Philosophen, wahrscheinlich der Bequemlichkeit und der öffentlichen Meinung wegen, dazu überredet, Babylon zu betreten, wo er tatsächlich starb.

Diodorus geht stark davon aus, dass Alexander vergiftet wurde. Sollte es jedoch eine malariaübertragende Mücke gewesen sein, die Alexander tötete, dann sollten wir das übermäßige Trinken und Prassen nicht vergessen. Es schwächte wahrscheinlich Alexanders Immunsystem soweit, dass er trotz seines jungen Alters und eines starken Körpers an Malaria starb.

Als Fazit: Aus Alexanders Leben lernen wir die Tugenden Brüderlichkeit, gute Sitten und Glaube. Dies sind kraftvolle Eigenschaften, die Menschen an Orte führen können, die zuvor undenkbar waren, und die die Grundfeiler einer großartigen Zivilisation bilden können. Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, veränderte sich Alexander im letzten Viertel seines Lebens deutlich ins Gegenteil. Er zeigte außerdem das tragische unausweichliche Ergebnis, wenn diese Tugenden verletzt werden. Dadurch sehen wir noch deutlicher, wie wichtig und erhaben diese Tugenden sind. 

Wenn man Alexanders Leben auf diese Weise betrachtet, erhält man das umfassendste und schlüssigste Bild davon, wer er war und wie er groß wurde. Dies ist, auch wenn kurz, die Geschichte Alexander des Großen.

Alle Zitate stammen aus Diodorus Siculus. 

Evan Mantyk ist Englischlehrer in New York und der Präsident der Gesellschaft „Society of Classical Poets“.



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